Arbeitgeber vs. Belegschaft
Poli-Tape Remagen: Arbeitnehmer fordern Tariflohn
Im Einsatz für mehr Lohngerechtigkeit: die Belegschaft des Remagener Unternehmens Poli-Tape. Die Arbeitnehmer fordern eine Bezahlung nach Tariflohn. Der Arbeitgeber lehnt dies bislang ab.
Claudia Voß

Sie halten ihrem Arbeitgeber seit Jahren die Treue. Ihre einzige Forderung ist eine gerechte Bezahlung. Doch der Arbeitgeber lehnt dies ab. Zeit für die Arbeitnehmer der Poli-Tape Remagen, sich gegen diese Ungerechtigkeit zu wehren.

Die Stimmung ist aufgeheizt, der Lärm der Ratschen ohrenbetäubend. Bekleidet mit weiß-roten Trikots und ausgestattet mit großen Fahnen, stehen sie da: die Mitarbeiter des Remagener Folienherstellers Poli-Tape. Das Unternehmen, welches 1993 als Start-up von Walter Möhren gegründet wurde, ist mittlerweile ein Global Player in Sachen Foliendrucktechnik, Flockdruck und Glitterfolien und liefert seine Waren, die vielfach auf T-Shirts und Textilien zu finden sind, um die ganze Welt. Doch ganz so rosig ist es um die Situation des Unternehmens derzeit nicht bestellt. Vielmehr könnte dem Unternehmen ein Arbeitskampf drohen.

„Wir wollen Tariflohn!“
Forderung der Poli-Tape-Belegschaft in Remagen

Formiert als Chor skandieren die Arbeitnehmer, die sich in ihrer Mittagspause vor dem Verwaltungsgebäude versammelt haben, ihr Anliegen. „Wir wollen Tariflohn!“, rufen sie laut und blicken dabei immer wieder in Richtung der Etage, in der die Geschäftsführung residiert. Doch ihre Rufe bleiben unbeantwortet, hinter den Fenstern regt sich nichts. Für die Mitarbeiter ist diese Reglosigkeit in der Chefetage kein Grund zu resignieren. Vielmehr sind sie stolz auf sich, denn sie haben an diesem Donnerstag im Mai etwas erreicht, was sie lange Zeit für unmöglich gehalten hätten. Sie haben sich für ihre Rechte als Arbeitnehmer gemeinsam starkgemacht. Der erste Schritt zu einer Einführung von Tariflohn ist getan, sind sie überzeugt.

Betriebsratsgründung lange Zeit bei Poli-Tape verhindert

„Wir wollen mit dieser Forderung nach Tariflohn nicht auf Konfrontationskurs zum Arbeitgeber gehen“, stellt Veli Köksal von der IG BCE Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IGBCE), klar. Dass sich viele Arbeitnehmer der Poli-Tape-Belegschaft jedoch für ihre Arbeitnehmerrechte einsetzen, macht den Gewerkschaftssekretär stolz. „Viele der Mitarbeiter sind in der Gewerkschaft und seit einem Jahr gibt es bei Poli-Tape endlich einen Betriebsrat“, sagt er und fügt hinzu, dies sei ein großer Schritt für viele gewesen. Denn gerade die Bildung einer Arbeitnehmervertretung sei in dem Unternehmen lange Zeit nicht gern gesehen gewesen.

„Vor Jahren gab es den ersten Versuch, einen Betriebsrat zu gründen. Aber das wurde damals vom Firmeninhaber verhindert. Unter anderem wurden Ängste im Unternehmen vor Folgen geschürt“, weiß der Gewerkschaftssekretär. Als im vergangenen Jahr das einstige Familienunternehmen, dessen Gründer im Jahr 2016 verstorben ist, durch die italienische Fedrigoni-Gruppe im Wege einer Mehrheitsbeteiligung übernommen wurde, schöpften die Arbeitnehmer neuen Mut – ein Betriebsrat entstand.

„Viele Arbeitnehmer halten dem Unternehmen seit über zehn Jahren die Treue. Aber es ist ihre Arbeit, die die Firma reich macht. Natürlich ist dies dem Arbeitgeber zu gönnen, aber das darf nicht zulasten der Arbeitnehmer passieren.“
Veli Köksal, Gewerkschaftssekretär der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie, zur Forderung der Poli-Tape-Arbeitnehmer nach Einführung eines Tarifvertrages

Neun Mitglieder hat das Gremium, welches sich seitdem für die Belange der Poli-Tape-Arbeitnehmer einsetzt. Zusätzlich ist mittlerweile rund die Hälfte der rund 200-Mann-starken Belegschaft in der IGBCE gewerkschaftlich organisiert. Für den Arbeitgeber blieb dieses Engagement nicht folgenlos. Schnell wurden Forderungen nach Einführung eines Tarifvertrages im Wege einer Tarifbindung im Unternehmen laut. „Das Unternehmen zahlt lediglich Mindestlohn. Viele Arbeitnehmer halten Poli-Tape seit über zehn Jahren die Treue“, erklärt Köksal und erinnert: „Aber es ist die Arbeit der Mitarbeiter, die die Firma reich macht. Natürlich ist dies dem Arbeitgeber zu gönnen, aber das darf nicht zulasten der Arbeitnehmer passieren. Gerade in Zeiten gestiegener Inflation und damit gestiegener Lebenshaltungskosten nicht.“

Unterstützt die Belegschaft der Poli-Tape bei ihren Forderungen nach mehr Lohngerechtigkeit: Veli Köksal, Gewerkschaftssekretär der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie.
Claudia Voß

„Wir sind als IGBCE sozialpartnerschaftlich eingestellt, wir sind nicht diejenigen, die sofort zum Streik aufrufen. Die Forderung nach Einführung von Tariflohn ist von den Mitarbeitern selbst gekommen, nicht wie man annehmen könnte, von externen Institutionen. Unsere Aufgabe als IGBCE ist es daher, die Arbeitnehmer bei der Durchsetzung ihrer Forderungen zu unterstützen“, stellt er zudem klar.

