Kurioses von den Zeltplätzen
Rock am Ring: Alltag aus – Festivalmodus an
Camp Jürgen, so nennt sich die fröhliche Truppe, die aus Rheinbach, Bonn und Umgebung an den Ring angereist ist. Ihr Maskottchen Jürgen haben sie in ihrer Gruppe immer dabei, ob am Ring oder in Japan.
Hannah Klein

Zwischen Bollerwagen, Bären und Bierpong: Auf dem Zeltplatz A5 bei Rock am Ring feiern Campgemeinschaften aus ganz Deutschland ihre eigenen Rituale – mit viel Herz, Humor und jeder Menge Schnaps. Ein Besuch zwischen Alltagspause und Ausnahmezustand.

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Nieselregen und nasskalter Wind am Nürburgring: Notdürftig abdeckte Pavillons schützen vor Regen und Sturm. Es ist nicht einmal 10 Uhr am Morgen – und die ersten Bierdosen sind schon geleert. Egal – in den Camps wird schon gegrillt, gegrölt, gefeiert. Das Gelände pulsiert: An diesem Wochenende findet auf dem Nürburgring die 40. Auflage von Rock am Ring statt. Die Party ist bereits vor dem offiziellen Start in vollem Gange – viele der 90.000 erwarteten Ringrocker lassen es am Donnerstag ordentlich krachen.

Willkommen auf dem Campingplatz A5, dem vielleicht berüchtigtsten aller Zeltplätze. Die Fläche ist so beliebt, dass die Ringrocker bereits am Mittwoch vor Festivalbeginn angereist sind, um dort einen Platz zu ergattern – Svenja, Anika und Tanja aus der Nähe von Frankfurt zum Beispiel. Anika und Tanja sind schon seit mehr als 15 Jahren dabei: „Wir zelten immer auf Platz A5, der ist von der Lage her am besten, man ist schnell an den Bühnen.“ In ihrem Camp wird morgens erst mal Schnaps serviert – direkt nach dem traditionellen Frühstück mit Eiern und Speck. Die jungen Frauen haben ihre Zelte liebevoll in Pink dekoriert, obwohl, wie sie betonen: „Eigentlich sind wir nicht so die rosa Mädchen.“ Sie sind auch nicht wegen der Bands hier: „Für uns ist das Camp der Hauptgrund.“

„Muckii“ – auch bekannt als Sebastian – verkleidet sich bei Rock am Ring als Jack Sparrow. Warum? Fluch der Karibik ist sein Lieblingsfilm. Ein Schiff hat er noch nicht, deklariert seinen Bollerwagen aber dazu. Er ist seit 2016 bei Rock am Ring dabei.
Hannah Klein

Ein paar Meter weiter findet eine Transformation statt: Captain Jack Sparrow erwacht zum Leben. Muckii, der eigentlich Sebastian heißt und aus Mayen kommt, sitzt auf einer Bank und lässt sich schminken. „,Fluch der Karibik’ ist mein Lieblingsfilm“, sagt er. Der gedrehte Schnurrbart sitzt bereits und wird stolz präsentiert. Fehlt nur noch das Schiff „Black Pearl“, wie er findet. „Das könnte der Bollerwagen sein.“ Sebastian besucht das Festival seit 2016, seine Gruppe hat sich immer wieder verändert und wurde größer. Kira ist 25 Jahre alt und war 2021 zum ersten Mal dabei. „Wir haben eine WhatsApp-Gruppe, die immer weiter wächst“, sagt die Koblenzerin. Mittlerweile seien sogar Leute aus Hannover Teil des Camps, das mittlerweile ein eingeschweißtes Team ist: „Wir haben ein Rock-am-Ring-Tagebuch. Da halten wir alle schönen Momente und Bilder fest.“ Kira präsentiert passend hierzu ein Buch, das bereits prall gefüllt ist mit Erinnerungen aus drei Jahren Ringgeschichte.

Im „Roxane Camp“ aus Krefeld steht Basti mit einem breiten Grinsen vor einem Pavillon, in der Hand sein Dosenbier. Hinter ihm ein Beerpongtisch, darüber trocknen Handtücher und Kleidung an einem Seil. „Rock am Ring, du bist mein Kryptonit“, schreit er. Neben ihm stehen Isabelle (25) und Marcel (35). Die beiden haben sich hier vor ein paar Jahren kennengelernt – heute wohnen sie zusammen. „Rock am Ring, das ist Erinnerung, Kennenlernen, Liebe, Freundschaft“, sagt Isabelle. Die Gruppe ist aus Hannover angereist. Um hierher zu kommen, sind die vier Mittwochnacht um 2.30 Uhr aufgebrochen. In der Schlange zum Einlass standen sie ganz vorn. Glück gehabt, ein Zeltplatz auf dem Campingplatz A5 ist ihnen sicher.

