Durststrecke für Einzelhandel
Poststraße in Bad Neuenahr: Überleben zwischen Baggern
Markus Zednik lässt sich viel einfallen, um mit seiner Modeboutique Dreams die Durststrecke mit der Baustelle vor der Tür zu überwinden.
Beate Au

Bad Neuenahr-Ahrweiler wird wieder bunt. Das ist der Trost in schwierigen Zeiten für Einzelhändler in der Fußgängerzone von Bad Neuenahr, die derzeit Baustelle ist. Wie überwinden sie die Durststrecke? Unsere Zeitung hat nachgefragt.

Harte Zeiten für den Einzelhandel

Harte Zeiten für den Einzelhandel in der Poststraße in Bad Neuenahr. Seit Januar sind nun auch die Instandsetzungsarbeiten des durch die Flut geschädigten Entwässerungsnetzes im oberen, an die Hauptstraße angrenzenden Teil der Fußgängerzone angelaufen. Das bedeutet: Baustellenlärm, Schotterpiste, Bagger und Gruben rund ums Ladenlokal. Wie geht die Geschäftswelt damit um? Unsere Zeitung hat nachgefragt.

Hugo Heinzen hat mit seiner Plattenkiste, dem kultigen Tonträger-Geschäft, schon viel überstanden. Erst Corona, dann die Flut, und jetzt verlangt der Wiederaufbau in der Poststraße ihm viel Gelassenheit ab. Auf Laufkundschaft kann er momentan nicht hoffen. Was ihm jetzt hilft: „Ich habe schon zu Corona-Zeiten das Online-Geschäft forciert, um Umsatzeinbußen zu kompensieren“, sagt er. Ansonsten versuche er, Kosten einzusparen, wo es möglich ist. Ihm und den anderen Händlern ist bewusst, dass eine Durststrecke vor ihnen liegt.

Zum verkaufsoffenen Wochenende sorgte diese Dekoration in der Poststraße für Aufmerksamkeit.
Wilhelmine Zednik
„Die Bauarbeiter verstehen unsere Probleme und wir deren Probleme.“
Hugo Heinzen aus der Plattenkiste

Jeden Morgen muss Heinzen schauen, wie er seine Postkartenständer und die Kisten mit den Schallplatten vor dem Laden so in Stellung bringt, dass sie nicht mit der Baustelle kollidieren. Und er überlegt, was er selbst tun kann, um die Zuwegung, zum Beispiel mit grünen Matten vor der Tür, zu verbessern. Die Kommunikation mit den Bauarbeitern sei dabei wichtig. „Sie funktioniert gut“, sagt er. „Sie verstehen unsere Probleme und wir deren Probleme“, macht er der ausführenden Firma Komplimente. Auch die Kunden seien sehr verständnisvoll, doch die Einbrüche im Umsatz seien deutlich zu spüren.

Lob gibt es für die neuen Aktivitäten der Werbegemeinschaft. Die Shopping-Genuss-Abende seien gut gelaufen. Allerdings kann er auch auf Kunden bauen, die gezielt Hugos Plattenkiste ansteuern, denn in seinem Geschäft hält er die wahrscheinlich größte Platten-Auswahl zwischen Koblenz und Köln parat. Die Vinylkultur sei in der öffentlichen Wahrnehmung angekommen, stellt er fest. Auch junge Menschen setzten wieder auf physische Tonträger.

Die bepflanzte Baggerschaufel war in der Poststraße bei "Frühlingsbunt" ein Hingucker.
Markus Zednik

Mit Ideen und Kreativität durch eine schwierige Zeit

Was Geschäftsleuten wie Hugo Heinzen in der derzeitigen Situation auch hilft: Die Vermieter kommen mit Mietminderung entgegen. Das ist auch von Markus Zednik zu hören, der in der Poststraße einer der ersten war, die nach der Flut bereits im Mai 2022 wiedereröffnet haben. „Am 1. Mai feiern wir das. Wir machen auf“, sagt er und hat sich dafür auch schon Aktionen einfallen lassen. Die Einladungen zu Kaffee und Kuchen haben er und seine Frau Wilhelmine mit Kaffeebohnen beklebt. Außerdem wolle man die neue Kollektion vorstellen. Zednik setzt der Tristesse vor der Ladentür Einfallsreichtum und Kreativität entgegen. Zum verkaufsoffenen Wochenende „Frühlingsbunt“ hatte er eine Baggerschaufel mit Blumen bepflanzt. Beim Shopping-Genuss-Abend gab es Lillet-Cocktails aus der Baggerschaufel.