Bei ihrem Arbeitgeber sind die Mitarbeiter mit ihrer Forderung nach Tariflohn bislang nicht auf Zustimmung gestoßen. „Vor ein paar Tagen hat der Arbeitgeber alle Mitarbeiter zu einem Townhall-Meeting eingeladen und mit fadenscheinigen Argumenten die Einführung eines Tarifvertrages abgelehnt. Statt Tariflohn bot er 4,5 Prozent mehr Gehalt“, weiß Köksal.

Arbeitgeber lehnt Tarifvertrag ab und bietet 4,5 Prozent mehr Lohn

Im Gegenzug traf die Geschäftsführung der Poli-Tape bei den Mitarbeitern mit diesem Angebot zur Lohnerhöhung ebenfalls nicht auf Zustimmung. Statt einer marginalen Lohnerhöhung fordern sie angemessene Löhne und Schichtzulagen.

Inzwischen habe viele der auf dem Firmengelände Versammelten wieder begonnen, ihren Forderungen nach Tariflohn mit infernalischem Ratschengeheul und dem Einsatz von Trillerpfeifen Nachdruck zu verleihen. „Was Sie hier gerade erleben, ist nur eine Geschmacksprobe von der Macht, die wir als Belegschaft haben“, erklärt Köksal ernst und im Namen der Arbeitnehmer. Während er dies sagt, blickt er entschieden in Richtung der Poli-Tape-Chefetage. „Es ist unsere Arbeit, die dafür sorgt, dass sie Gewinne machen. Und es sind die Arbeitnehmer, die auch dafür sorgen können, dass ein Arbeitgeber keine Gewinne mehr macht. Denn ein Arbeitgeber wird sich selbst nicht an die Maschinen setzen.“

Viele der Mitarbeiter, die sich für die Einführung eines Tarifvertrages im Unternehmen starkmachen, halten selbigem seit vielen Jahren die Treue. Statt Einführung von Tariflohn hat ihnen der Arbeitgeber eine Lohnsteigerung von 4,5 Prozent angeboten.
Claudia Voß

Als Drohung wollen Veli Köksal und die Arbeitnehmer der Poli-Tape ihre Forderung allerdings nicht verstanden wissen. „Es ist vielmehr eine Aufforderung, die Tarifverhandlungen zu beginnen. Wir strecken dem Arbeitgeber die Hand aus und hoffen auf eine gute Zusammenarbeit“, sagen sie übereinstimmend. „Wir haben 30 Jahre lang alles gegeben für Poli-Tape. Bitte, bitte, kommt uns nun auch einmal entgegen. Wir mögen unsere Arbeit bei Poli-Tape. Aber nicht zu jedem Preis. Auch wir haben es verdient, fair bezahlt zu werden“, mahnen sie.

Natürlich macht die gestiegene Inflation auch dem Unternehmen zu schaffen. Aber auch wir haben unsere Rechnungen zu zahlen. Von daher stehen wir als Betriebsrat geschlossen hinter den Forderungen der Belegschaft nach Einführung eines Tarifvertrages.“Jin Abdo, Mitglied des Poli-Tape-Betriebsrates

Ähnlich sieht es auch Jin Abdo, Mitglied des Poli-Tape-Betriebsrats. „Viele meiner Kollegen sind seit dem ersten Tag im Unternehmen. Von daher kann ich ihre Forderung nach einem angemessenen Lohn nur unterstützen“, sagt sie und fügt hinzu: „ Natürlich macht die gestiegene Inflation auch dem Unternehmen zu schaffen. Die Umsätze sind nicht mehr so hoch wie noch vor zehn Jahren, aber auch vor den privaten Haushalten macht die Inflation ja nicht halt. Auch wir haben unsere Rechnungen zu zahlen. Von daher stehen wir als Betriebsrat geschlossen hinter den Forderungen der Belegschaft nach Einführung eines Tarifvertrages und ich hoffe, dass entsprechende Verhandlungen bald mit der Geschäftsführung aufgenommen werden.“

Kommen keine Tarifverhandlungen zustande, könnten Arbeitskampfmaßnahmen drohen

Doch was ist, wenn sich der Arbeitgeber nicht auf geforderte Tarifverhandlungen einlässt? Auf diese Frage hat Gewerkschaftssekretär Veli Köksal eine klare Antwort: „Dann werden weitere Maßnahmen folgen müssen. Diese politische Mittagspause heute ist nur ein Vorgeschmack auf das, was folgen kann – sozusagen ein Ausblick auf die erste Stufe einer Eskalationsspirale.“

Ob sich die Geschäftsführung von Poli-Tape auf die Forderung nach Aufnahme von Tarifverhandlungen und Einführung eines Tarifvertrages einlassen wird, bleibt abzuwarten. Wie unsere Zeitung am Donnerstag auf Nachfrage erfuhr, waren die Mitglieder der Geschäftsführung zum Zeitpunkt der mittäglichen Arbeitnehmerzusammenkunft nicht im Haus.

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