Reichsjugendwettkämpfe waren Vorläufer der Bundesjugendspiele
Reichsjugendwettkämpfe im Brohltal: Sogar ein eigenes Schwimmbad wurde gebaut
Mit Freude trieben die Kinder auch schon in früheren Zeit Sport. Kempenich verfügte zur damaligen Zeit sogar über ein Schwimmbad, das sich in der Goldbachstraße befand. Fotos: Hans-Josef Schneider
Repro: Hans-Josef Schneider

Die von Carl Diem konzipierten Reichsjugendwettkämpfe fanden 1920 erstmals in Berlin statt. Sie sind die Vorläufer der Bundesjugendspiele. Nach und nach breitete sich diese Idee des sportlichen Vergleichs im ganzen Land aus. Diese Wettkämpfe gehörten bald in allen Schulen zum festen Jahresprogramm. So auch im Brohltal.

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Die Zeitung berichtete in den Jahren 1929 und 1930 ausführlich über die Reichsjugendwettkämpfe aller Volksschüler der Bürgermeisterei Kempenich. Die nachfolgenden Zeitungspassagen, gefunden in der Schulchronik von Kempenich, vermitteln einen Eindruck vom Geist der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen.

„An den Wettkämpfen beteiligten sich die Jungen der vier letzten Volksschuljahrgänge. Es nahmen an der Veranstaltung aber auch die Mädchen teil. Auf dem Sportplatz in Kempenich nahm die Jugend Aufstellung in Hufeisenform. Die Kempenicher Mädchen zeigten unter der Leitung von Lehrerin Müller einen schönen Reigen, gesanglich verstärkt durch die Jungen der Oberstufe. Diese trugen unter Leitung von Hauptlehrer Knechtges mit ihren frischen, jugendlichen Stimmen ,Das Vaterland' von Ernst Moritz Arndt als Sprechchor vor. Hauptlehrer Fritz aus Weibern baute mit seinen Jungen eine prächtige Pyramide“ ist in den Berichten zu lesen.

Hurrapatriot oder wahrer Volksfreund?

Lehrer Engling aus Lederbach hielt die Festrede. Wie in der Schulchronik zu lesen ist, zeichnete er in markigen Worten treffend die Not des deutschen Volkes, aber auch dessen Lebenswille und Arbeit zum Wiederaufbau des Volksstaates. „Er wusste die Hurrapatrioten in scharfen Gegensatz zu stellen zu den wahren Volksfreunden, die dem Volke nicht scheinbar nur mit schönen Worten dienen, sondern ihre Arbeit, die Arbeit des Geistes und der Hand in den Dienst des Volkes zu stellen. Es wurde anschließend das Lied gesungen ,Ich hab mich ergeben...'.

Lehrer Ollig aus Weibern hatte allgemeine Freiübungen zusammengestellt, die vorgeturnt wurden. Unter den Weisen des Turnerliedes schritten die Turner in drei Gruppen zu den Kampfstätten und maßen ihre Kräfte im Springen, Laufen und Werfen. Von 94 Teilnehmern erreichten 50 die für eine Siegerurkunde vorgeschriebene Punktzahl 40. Die besten Leistungen waren 14,8 Sekunden auf 100 Meter, 4,30 Meter im Weitsprung und 66 Meter im Weitwurf“, lässt die Schulchronik wissen.

Hauptlehrer Fritz aus Weibern baute mit seinen Jungen eine prächtigePyramide.
Repro: Hans-Josef Schneider

Nach den Wettkämpfen bereiteten die volkstümlichen Spiele unter Leitung von Lehrer Keller aus Kempenich, an denen sich auch die kleineren Jungen und Mädchen beteiligten, viel Freude, die noch erhöht wurde durch die Verteilung von Bonbons. Es folgten zwei anmutige Reigen mit Weiberner Mädchen und die Siegerehrung, bei der Ollig aufforderte, auch die Geisteskräfte zu bilden, mit Freude und Eifer die Arbeit zu verrichten, damit ein jeder Förderer des Volkswohles werde. Dann wurde die Nationalhymne gesungen.

Abschließend ist zu lesen: „Es zeigt sich überall, dass die Jungen mit Freude werfen, laufen, springen, sich tummeln auf den Straßen, den Wiesen, den Turnplätzen, im Wald. Da mutet es doch eigen an, wenn sich urplötzlich folgendes zeigt: Ein Junge hat durch Werfen und Springen schon 30 Punkte erzielt. Er weiß, noch zehn Punkte, und ich habe auch einen Preis errungen. Er weiß, ich laufe 100 Meter sicher in 17 Sekunden, vielleicht auch in 16 Sekunden. Das sind mindestens 10 oder sogar 15 Punkte. Aber was tut der Junge? Er läuft nicht, denn er fürchtet die Strafe seitens des Vaters, der ihm verboten hat, einen Sieg zu erringen. Beim Bruder ist der Wille zum Sieg, die Freude am Können, am Vollbringen stärker als die Furcht vor des Vaters Strafe. Wenn der gute Mann etwas gegen Schule und Lehrer hätte, solle er dies nicht durch seine Jungen auskosten lassen. Wer will der Jugend die Freude verwehren, die erstens nichts kostet und zweitens für Leib und Seele wertvoll ist?“

Bundesjugendspiele in neuem Gewand

Seit 1951 fanden jedes Jahr Bundesjugendspiele statt. Für viele Kinder ein schönes Erlebnis – für viele aber auch nicht. Ständiger Vergleich mit den Mitschülern, der Frust, wenn es nicht für eine Ehren- oder Siegerurkunde gereicht hat und das gefühlt ewige Warten zwischen den Disziplinen: So haben viele die Bundesjugendspiele in Erinnerung. Jetzt wollen die einmal jährlich stattfindenden Spiele ihr verstaubtes Gewand ablegen und sich (zumindest teilweise) neu erfinden.

Bereits 2021 entschied die Kommission Sport der Kultusministerkonferenz, dass es den klassischen Wettkampf ab dem Schuljahr 2023/2024 nicht mehr geben soll. Das starre Regelwerk entfällt, Kinder haben mehr Versuche für die Disziplinen, Maßband und Stoppuhr spielen nur eine untergeordnete Rolle. Kritiker der Neuregelung fordern, am Format des Wettkampfes festzuhalten. Die pädagogische Perspektive der Leistung spiele eine Rolle im Sport und in der Persönlichkeitsentwicklung. Dazu gehöre auch die Fähigkeit, sich in einem normierten Umfeld persönliche Ziele zu setzen und mit Enttäuschungen umzugehen.

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