Von unserem Redakteur Jan Lindner
Dabei gab es kleinere Tumulte in unmittelbarer Nähe der Friedenskapelle Schwarze Madonna, weshalb auch der anwesende Polizeihubschrauber kurzzeitig über Remagen kreiste: Aus dem linken Lager flogen Böller, Steine, Kartoffeln und Orangen in Richtung der Rechten, die nur rund 25 Meter von ihnen entfernt marschierten. Ein Polizist wurde laut Polizei durch einen Stein leicht verletzt, einige Linke wurden vorübergehend festgenommen.
Beachtlich war das Programm auf dem Marktplatz, das Kulturwerkstatt, Stadtsoldaten und Friedensbündnis auf die Beine gestellt hatten. So richtig voll wurde es vor dem Rathaus gegen 14 Uhr, als die Kölner Karnevalsband Kasalla auftrat. Die fünf Musiker zeigten eindrucksvoll, warum sie in diesem Jahr in der Domstadt zwischen Altweiber und Veilchendienstag fast durchgespielt hatten.
Etwas ernster wurde es im Anschluss, als der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz als Hauptredner auf die Bühne trat. Er war beeindruckt von dem friedlich, aber eindeutigen Protest: „Sie können stolz sein. Es gibt nicht viele Städte in Deutschland, die so deutlich ein Zeichen gegen Rechtsextremismus setzen und für Demokratie und Toleranz.“
Und das sei auch notwendig: „Man muss so konsequent gegen diese Leute vorgehen, man darf ihnen keinen Quadratmeter unbeantwortet überlassen, um unsere Demokratie zu verteidigen.“ Den Remagenern wünschte Lewentz einen „langen Atem. Denn den werden Sie brauchen.“ Man müsse kein Prophet sein, um zu wissen, dass die Rechten im nächsten Jahr wiederkommen würden. Abschließend sicherte er Remagen im Kampf gegen Rechtsextremisten die Unterstützung des Landes zu – auch finanziell. Ahrkreis-Landrat Jürgen Pföhler warnte davor, die „Ewiggestrigen, Verirrten und Verwirrten zu unterschätzen.
Dahinter stehen Leute, die unsere demokratischen Werte verachten. Sie wollen die Geschichte umdeuten, verbreiten Unwahrheiten, betreiben Geschichtsklitterung.“ Doch diesem „unheilvollen Treiben sehen wir nicht tatenlos zu. Wir können und wollen nicht schweigen.“ Pföhler mahnte: „Wachsamkeit gegenüber rechtsradikalen Tendenzen ist und bleibt eine Daueraufgabe für uns alle.“ Der Tag der Demokratie sei ein deutliches Zeichen dafür, dass Rechtsradikalismus „bei uns keine Chance hat“.
An diesem Tag wurde auch wieder deutlich, dass Remagen bei seinem Kampf gegen den unvermeidlichen Aufmarsch nicht allein gelassen wird. Zahlreiche Bürger und Kommunalpolitiker auch aus den Nachbarstädten waren in die Römerstadt gekommen, um sie und ihren Bürgermeister Herbert Georgi zu unterstützen. Der sagte: „Der Tag der Demokratie ist uns von außen aufgezwungen worden. Seitdem 2009 politisch Verwirrte in unsere Stadt kommen und unsere Friedensstätten missbrauchen.“
Dabei sei die NS-Diktatur das schlimmste Unheil gewesen, dass es jemals auf deutschem Boden gegeben habe: „Wir dachten alle, dass dieses geistige Gedankengut für Wirrköpfe nach 1945 ausgelöscht sei. Doch dem ist nicht so.“ Durch die Geschichtsverklärung der Neonazis „sterben die getöteten, gefolterten und gequälten Opfer ein zweites Mal.“ Man solle kurz innehalten und überlegen, wie es wäre, wenn die Nazis heute regieren würden: „Wenn Unterdrückung und Spitzelei bis in die Kernfamilien vordringen würden.“
Fast schon traditionell hatte dieser Tag mit einem Gottesdienst an der Friedenskapelle Schwarze Madonna begonnen, die danach wieder verhüllt wurde. Ab 11.30 Uhr versammelten sich die Neonazis am Bahnhof und marschierten – nach einer kleinen Verzögerung wegen einer Durchsuchung eines „Kameraden“ – gegen 13.15 Uhr los. Nach dem Zwischenstopp in Nähe der Kapelle ging es zurück zum Bahnhof, um 17.30 Uhr wurden sie von der Bundespolizei in Zügen auf der Heimreise begleitet.
Auf dem Marktplatz eröffneten um 12 Uhr Stadtsoldaten und Rhein-Ahr-Spatzen den Tag der Demokratie. Für Musik sorgten Kasalla, Nightlive und Rabaue, für Nachdenkliches die Schüler der Realschule plus und Necmettin Deniz. Er war einst als Gastarbeiter der ersten Generation nach Remagen gekommen, hat hier längst ein neues Zuhause gefunden und fühlt sich als „türkischer Rheinländer“, wie er sagte. Abschlussgebet und Luftballonaktion waren ein würdiges Ende des fröhlichen Bürgerfests, das wohl auch im nächsten Jahr wieder notwendig ist.