Kreis Ahrweiler
Senioren-WG Niederlützingen: Gemeinsam statt einsam

Brohl-Lützing - Was nur tun im Alter, wenn das Alleinleben einfach nicht mehr möglich ist? Bei Pflegebedürftigkeit oder Krankheit schien der Umzug ins Heim früher selbstverständlich. Eine Alternative hat sich in Niederlützingen etabliert: 2003 gründete Hermann-Josef Seifer hier eine Seniorenwohngemeinschaft – eine Betreuungsform, die auf familiäre Atmosphäre und soziales Umfeld setzt.

Lesezeit 3 Minuten

Brohl-Lützing – Was nur tun im Alter, wenn das Alleinleben einfach nicht mehr möglich ist? Bei Pflegebedürftigkeit oder Krankheit schien der Umzug ins Heim früher selbstverständlich. Eine Alternative hat sich in Niederlützingen etabliert: 2003 gründete Hermann-Josef Seifer hier eine Seniorenwohngemeinschaft – eine Betreuungsform, die auf familiäre Atmosphäre und soziales Umfeld setzt.

Hell ist das Treppenhaus, gemütlich das gar nicht altbackene Wohnzimmer mit der großen roten Couchgarnitur. Erst auf den zweiten Blick fällt ins Auge, dass es sich hier wohl doch nicht um ein gewöhnliches Wohnhaus handelt: Der Treppenlift im Flur, ein Rollator in der Ecke, die Gehstocksammlung neben dem Regal geben Fingerzeige. Sieben Frauen und ein Mann – die Jüngste 82, die Älteste 99 Jahre alt – verbringen in der Seniorenwohngemeinschaft Niederlützingen ihren Lebensabend.
„Gemeinsam statt einsam“ ist die Devise, die über allem steht: Gemeinsam nehmen die Bewohner am großen runden Tisch im Wohnbereich ihre Mahlzeiten ein, erledigen Einkäufe, helfen sich gegenseitig, vertreiben sich die Zeit. Die betreute Wohngemeinschaft bietet Unterstützung und Sicherheit, wie sie auch Heime und selbstpflegende Angehörige leisten. Doch anders als im Heim werden gleichzeitig Eigenverantwortung und Selbstbestimmung gefördert.

Psychosoziale Betreuung
Die Mitarbeiter des ambulanten Pflegedienstes, des gemeinnützigen Alten- und Krankenpflegevereins Brohltal, sind (ganz ohne weiße Kittel) 24 Stunden am Tag zur Stelle. Die psychosoziale Betreuung übernehmen „Alltagsbegleiter“: Sie plaudern, spielen oder musizieren mit den Bewohnern oder lesen ihnen vor. Sozial integriert und eingebunden ist auch der Haushund, ein Berner Sennen-Collie-Mischling. Alle wichtigen Entscheidungen trifft das Vertretungsorgan der WG: das „Angehörigengremium“, in dem alle Bewohner sowie deren Angehörige und Betreuer zusammengeschlossen sind.
Dass keine Tür den Weg in die Küche versperrt, hat seinen guten Grund: All jene Bewohner, die selbst nicht mehr bei der Speisenzubereitung helfen können, sollen trotzdem die Möglichkeit haben, beim Kochen zuzusehen und die Gerüche wahrzunehmen – auch das ist ein Stück Zuhause. Das „eigene Reich“ bleibt wichtig – daran ändert auch das Alter nichts: Das Zuhause ist Ausdruck der eigenen Persönlichkeit. Und so haben sich die Senioren ihre Einzelzimmer nach ihrem Geschmack und mit eigenen Möbeln eingerichtet.
In den meisten der Zimmer hat bereits Weihnachten Einzug gehalten: ein Adventskalender und Dekofiguren hier, ein Tannenbäumchen dort. „Aber Wohnen tut keiner auf dem Zimmer“, weiß Initiator Seifer – dafür ist schließlich das Wohnzimmer mit angeschlossenem Essbereich und Wintergarten da. Das Mittagessen ist der Mittelpunkt des Tages. „Heute gab es Kartoffeln mit sauren Bohnen und Salzfleisch – es hat sehr gut geschmeckt“, lobt WG-Bewohnerin Pauline.

Gäste stets willkommen
Die Gemeinschaft lebt davon, dass eigentlich ständig Familienmitglieder, Freunde, ehemalige Kollegen oder Nachbarn vorbeischauen. Oder wie gerade erst Bad Breisigs Verbandsgemeindebürgermeister Bernd Weidenbach und Ortsbürgermeisterin Christel Ripoll: Beim Kaffeetrinken mit den Senioren verschafften sie sich einen persönlichen Eindruck von der Wohngemeinschaft. Einig waren sie sich in ihrem Urteil: Die Senioren-WG sei eine gute Alternative zur häuslichen Betreuung – und sowohl Verbands- als auch Ortsgemeinde froh darüber, dass hiermit ein zusätzliches soziales Angebot geschaffen wurde.
Als offenes Haus für Begegnungen versteht sich die WG. „Schließlich soll die Pflege nicht das Leben prägen, sondern ein aktives Leben trotz Pflegebedarf ermöglichen“, erklärt Hermann-Josef Seifer. Ein Konzept, das aufzugehen scheint: Im Frühjahr 2008 gründete er eine zweite Seniorenwohngemeinschaft in Burgbrohl. Im ehemaligen Hotel „Zur Krone“ gibt es inzwischen 14 Plätze in zwei WGs. Rund 200 000 Euro steckte Seifer in Grundsanierung und Ausbau des historischen Gebäudes. Nach anfänglicher Skepsis wird die neue Wohnform mittlerweile auch von der örtlichen Bevölkerung gut angenommen und ist in den Ort integriert.

Top-News aus der Region