Auch Debatte um Lebenshilfe
Sinziger Demo setzt sich für Bürger mit Behinderung ein
Pochen darauf, dass sie nach der Flutkatastrophe mit zwölf Toten im Lebenshilfehaus bald wieder eine Wohnstätte in Sinzig haben: Mitarbeiter und Bewohner der Lebenshilfe
Judith Schumacher

In Sinzig hat es am Donnerstag, 8. Mai, anlässlich des europäischen Protesttages zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung eine Demo gegeben. Dabei stand auch die Rückkehr der Lebenshilfe nach Sinzig nach der Flut im Fokus.

Menschen mit Beeinträchtigung eine Stimme zu geben und sie in den Mittelpunkt der Gesellschaft zu rücken – das war die Intention der Demonstration auf dem Sinziger Kirchplatz vor dem Rathaus im Rahmen des europäischen Protesttages zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung, der am 5. Mai ausgerufen wurde. „Wir haben uns den 8. Mai ausgesucht, um uns gemeinsam mit der Lebenshilfe, Bethel im Kreis Ahrweiler, den Caritaswerkstätten und der Gesellschaft Franziskaner mobil mit Unterstützung der Aktion Mensch für die Rechte unserer Mitbürger einzusetzen“, erklärte Lea Orth von der Lebenshilfe.

Parcours macht Probleme im Alltag anschaulich

Um ganz praktisch auf die Belange von Menschen mit Beeinträchtigungen hinzuweisen, hatten die Organisatoren einen Rollstuhlparcours aufgebaut, bei dem sich jeder ein Bild davon machen konnte, wie schwierig es ist, mit dem Rollstuhl oder auch Rollator über das holperige Pflaster zu kurven. „Wir haben auch eine kurze Strecke in Richtung Eisdiele am Marktplatz befahren und gesehen, wie viele Geschäfte nicht barrierefrei sind“, äußerte sich eine Teilnehmerin. Bemängelt wurde auch, dass Parkwege in Sinzig mit Rollsplit versehen wurden, was ein Fortkommen ebenfalls problematisch, wenn nicht sogar unmöglich macht.

Auf Fragebögen, die der Stadtverwaltung übergeben werden sollen, konnten die Besucher ihre Wünsche und Belange kundtun. Hierbei wurde auch darauf hingewiesen, dass in Deutschland über zehn Millionen Menschen mit einer Behinderung leben. Davon sind 7,8 Millionen schwerbehindert, was 9,4 Prozent der Bevölkerung entspricht. Nur drei von 100 Wohnungen seien allerdings barrierefrei. Nach Artikel 9 der UN-Behindertenkonvention haben Menschen mit Behinderung die gleichen Rechte wie Menschen ohne und sollen an allem teilnehmen und alle Angebote der Infrastruktur nutzen können.

Lebenshilfe würde gern nach Sinzig zurück

„Da ist im Kreis Ahrweiler noch viel Luft nach oben. So gibt es etwa kaum geeigneten Wohnraum, vor allem nicht an der Oberahr und Richtung Adenau“, attestierte Janine Schwall von Bethel regional, die in der Ahrweiler Schützenstraße ein Begegnungszentrum an St. Pius betreiben. Es gäbe zwar auch positive Beispiele für Barrierefreiheit, doch insgesamt stehe man da noch am Anfang. Sinzigs Bürgermeister Andreas Geron bedankte sich bei einer Stippvisite für die konstruktive Kritik im Interesse der Sache.

Präsenz zeigte auch die Lebenshilfe mit Vertretern der Bewohner aus den drei Wohneinrichtungen in Hohenleimbach, dem ehemaligen Hotel Düsseldorfer Hof in Rolandseck und des Lebenshilfehauses am Sinziger Kaiserparkplatz. Am Rand der Veranstaltung bekräftigte Andrea Münz vom Heimbeirat noch einmal den Wunsch, bald nach Sinzig zurückkehren zu können, um die Infrastruktur der Geschäfte und Freizeitangebote nutzen zu können.

Wir möchten das pulsierende Herz von Sinzig sein.“
Lebenshilfe-Mitarbeiterin Lea Orth über die gewünschte Wiederkehr der Lebenshilfe nach Sinzig

Nach dem Tod durch Ertrinken von zwölf Bewohnern des Lebenshilfehauses in der Sinziger Pestalozzistraße bei der Flutkatastrophe vom 14./15. Juli 2021 wurden die überlebenden Bewohner auf die anderen Einrichtungen verteilt und so auch aus ihrem gewohnten Umfeld und Lebensmittelpunkt gerissen. Deshalb gibt es schon seit Jahren Bestrebungen der Lebenshilfe, in Sinzig ein geeignetes Baugrundstück zu finden, um ein neues Wohnhaus zu errichten. Gefunden wurde es vermeintlich in der Ausdorfer Straße in unmittelbarer Nähe des Wohnhauses am Kaiserparkplatz. Doch aufgrund von Anwohnerbeschwerden verzögert sich das Ganze erheblich.

„Wie wir gerade auf unserer Betriebsratsversammlung erfahren haben, hängt es immer noch an den Anwohnern, die ihre Bedenken haben“, äußerte sich Svenja Luhmer von der Lebenshilfe. „Dabei geht so viel Fröhlichkeit von den Bewohnern aus. Wir möchten das pulsierende Herz von Sinzig sein“, betonte Mitarbeiterin Lea Orth. In der Wohneinrichtung Hohenleimbach würden manche die Ruhe dort genießen, aber andere würden sich mehr Anbindung ans öffentliche Leben wünschen. Und die ÖPNV-Verbindungen von der Einrichtung in Rolandseck nach Sinzig in die gewohnte Umgebung seien katastrophal.

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