Erinnerungen
Pius-Jugend in Bad Neuenahr-Ahrweiler bleibt legendär
Der blassrosa gefärbte Vorhang des ehemaligen Tanzsaals ist kurz vor dem Abriss im Frühjahr des vergangenen Jahres noch zu sehen. "Auch wenn die Sonne, die all die Jahrzehnte durch die Giebelfenster schien, den Vorhang nach und nach zu einem zarten Rosa verblassen ließ, werden unsere Erinnerungen an unsere vielen Pius-Discos, zu denen Hunderte Jugendliche strömten, niemals verblassen", so Gabrieal Contoli.
Gabriela Contoli

Die Pius-Jugend war in den 1980er-Jahren eine Gemeinschaft, wie es sie heute kaum noch gibt. Ihre Discos waren legendär. Gabriela Contoli erinnert sich anlässlich der Profanierung der St.-Pius-Kirche an eine unvergessliche Dekade.

Nach mehr als sechs Jahrzehnten wird die St.-Pius-Kirche profaniert. Am Samstag, 5. April, wird Weihbischof Robert Brahm hier den letzten Gottesdienst feiern. Mit dieser Feier endet ein prägender Abschnitt für viele Menschen, die mit der Kirche verbunden waren. Die Kirche war über Jahrzehnte hinweg nicht nur ein Ort des Gebets, sondern auch ein Zentrum des Gemeindelebens und der Begegnung. Vor allem für die Pius-Jugend, für die dieser Ort immer heilig bleiben wird. Gabriela Contoli erinnert an die Zeit Ende der 1970er-Jahre, als sich aus einer Gruppe damaliger Messdiener in einer Tanzstundengruppe die Idee formierte, innerhalb des Pius-Areals einen Treffpunkt für die Jugend zu schaffen.

Mehr als ein bloßes Gebäude aus Stein

„Es gibt Orte, die mehr sind als bloße Gebäude aus Stein – sie sind Erinnerungen, Heimat, ein Stück Identität. Die Piuskirche mag entweiht sein, das Pfarrheim längst abgerissen, doch für uns, die Jugendlichen der 80er, die inzwischen in oder kurz vor der Rente sind, bleibt diese Stätte ein Ort der tiefen Dankbarkeit. Dankbar dafür, dass wir hier eine Jugend erleben durften, wie es sie so nie wieder geben wird – mit Erinnerungen, die keine Abrissbirne der Welt zerstören kann“, erinnert sich Contoli an die goldene Zeit der Pius-Jugend, die damals die Räumlichkeiten rechts neben der Kirche bezog und ihnen frischen Wind einhauchte. „Wir waren eine eingeschworene Gemeinschaft – eine wilde, kreative und engagierte Truppe heranwachsender Jugendlicher und junger Erwachsener. Besonders privilegiert und beliebt waren jene, die bereits einen Führerschein besaßen“, so Contoli. „Ohne Handys und soziale Medien funktionierte alles wie von selbst. Ein offizielles Jugendgremium entstand, mit Regelwerk, festen Aufgaben, Sitzungen und Protokollen – mühsam getippt auf klapprigen Schreibmaschinen. Wir organisierten eigenständig Silvesterpartys, Auto-Rallyes und die legendären TOT-Abende (Teil-offene-Tür), an denen wir Musik hörten, die neuesten Tanzschritte ausprobierten, abhingen, lachten und uns beim Tischkicker mit Kippe im Mundwinkel duellierten. Wir waren keine gewöhnliche Jugendgruppe – wir waren eine Familie.“

Die legendäre Pius-Disco

Weit über die Kreisstadt hinaus war sie bekannt: die Pius-Disco. Einmal im Monat, freitagabends, wurde das Pfarrheim zum angesagtesten Treffpunkt weit und breit. Contoli weiß noch, wie es war: „Nachmittags zappelten die Teenies mit Softdrinks in Micky-Maus-Pullis zu den neuesten Hits. Am Abend öffnete die Disco dann für die Älteren, wo Bier ausgeschenkt und geraucht werden durfte. Jungs mit Schnäuzern lehnten lässig in stonewashed Jeans und Cowboystiefeln an der Wand, während die Mädels mit Vokuhila-Dauerwellen in Vanilia-Hosen, Adidas-Boots und Netzshirts über den damals angesagten Fruit-of-the-Loom-T-Shirts die Tanzfläche eroberten. Der Geruch von Schweiß, Rauch und Kölsch-Cola lag in der Luft. Erste große Lieben entstanden und zerbrachen auf dem klebrigen grauen Linoleumboden oder – wer es diskreter mochte – hinter dem Gebäude auf der Treppe zum Souterrain. Der wahre Ritterschlag in der Pius-Disco-Karriere war jedoch das Erreichen des 18. Lebensjahres – der Schlüssel zur exklusiven Oldie-Disco. Hier gab es nicht nur Bier, sondern auch Whisky-Cola und Blauer Engel. Wer dort feiern durfte, war offiziell erwachsen.“

„Jeder, der Teil dieser Zeit war, trägt sie für immer in sich.“
Gabriela Contoli

Mit Perfektionsgeist entwickelte die Pius-Jugend ihre Disco stetig weiter: Selbstgebaute Musikanlagen und ein Deko-Team sorgten für unvergessliche Abende. Um die immer professioneller werdende Lightshow, die mit Lichtorgel, Lauflicht und selbstgeklebter Spiegelkugel begonnen hatte, so richtig in Szene zu setzen, sorgte ein rubinroter Samtvorhang für die Verdunkelung im Tanzsaal. „Natürlich ging es uns um weit mehr als nur Partys. Wir waren die Jugend der Pius-Gemeinde und packten mit an – beim Pfarrfest, beim Pfarrfamilienabend oder mit frischen Ideen bei der Pfarrgemeinderatssitzung“, erzählt Contoli von einer unvergesslichen Zeit und weiß: „Jeder, der Teil dieser Zeit war, trägt sie für immer in sich.“ red

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