Torsten ist mit seiner „Rasselbande Obärhausen“ auf dem Campinggelände unterwegs. Die Bären sind bei Festivalbesuchen immer mit dabei und haben eigene Klamotten, Kostüme und Co. Torsten hat extra beim Veranstalter angefragt, ob Bruno, Taira und Chelsea - so heißen die Teddybären - mit aufs Festival dürfen.
Hannah Klein

Dann sind da noch Torsten und Tanja aus Oberhausen. Unterwegs haben die beiden Elli aufgegabelt. Sie ist aus Hamburg und zum ersten Mal bei Rock am Ring. Gemeinsam schlendern sie über den Zeltplatz. Mit dabei: Chelsea, Bruno und Taira – drei Plüschbären im Festivallook. „Die Plüschis gehören zur ,Rasselbande Obärhausen’“, erklärt Torsten stolz. „Sie reisen mit uns auf alle Festivals.“ Die Bären haben eigene „Rocksäcke“, tragen Sketchers und Chucks – und sind auf Facebook vertreten. „Wir fragen vorher beim Veranstalter, ob sie mit aufs Gelände dürfen“, sagt Tanja. Zu Rock am Ring dürfen sie mit, nun steht ihnen ein aufregendes Wochenende bevor, über das sie im Anschluss in den sozialen Netzwerken berichten. Torsten und Tanja haben eine ganze Plüschbärensammlung zu Hause. Welcher Bär mitdarf, entscheidet sich spontan: „Bruno, Taira und Chelsea sind aber unsere Festivalgänger, die haben extra ihre Festivalshirts dafür.“

Festivalshirts hat auch das Camp nebenan. Im „Bundesinstitut für lecker Bierchen“ herrscht Ordnung. Jeder hat eine Rolle, jeder eine Aufgabe. Piet (31) aus Hamburg ist zum ersten Mal hier, vorher war er immer bei Rock im Park. Jetzt hat ihn die Gruppe überredet. „Das Line-up ist Bombe. Ich fühle mich vollständig repräsentiert“, sagt er. Nur die Überschneidungen machen ihm Sorgen. In Piets Camp wird morgens gemeinsam im Takt Zähne geputzt, später wird getrichtert. Die bevorzugte Biermarke? „Durch den Trichter schmeckt alles gleich.“

Trichterpavillon, Gürkchen-Counter und ChatGPT-Bierrechner

Offenbar selber Meinung ist das Camp, das den Namen „Trichterpavillon“ trägt – hier wird Bier aus dem Trichter getrunken, was das Zeug hält. Die Mitglieder des Camps sind aus ganz Deutschland angereist: aus Stuttgart, Eisenberg oder anderen Orten in Rheinland-Pfalz. „Seit 2007 sind wir zusammen hier. Einmal im Jahr treffen wir uns und haben Spaß.“

Und dann ist da noch Camp Jürgen aus der Nähe von Bonn. Maskottchen Jürgen – ein Stofftier aus einem alten Karnevalskostüm – hat sogar einen eigens gestrickten Rock-am-Ring-Pullover. Er kommt demnächst mit auf Japanreise. Seit vielen Jahren treffen sich die Campmitglieder auf dem Festival. Jedes Jahr überlegen sie sich eine Besonderheit oder etwas „Dummes“, wie eines der Campmitglieder sagt. Der Hingucker in diesem Jahr: eine Basketball-Arkade. Zwei Spieler werfen so schnell wie möglich kleine Bälle in die Körbe. Wer die meisten Körbe erzielt, gewinnt.

Eine Gruppe auf dem Zeltplatz, die alle aus dem Raum Mayen-Koblenz stammen, hat seit einigen Jahren ein Tagebuch eigens für Rock am Ring. Alle Erinnerungen halten sie hier fest, kleben Bilder ein, fertigen sogar einen Stammbaum an von allen, die seitdem dabei waren.
Hannah Klein

Viele Leute bleiben stehen, spielen eine Runde Basketball. Wer nicht mitmachen möchte, kann aber auch ein Bier trichtern, heißt es auf einem Plakat am unteren Rand des Spielgeräts. Damit genug Bier fließen kann, wurde ChatGPT nach Rat gefragt. Geklappt hat das nicht so gut: „Wir wollten unseren Bierverbrauch berechnen.“ Das Ergebnis: drei Liter pro Kopf und Tag. „Viel zu wenig“, findet die Gruppe.

Acht Paletten, ein Fässchen und 15 Liter Wein im Tetrapack sprechen eine andere Sprache. Und dazu: eine riesige Dose mit 110 Essiggurken. Die gäbe es bei den Trinkspielen oder zwischendurch. Ein Gürkchen-Counter zeigt, Stand Donnerstagnachmittag, 18 Stück bereits verputzt. Für die bevorstehenden Festivaltage bleiben also noch einige zur Stärkung übrig – und jede Menge kreative Ideen zum Zeitvertreib.

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