Kommunalpolitiker wehrt sich
Polizei hilft auch im Kreis Ahrweiler bei Hass im Netz
Der Sinziger Stadtrat Ralf Urban (Bündns 90/Die Grünen) hat vor drei Jahren nach einem Shitstorm in den sozialen Medien wegen Hasskriminalität Anzeige bei der Polizei in Remagen erstattet.
Maja Wagener

Hasskommentare im Netz können jeden treffen, der sich in den sozialen Medien bewegt äußert. Das hat auch Ralf Urban aus Sinzig erfahren. Der Grünen-Stadtrat hat damals Anzeige erstattet. Das ist nur eine Form der Unterstützung, die die Polizei gibt.

Immer mehr Kommunalpolitiker werden in den sozialen Medien angegriffen, beleidigt und erhalten zum Teil sogar Morddrohungen – wie zum Beispiel Stadtrat Ralf Urban (Bündnis 90/Die Grünen) aus Sinzig. Im polizeilichen Kontext werde diese Thematik als sogenannte Hasskriminalität bezeichnet, erklärt die Pressesprecherin des Landeskriminalamts (LKA) in Mainz auf unsere Nachfrage dazu. Für Betroffene gibt es inzwischen viele Anlaufstellen.

Die Fälle von Hasskriminalität seien 2023 deutlich gestiegen, hatte der rheinland-pfälzische Innenminister Michael Ebling kürzlich im Zusammenhang mit der Kriminalstatistik erklärt. Sie verdoppelte sich auf ein Allzeithoch von 854 Taten. Unter Hasskriminalität verstehe man politisch motivierte Straftaten, wenn Umstände der Tat und/oder die Einstellung des Täters Anhaltspunkte dafür gäben, dass der Täter Vorurteile hat und deshalb die Taten begeht, konkretisiert das LKA. Die Vorurteile können mit der Nationalität, der ethnischen Zugehörigkeit, der Hautfarbe, Religionszugehörigkeit oder Weltanschauung, mit dem sozialen Status, einer physischen und/oder psychischen Behinderung oder Beeinträchtigung, dem Geschlecht oder der geschlechtlichen Identität, der sexuellen Orientierung oder mit dem äußeren Erscheinungsbild zu tun haben.

„Die strafrechtliche Relevanz hängt stets von einer Prüfung im konkreten Einzelfall ab.“
Sprecherin des Landeskriminalamts in Mainz zu Hasskommentaren im Internet

Straftaten der Hasskriminalität könnten sich unmittelbar gegen eine Person oder Personengruppe, eine Institution oder ein Objekt richten, das der Täter mit seinen Vorurteilen verbindet, erklärt die LKA-Pressesprecherin weiter. „Der Hasskriminalität werden auch sogenannte Hasspostings zugeordnet. Die strafrechtliche Relevanz hängt stets von einer Prüfung im konkreten Einzelfall ab“, weiß sie. Grundsätzlich könne in diesem Kontext auch eine Anstiftung durch sogenannte Influencer in Betracht kommen. Eine pauschale Aussage zur Strafbarkeit sei in solchen Fällen nicht möglich.

Die Betroffenen werden nicht allein gelassen: Die Polizei Rheinland-Pfalz habe dazu diverse Initiativen angestoßen, so die Sprecherin in Mainz. Das LKA habe 2019 eine Telefonhotline für Amts- und Mandatsträger auf Landes- und kommunaler Ebene eingerichtet, wo Betroffene Drohungen und sonstige strafrechtlich relevante Sachverhalte mit Bezügen zu dem ausgeübten Amt mitteilen und gegebenenfalls erforderliche weitere Maßnahmen erörtern können, heißt es in der Antwort der Behörde.

Weiterhin gebe es die Broschüre „ Sicherheit von Amts- und Mandatsträgern “. Die Ansprechstelle zum Schutz kommunaler Amts- und Mandatsträgerinnen und -träger, auch „starke Stelle“ genannt, sei 2024 ins Leben gerufen worden, um kommunalpolitisch Engagierte bei Anfeindungen und Bedrohungen zu unterstützen. „Sie bietet Betroffenen eine niederschwellige, vertrauliche und auf Wunsch anonyme Anlaufstelle, bei der sie individuelle Beratung erhalten können“, so die Sprecherin des LKA.

ContraHass rlp “ sei eine Initiative der Polizei Rheinland-Pfalz mit dem Ziel, Hass und Hetze im Internet entgegenzutreten. Sie soll die Öffentlichkeit mit Aufklärungskampagnen sensibilisieren, stelle Meldewege bereit und unterstütze Opfer. Daneben werde mit der Initiative die Vernetzung zwischen Polizei, Justiz und zivilgesellschaftlichen Akteuren gefördert und damit ein koordiniertes Vorgehen gegen Hasskriminalität, weiß die Polizeisprecherin.

