Wer an einem Samstag im Monat durch Unkelbach fährt, dem fallen die zahlreichen leeren Getränkekisten auf, die entlang der Straßen vor den Häusern stehen. Diese werden regelmäßig von Paul Juchem, der seit 40 Jahren den kleinen, gut sortierten Edeka-Laden in Unkelbach betreibt, als Service-Leistung gegen neue ausgetauscht. Doch nicht nur damit wird es wohl in nicht allzu ferner Zukunft ein Ende haben. Denn Paul Juchem wird das Geschäft, das er mit viel Herzblut betrieben und immer wieder an neue Anforderungen angepasst hat, im Juni kommenden Jahres aufgeben.
Die Bevölkerung in Unkelbach ist entsetzt über die Schließung
Dann hat sein Auszubildender Jakob Amendt seine Lehrzeit als Einzelhandelskaufmann abgeschlossen. „Er hat im Alter von 15 Jahren seine Ausbildung bei mir begonnen und ist dann, wenn zum 30. Juni 2026 bei mir definitiv Schluss ist, volljährig“, so Juchem.
„Das ist insbesondere für die älteren Herrschaften im Dorf richtig schlimm.“
Unkelbachs Ortsvorsteher Egmond Eich über die Schließung des Edeka-Marktes
Das Dorf ist entsetzt, so eine wichtige Einrichtung zu verlieren. Immerhin bietet der Laden neben einem großen Repertoire von Lebensmitteln und Dingen des täglichen Gebrauchs auch täglich frische Brötchen aus der Ahrtal-Bäckerei Felber, jeden Freitag frischen Fisch, an den Wochenenden frischen Kuchen, viele regionale Produkte, etwa Erdbeeren aus Oedingen, Bioprodukte, ein großes Getränkesortiment und sowie eine Postagentur zu verlässlichen Öffnungszeiten.

„Das ist insbesondere für die älteren Herrschaften im Dorf richtig schlimm, was mir auch unlängst beim Seniorennachmittag widergespiegelt wurde. Paul ist eine echte Institution und quasi der Mittelpunkt des Dorfes, also eigentlich unersetzbar. Er fährt ja auch die Waren aus und bringt sie zu den Leuten, und das ab einem Lieferwert von 20 Euro kostenlos“, äußert sich Unkelbachs Ortsvorsteher Egmond Eich gegenüber der RZ.

Remagener Einzelhändlerin verdoppelt die Verkaufsfläche
Der Starkregen, der im August 2024 über Remagen niederging, hatte das Aus für das „Krippchen“ in Remagen bedeutet. Nun wagt Inhaberin Ruth Doemen einen Neuanfang in einem größeren Ladenlokal.
Für Juchems Kunden ist das kleine Geschäft nicht nur eine Einkaufsmöglichkeit, sondern auch ein Kommunikationsort. Vor allem die älteren Unkelbacher genießen es, dort ein Schwätzchen miteinander zu halten. „Ich wohne extra nicht hier im Ort, sondern in der Kreisstadt, ansonsten würden die Kunden auch klingeln kommen“, so Juchem lächelnd, dem es leidtut, zu schließen.
Neues Warenwirtschaftssystem stellt Juchem vor Probleme
Die Hintergründe: Paul Juchem müsste das neue Warenwirtschaftssystem der Edeka-Kette übernehmen, was ihn nach seiner Aussage teuer zu stehen kommt, ansonsten würde er nicht mehr beliefert. „Das System ist KI-gesteuert, die Kasse registriert die verkauften Artikel und bestellt automatisch nach. Ich möchte aber günstig einkaufen, wenn es bestimmte Aktionen gibt, und diese Rabatte an meine Kunden weitergeben“, erklärt Juchem einen der Gründe, warum er sich mit der Neuerung schwertut.

Doch es gibt noch weitere Schwierigkeiten. „Ich lege großen Wert auf regionale Produkte. Wenn ich etwa Erdbeeren aus Oedingen oder Kartoffeln aus Bad Bodendorf habe, brauche ich keine, die aus Hamburg kommen. Es ist aber nur schwer möglich, dies ins neue System einzupflegen“, so Juchem.
„Die einzelnen Bausteine des Systems, die ich nicht benötige, kann man zwar abschalten. Aber bezahlen muss ich die 20.000 Euro, die das kostet, ganz.“
Paul Juchem über die Sorgen, die ihm das neue System bereitet
Außerdem beinhaltet das Warenwirtschaftssystem weitere Bausteine, die der Kaufmann für seinen kleinen Laden einfach nicht braucht. „Ich habe mir das im Einkaufszentrum Wachtberg angesehen. Da bekommt der Kunde ein Tablet an den Einkaufswagen. Wenn er etwa Nutella braucht, gibt er das ein, hält seine Karte an den Scanner, und das Tablet führt ihn zum Nutella. Die Krux ist, Mitarbeiter werden wegrationalisiert, von zehn Kassen werden neun geschlossen. Das wird bei allen großen Discountern eingeführt. Wenn mich ein Kunde fragt, wo das Nutella steht, sage ich ihm, im Regal oben rechts oder gehe mit ihm dahin. Die einzelnen Bausteine des Systems, die ich nicht benötige, kann man zwar abschalten. Aber bezahlen muss ich die 20.000 Euro, die das kostet, ganz, ebenso wie die Folgekosten für Wartung und Unterhaltung, was im Monat rund 200 Euro ausmacht. Das ist, wie wenn ich neue Reifen brauche, aber dafür ein ganzes Auto kaufen muss und die Reifen dann abmontiere“, erklärt Juchem, der im Laufe der Jahre schon Tiefkühlprodukte in sein Programm aufgenommen und das elektronische Scansystem an der Kasse eingeführt hatte.

Nachfolge ist nicht in Sicht
Nach der Flutkatastrophe auf der Grafschaft im Sommer 2016 schossen die Wassermassen die abschüssige Schulstraße direkt in seinen Laden. Es hatte ihn viel Zeit und Nerven gekostet, dort wieder alles neu herzurichten. Was eine etwaige Nachfolge für sein Geschäft angeht, so sieht der Einzelhändler jedoch auch die Unkelbacher gefordert. „Wenn sie hier eine Umfrage im Ort durchführen würden, so würden 90 Prozent bestätigen, dass der Laden wichtig für sie ist. Es kommen aber nur 30 Prozent von ihnen einkaufen. Selbst wenn eine neue Lösung, etwa mit einem Tante-M-Laden ähnlich wie in Königsfeld oder Tante Enso in Wassenach, gefunden würde, müsste sich auch dafür erst mal ein Betreiber finden, der sich dann auf seine Kundschaft verlassen können muss. Da ist lokal ein Umdenken notwendig“, gibt Juchem zu bedenken. Auch Ortsvorsteher Egmond Eich bestätigt: „Wir sind dran, alles Mögliche zu versuchen, diesen wichtigen Baustein in unserer Infrastruktur zu erhalten.“