Abschnittsweise arbeiten sich die Baustrupps bei der Kanalsanierung in der Poststraße vor.
Beate Au

Gleich nebenan, wo der Schmutz- und Regenwasserkanal in der Erde liegt, gähnt ein Loch von fünf Metern Tiefe. „Bis jetzt liegen die Bauarbeiten im Zeitplan“, hat Zednik erfahren. Immer wieder spricht er mit den Bauarbeitern, die sich, so registriert er es immer wieder, sehr bemühen und schnell mal Wege ebnen, wenn sie zum Beispiel eine Seniorin mit Rollator sichten. Die Fertigstellung der Fußgängerzone sei für September geplant. „Wir Einzelhändler würden uns freuen, wenn es bis Heiligabend so weit ist“, sagt Zednik auch mit Blick auf das Weihnachtsgeschäft, das beispielsweise auch für Filialisten wie Douglas wichtig ist.

Der Sommer wird kein Zuckerschlecken.“
Markus Zednik, Inhaber der Modeboutique Dreams in Bad Neuenahr

„Wir denken positiv“, so Zednik. Trotzdem weiß er, dass jetzt eine Phase des Durchhaltens beginnt mit Tagen, an denen sechs Stunden lang niemand in sein Geschäft kommt: „Der Sommer wird kein Zuckerschlecken.“ Er hat vorsorglich schon weniger Ware geordert. Er hätte sich gewünscht, dass die Geschäftsleute, die in der Poststraße mutig die Stellung halten, ebenso von einer Förderung profitieren könnten wie diejenigen, die nun leer stehende Ladenlokale füllen sollen. Im Rahmen dieses Projekts mietet die Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler verwaiste Ladenlokale zu 70 Prozent der ursprünglichen Kaltmiete an. Diese Flächen können dann zu deutlich vergünstigten Konditionen an Dritte weitervermietet werden. Die Differenz wird durch die Förderung des rheinland-pfälzischen Innenministeriums mitgetragen. Dass auch die Tapferen belohnt werden sollten, die zurück sind und in der Poststraße ausharren, sieht der Apotheker in der Poststraße, Oliver Liers, ebenso. Auch er spürt die Auswirkungen der Baustelle. Denn unter seinen Kunden seien viele, die sich wegen der Beschwerlichkeiten nicht mehr in die Fußgängerzone trauten. Er findet, dass es schneller vorangehen müsste, und er glaubt, dass nicht alle Kapazitäten ausgeschöpft seien.

Banner für die obere Poststraße wird vermisst

Zednik weiß zu berichten, dass viele Vermieter, vor allem in der unteren Poststraße, mit dem Renovieren und Vermieten aber erst einmal abwarten, bis die Großbaustelle durch ist, was nach Verzögerungen offiziell im Mai der Fall sein soll. „Die Bauarbeiter reden jetzt von Juni“, so Zednik. Nach der Flut ein Frühstarter ins Geschäftsleben, setzt er auf seine Stammkunden. Dankbar ist er für Veranstaltungen wie Genuss-Shopping-Abende, die in Bad Neuenahr allerdings ein bisschen darunter leiden, dass einige Filialisten nicht mitmachen, auch weil sie kein Personal dafür abstellen können. Was er als Unterstützung durch die Stadt in der oberen Poststraße vermisst, sind Banner, die auf das bereits vorhandene Angebot plakativ hinweisen. Die in diesen Tagen schwer sauber zu haltende Türmatte in den Regenbogenfarben und dem Titel „Bad Neuenahr-Ahrweiler wird wieder bunt“, reicht ihm nicht.

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