Die Kinder malen Bilder oder basteln was Schönes, der Mann bringt Blumen mit, und die Mama backt den Kuchen. So oder ähnlich sieht immer noch der klassische Muttertag aus. „Der wird nach wie vor noch häufig so traditionell gelebt. Oft sorgen die Mütter dann selbst bei den Vorbereitungen fürs Einkaufen, backen für die eigene Mutter oder Schwiegermutter noch einen Extra-Kuchen oder basteln mit den Kindern noch etwas Nettes für die Oma“, stellt Ines Cukjati fest. Die Referentin für Sport- und Vereinsentwicklung beim Sportbund Rheinland möchte deshalb mit ihrer Sinziger Freundin Sarah Kasper-Brötz erneut einen Gegenpol setzen.
Mütter allein, mit Freundinnen oder Kindern sind willkommen
Cukjati bietet mit ihrem erfolgreichen Format „Mamas Dance Club“ am Freitag, 9. Mai, vor dem Muttertag, im Sinziger Barbarossakeller eine Plattform für Mütter jeden Alters mit Freundinnen oder auch dem Nachwuchs, um mal so richtig abzutanzen und sich selbst feiern zu können. Eben ähnlich wie die Männer, wenn sie zum Vatertag mit Kumpels und dem Bollerwagen losziehen. „Wir haben die Party so platziert, dass die Frauen danach trotzdem noch den ganzen Kram, der am Muttertag noch dran hängt, erledigen können“, erklärt Sarah Kasper-Brötz.
„Es wird erwartet, allen gerecht zu werden.“
Ines Cukjati über die Rolle einer Mutter
Beide Frauen finden, dass die Frauen- und Mütterrolle immer noch darunter leidet, dass es eine Diskrepanz zwischen den politischen und gesellschaftlichen Verhältnissen gibt. „Es wird erwartet, allen gerecht zu werden. Natürlich sollen die Frauen arbeiten, aber hinter vorgehaltener Hand wird dann nicht nur von Männern, sondern auch von anderen Frauen gelästert, dass sie sich nicht genug um ihre Familie kümmern“, sagt Ines Cukjati.
Dabei würde ein ungeheurer Druck aufgebaut, was im Fachjargon „Mental Load“ genannt wird, wenn zig To-do-Listen durch den Kopf rattern. „Mental Load“ entsteht durch ständige Organisation, Planung und Verantwortungsübernahme für den Alltag, insbesondere im Familien- oder Partnerschaftsleben. Es geht um die unsichtbaren Aufgaben, die man im Kopf erledigt und die oft nicht als solche wahrgenommen werden, obwohl sie viel mentale Energie verbrauchen.
Ist die Mehrfachbelastung vorprogrammiert?
Erst kürzlich, als Ines Cukjati für die Ehrenamtsschulung der Kreisverwaltung Ahrweiler als Referentin für Sport und Vereinsentwicklung im Einsatz war, hat sie folgende Erfahrung gemacht: „Üblicherweise sind in den Vorständen der Vereine meistens alte weiße Männer. Frauen übernehmen in der Regel die typischen Aufgaben Kassiererin oder Schriftführerin und das Kuchenbacken für Veranstaltungen. Das wird aber nach und nach anders. Doch da war etwa eine Frau mit vier Söhnen unter acht Jahren stark in zwei Vereinen engagiert. Da ist eine Mehrfachbelastung vorprogrammiert.“ Sarah Kasper-Brötz ergänzt: „Und in den nächsten vier Jahren wird das Thema Pflege von Angehörigen so richtig Fahrt aufnehmen, was ebenfalls in der Regel an den Frauen hängen bleibt. Aber der Tag hat nur 24 Stunden.“
„ Alleinerziehende sind viel extremer auf Hilfe angewiesen und müssen auch erst häufig lernen, darum zu bitten.“
Das haben Sarah Kasper-Brötz und Ines Cukjati festgestellt.
Um mental gesund zu bleiben, sei es sehr wichtig für Mütter, dass sie gut vernetzt sind und sie sich Unterstützung suchen. So haben die Freundinnen in ihrem Umfeld gute Kontakte auch zu den Nachbarn aufgebaut. Ines Cukjati lebt mit ihrer Familie im Neubaugebiet Franken, wo der Austausch und die gegenseitige Hilfe, etwa bei der Kinderbetreuung, bestens funktionieren. Ebenso wie bei Sarah Kasper-Brötz: Wenn ihre Nachbarin Nachtdienst hatte und sich nachmittags etwas hinlegen möchte, kommt deren Sprössling gern zu ihr und spielt mit den eigenen Kindern. „Das ist eine Win-Win-Situation. So bekomme ich tatsächlich mehr im Haushalt erledigt, als wenn ich alleine bin, da sie sich miteinander beschäftigen“, sagt die 43-jährige zweifache Mutter.
Früher galten kleine Helferlein noch als unproblematisch
Was die Nachbarschaften im Ahrtal angeht, so hätten sich diese durch die Flutkatastrophe vom Juli 2021 oft sehr intensiviert. In der Corona-Pandemie hätten sich häufig Freundschaften verändert, seien weniger oder anders, manchmal aber auch intensiver geworden. „Es wird spannend sein, zu beobachten, wie sich die Gesellschaft in der nächsten Generation entwickelt. Wenn ich sehe, wie wir früher mit Freunden in Gruppen unterwegs waren und sich heute vieles in den sozialen Medien abspielt, wird sich da möglicherweise einiges ändern“, mutmaßt Ines Cukjati. Oft müsse dann vielleicht der Leidensdruck erst groß genug sein, um wirklich aus dem Haus zu gehen, wenn Chats nicht mehr helfen würden.

Abtanzen in Sinzig: Wenn Mütter unter sich feiern gehen
Sinzig. Einfach mal abtanzen in einem Club, wenn zu Hause noch kleine Kinder oder andere Verpflichtungen warten, das können sich viele Frauen nicht erlauben. Das ist schon allein mit den Uhrzeiten nicht vereinbar.
„Wir haben noch einen recht privilegierten Blick auf das Thema ,Mutter sein’. Alleinerziehende sind viel extremer auf Hilfe angewiesen und müssen auch erst häufig lernen, darum zu bitten“, betonen die beiden Freundinnen. Früher habe es das sogenannte Frauengold gegeben, ein Gebräu mit verschiedenen Kräutern und einem Mindestalkoholgehalt von 16,5 Prozent. Es sollte die Frau und Mutter stärken, damit sie die Belastungen des Alltags besser bewältigen können. Das ist mittlerweile verboten.
Zwar würden die meisten Mütter die Herausforderungen ohne Alkohol oder Drogen stemmen, Konsum sei jedoch auch ein Thema. „Da wird aber nicht viel drüber geredet, es wird Zeit, dass man offen darüber spricht“, findet Sarah Kasper-Brötz. Auch deshalb sei der Muttertag oder der Weltfrauentag von Bedeutung, damit diese wichtigen Themen dann auch medial mehr in den Fokus rücken.