Das Programm Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes (ProPK) wiederum zeige, wie Nutzer rechtssicher Screenshots erstellen können, um Hass und Hetze oder andere Straftaten im Internet zu dokumentieren. Dies erleichtere deren strafrechtliche Verfolgung. „Auf der Website von ProPK finden sich umfassende Informationen zu verschiedenen Straftaten, einschließlich Cybercrime und Hasskriminalität, sowie Hinweise zum Opferschutz“, stellt die Sprecherin fest.

Initiativen bieten Information, Beratung und Unterstützung

Respect! im Netz ist eine Meldestelle gegen Hass und Hetze im Internet, eine Maßnahme der Jugendstiftung Baden-Württemberg, die mit der Bayerischen Staatsregierung kooperiere. Gemeldete Inhalte, die nach Einschätzung der Meldestelle strafrechtlich relevant seien, würden angezeigt, damit die zuständige Polizeidienststelle und die zuständige Staatsanwaltschaft die Strafbarkeit prüfen könnten, erklärt die LKA-Sprecherin.

Das Team – Fachkräfte mit interdisziplinärem Hintergrund – berät und unterstützt Betroffene von Hetze im Netz und verweist an andere Beratungsstellen und Unterstützungsangebote. Das Projekt wird gefördert durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ und aus Mitteln des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales.

Auch die Initiative Zivile Helden setzt sich für Zivilcourage im digitalen Raum und gegen Hass im Netz ein. Mit interaktiven Videos, Informationen und praktischen Tipps ermutigt sie Menschen, aktiv gegen sogenannte Hate-Speech, also Hassrede, einzutreten. Ein zentrales Element ist ein interaktives Video, das verschiedene Perspektiven aufzeigt und Handlungsmöglichkeiten vermittelt. Zudem stellt die Plattform Beratungsstellen vor, die Unterstützung bei digitaler Gewalt anbieten.

In Rheinland-Pfalz gebe es in jedem Polizeipräsidium eine Polizeiliche Opferberatung, so die Sprecherin weiter. Die Rat- und Hilfesuchenden finden ihre Ansprechpersonen in der für sie zuständigen Polizeidienststelle am Wohnort. „Diese beraten auf Grundlage ihres Studiums professionell und qualitativ auf hohem Niveau“, so die Pressesprecherin. Die Ansprechpartner unterlägen keinem Strafverfolgungszwang und führten erste Stabilisierungs- und Entlastungsgespräche. „Ziel der kurzfristigen psychosozialen Beratung soll es sein, das Opfer so weit zu stabilisieren, dass es im Bedarfsfall zum Aufsuchen anderer Beratungs- und Unterstützungsstellen in der Lage ist“, so die Sprecherin.

Um Urban ist es ruhig geworden

Ralf Urban hat damals, als der Shitstorm in den sozialen Medien massiv wurde, Anzeige bei der Polizei in Remagen erstattet. „Das geht heute online“, weiß der Grünen-Politiker. Die Polizei habe die Anzeige an die Staatsanwaltschaft Koblenz weitergeleitet. Dort habe sich ein Staatsanwalt der Sache angenommen. Inzwischen sei es ruhig geworden – vermutlich, weil er und seine Anwälte juristisch so erfolgreich gewesen seien, sagt Urban.

Gesetzesänderungen zum weiteren Schutz

Jüngst habe es diverse Änderungen des Strafrechts gegeben, berichtet die Sprecherin des Landeskriminalamts in Mainz. So sei Paragraf 188 des Strafgesetzbuches (StGB), Üble Nachrede und Verleumdung gegen Personen des politischen Lebens, um den Passus erweitert worden, dass der Schutz sich auf alle Personen des politischen Lebens richte, nicht nur solche in besonders herausgehobenen öffentlichen Ämtern, stellt die Sprecherin fest. Auch Paragraf 241 StGB, Bedrohung, wurde konkretisiert und verschärft. Seit 2020 ist es ausdrücklich strafbar, jemandem die Begehung eines Verbrechens gegen eine dritte Person, zum Beispiel Familienangehörige eines Politikers, anzudrohen. Bei der Strafzumessung soll laut Paragraf 46 StGB, Strafzumessung, besonders berücksichtigt werden, wenn eine Tat aus menschenverachtenden oder demokratiefeindlichen Motiven begangen wurde. Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz verpflichtet die Plattformbetreiber schließlich, strafbare Inhalte schnell zu löschen und zu melden. mwa

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