Hendrech un Jösef: Originale der Kurstadt
Originale von Bad Neuenahr: Hendrech und Jösef reden noch immer über Bad Neuenahr
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Sie markieren so etwas wie Speakers’ Corner mitten in Bad Neuenahr: Hendrech un Jösef lassen sich den Mund nicht verbieten. Foto: Jochen Tarrach
Au Beate. Jochen Tarrach

Bad Neuenahr. Man traf sich, schwadronierte und erzählte süffisante Neuigkeiten aus dem Kurbad. Das war die Spezialität von Hendrech un Jösef, die zu Beginn des 19. Jahrhunderts offenen Auges durch Bad Neuenahr spazierten. Dennoch: Real gegeben hat es die beiden Erzähler nicht, obwohl es noch heute wie damals genügend Vorbilder für sie gibt. Aber wer sind eigentlich Hendrech un Jösef?

Auf dem Alten Markt in Bad Neuenahr stehen die beiden Neuenahrer Originale, in Basalt verewigt, direkt vor dem Eingang zum Kaufhaus Moses und werden sowohl von Kindern als auch von Erwachsenen staunend betrachtet. Die beiden lebensgroßen Figuren mit ihren Zylindern auf den Köpfen sind zwar lediglich in Stein gehauene Fantasiefiguren, doch sie verkörpern zeitlos die Geschichtenerzähler in Bad Neuenahr und sind lebendig.

Zahlreiche Vorbilder

Bad Neuenahr war schon immer nicht nur ein Heilbad, sondern hatte mit dem Kurpark, in den man sich zum Plausch begab, auch einen hohen Stellenwert als Informationsbörse. So ist es auch heute noch. Obwohl Hendrech un Jösef nicht real existierten, gab es für sie zahlreiche Vorbilder, die besonders den Literaten Philipp Bichler dazu inspirierten, ihnen ein schriftliches Denkmal zu setzen. Sichtbar geworden sind die beiden Neuenahrer Originale erst durch die Initiative der Bürgergesellschaft Wadenheim mit ihrem damaligen Vorsitzenden Horst Felten. Er hatte 1999 die Bildhauer Johannes Netz und und Gerd Hardy aus Brohl-Lützing beauftragt, die beiden urigen Geschichtenerzähler in Basalt zu schlagen und neu aufleben zu lassen.

Geschichten waren im Kurbad schon immer von besonderem Interesse, ja, gehörten wie der Kurschatten zum Kurerfolg dazu und sind noch heute unverzichtbar – vor allem in den Büttenreden zum Karneval. Alles war und ist von Interesse – und wenn es noch so nebensächlich ist. Und nun stehen Hendrech un Jösef auf dem Alten Markt direkt gegenüber und in Sichtweite des alten, historischen Rathauses von Bad Neuenahr im Zentrum der Stadt – dort, wo einst Bonn's Kronenhotel und der prächtige Kaiserhof standen.

Mit Fantasie hinhören

Die Kinder freuen sich, klettern oft auf ihnen herum. Und wer mit etwas Fantasie genau hinhört, hört sie auch erzählen: „Saach Hendrich, häss` de at jehüürt …?“ „Wat jitt et dann Neues em Dörp“, scheinen sie sich wie einst zuzurufen. Hendrech un Jösef beschäftigten sich ausschließlich mit den lokalen Problemen, den Sorgen und Nöten der kleinen Leute. Besonders im Visier hatten sie in ihren Geschichten die kommunalen Autoritäten und Mandatsträger „von de Stadt“. Und deshalb wurde ihnen so mancher Ausspruch in unzähligen Reden oder schriftlichen Stadtchroniken in den Mund gelegt. Sie mussten herhalten, wenn es etwas zu bemängeln gab. So stellten sie zum Beispiel bereits 1913 fest: „Mett ohse Wasseleidung stemb et noch nett“ oder erkannten: „Do hät des Stadt et ens widde jood jemeint, äwe nut halwe Kroom jemach.“

Genau so könnte auch heute noch auf den Sitzbänken rund um die beiden Figuren geschwätzt werden. Was hätten sie sich besonders jetzt alles zu erzählen, wo es nach der Flut noch immer nicht so recht vorwärtsgeht mit dem Wiederaufbau.

Wachen Sinnes den Alltag beobachten

Hendrech un Jösef verkörpern auf ihre Art die mündigen und mitverantwortlichen Bürger, die wachen Sinnes den Alltag beobachten und kommentieren, ohne dabei anklagend oder gar gemein zu sein. Sie haben damit eine Charaktereigenschaft, die man heute manchmal in Gesprächen vermisst.

„Ihre Verwurzelung in der Heimat, die Liebe zum Ort und ihren Mitmenschen, die unverwechselbare Sprache in der Form des Neuenahrer Platt sowie die kritische Haltung gegenüber den sogenannten Autoritäten sind das Charakteristische von Hendrech un Jösef“, urteilt Hubert Rieck aus Bad Neuenahr in seinem Beitrag „... halwe Kroom …“ im Heimatjahrbuch 2000. So passen sie noch genau in die heutige Zeit, denn es gibt noch immer viel zu beobachten und zu kommentieren – und es gibt auch viele Mitbürger, die in ihre Fußspuren getreten sind. Man muss einfach nur zuhören und hinschauen.

Von Jochen Tarrach

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