Oberwinter. Der Verein Theater Stück-Werk Rhein-Ahr hat im Evangelischen Gemeindehaus Oberwinter zusammen mit Schulkindern ein Theaterstück der besonderen Art präsentiert. „Das Geheimnisspiel“ erzählt die Geschichte chilenischer Kinder, die in der Militärdiktatur aufwachsen.
Von unserer Mitarbeiterin Judith Schumacher
Wie erleben Kinder Diktatur? Was bedeutet Unfreiheit? Dürfen sie auch mal nicht die Wahrheit sagen um ihre Eltern zu schützen? Die chilenische Militärdiktatur ist Hintergrund des Theaterstücks „Das Geheimnisspiel“ nach der Idee des von der UNESCO ausgezeichneten Kinderbuches „Der Aufsatz“ von Antonio Skármeta. Der Verein Theater Stück-Werk Rhein-Ahr entwickelte im Rahmen des Remagener Programms „Demokratie leben“ gemeinsam mit Schulkindern unterschiedlicher Schulen auf dieser Basis ein ganz eigenes Drehbuch. Neben mehreren Schulaufführungen begeisterte das Stück unter der Projektleitung und Regie von Theaterpädagogin Sibylle Drenker-Seredszus auch im Evangelischen Gemeindehaus Oberwinter.
Die mitwirkenden Kinder im Alter von 8 bis 14 Jahren setzten sich mit improvisierten unter Anleitung kleine Spielszenen, aus denen ihre auch schauspielerisch beachtliche Theaterfassung entstanden ist. Die junge Besetzung mit Angelina Fell, Carla Kalz, Arian Beck, Lino Hunger, Nike Richter, Jona Hunger, Luca Wetzler, Pablo Hentschke, Emma Seredszus, Lea Hippchen und Simone Osterheld kann stolz auf ihre Leistung sein. Neben den Kindern beteiligten sich auch Erwachsene, die an der Inszenierung mitwirkten und auch eigene Erfahrungen mit einbrachten.
Entstanden ist ein berührendes Theaterstück, in dem aus der Sicht von Kindern die Bedrohung durch ein undemokratisches Regime aufgezeigt und fühlbar gemacht wird.
Zunächst lauert ein gewisses unkonkretes Grauen in der Luft. Bei einer Familie fällt mal wieder der Strom aus, die Mutter (Sibylle Drenker-Seredszus) erzählt ihrer Tochter Antonia (Angelina Fell) zum Taschenlampenschein mit Scherenschnitten die Geschichte von dem Drachen, der ein ganzes Königreich verschlingt und immer gieriger wird. Vater Enrique (Houshang Sani) ruft: „Sie senden wieder!“ In der Bevölkerung hören die Menschen verbotene Sender, und manche von ihnen verteilen Flugblätter. Einer davon ist der Gemüsehändler (Fabian Seredszus). Antonia erlebt, wie die Polizei den Vater ihrer Freundin einfach mitnimmt. Er gehört zu den 5000 Menschen, die in der Zeit der Diktatur im großen Fußballstadion von Santiago de Chile inhaftiert werden. Einer von ihnen war Victor Jara, dessen Musik leise bei der Vorstellung angespielt wurde. Im Stadion brachen sie ihm die Finger. Er dichtete ein Lied, das jene Gefängnismauern überflog, die der Komponist nicht mehr lebend verlassen sollte.
Hautnah erleben die Kinder in dem Stück die Angst ihrer Eltern, spüren deren Verunsicherung. Merkwürdiges geschieht in der Schule. Ihre Lehrerin (Bruni Stroh) bringt ihnen das Geheimnisspiel bei. „Jetzt erzählst du mal extra nicht die Wahrheit, wenn du gefragt wirst“, eicht sie ihre Schüler. Sie einigen sich darauf, das Spiel mit der Abkürzung GS zu versehen. Für Uneingeweihte soll dies für „Gute Stimmung“ stehen.
Immer wenn der Code an der Tafel erscheint, gilt: Lügen was das Zeug hält. Der Trick soll im weiteren Handlungsverlauf noch viele Eltern vor der Inhaftierung bewahren. Denn als der Polizeihauptmann (Alois Schäfer) in der Schule aufkreuzt und von den Kindern verlangt, einen Aufsatz über die Gewohnheiten ihrer Eltern zu Hause zu schreiben, entwickeln die Kinder viel Fantasie. Das GS an der Schultafel setzt sie auf die richtige Schiene.
Trotz all der gefährlichen und bekümmernden Lebenssituationen verlieren weder die Erwachsenen noch die Kinder ihren Mut und den Willen, einen einigermaßen normalen Alltag hin zu bekommen. Mädchen und Jungs zicken sich an wie schon seit Menschengedenken, spielen zusammen Fußball, ziehen sich gegenseitig auf.
Pädagogisch wertvoll ist das Stück insbesondere dadurch, dass bei jüngeren Zuschauern das Bewusstsein sensibilisiert wird, wo Freiheit endet und Manipulation beginnt.