Der Vorstoß von Gesundheitsminister Jens Spahn, dass jeder, der nicht widerspricht, automatisch zum Spender wird, löst nicht nur bei ihm gemischte Gefühle aus.
Als Mediziner schlagen Subai, der zurzeit promoviert, zwei Herzen in seiner Brust. Denn auf der anderen Seite leiden und hoffen diejenigen, die dringend eine neue Leber oder Niere brauchen. Bundesweit warten mehr als 10.000 schwer kranke Menschen auf die Transplantation eines Organs, aber Spender fehlen. 2018 hat die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) den niedrigsten Stand von Organspenden seit 20 Jahren vermeldet. Einen Organspendeausweis haben die wenigsten Bürger.
„Während meiner Zeit am Marienhaus Klinikum gab es zwei Patienten, die für eine Organspende infrage gekommen wären. Sie hatten keinen Spenderausweis. In beiden Fällen haben sich die Angehörigen dagegen entschieden“, so Subai.
Der Oberarzt der Anästhesie, der vor zwei Jahren die Funktion eines Transplantationsbeauftragten übernommen hat und potenzielle Organspender und ihre Angehörigen betreut, erklärt, dass die Hürden für eine Organentnahme sehr hoch sind: „Selbst die Willenserklärung in Form eines Organspendeausweises würde nicht greifen, wenn die Angehörigen sagen: ,Wir möchten es nicht‘.“ Er ist froh, dass es mit der DSO einen Partner mit Mitarbeitern gibt, die mit den Angehörigen über dieses sensible Thema kompetent sprechen können. Mit großem Verständnis und Respekt vor der Entscheidung, wenn sich jemand aus persönlichen oder religiösen Gründen nicht mit der Vorstellung einer Organspende anfreunden kann, wie der Mediziner beobachtet hat. „Die DSO ist nicht der Geier, der Organe abgreifen will“, so Subai, der die Ängste und das Misstrauen kennt, das beim Thema Organspende mitschwingt. Er hat vor seiner Zeit in Bad Neuenahr auch schon große Offenheit erlebt. Da fragte die Mutter einer jungen Patientin: „Gibt es denn etwas, was bei dieser ganzen Sache noch Gutes herauskommen kann?“
Voraussetzung für eine Organentnahme ist in Deutschland neben der Zustimmung der Hirntod eines Menschen. Erst wenn dieser von zwei Ärzten, darunter ein Neurologe oder Neurochirurg, unabhängig voneinander festgestellt wurde, folgen weitere Untersuchungen, ob der Verstorbene als Spender überhaupt geeignet ist. Die Diagnose eines Hirntodes folgt einem dreistufigen Schema mit klinischen Verlaufsuntersuchungen nach vorgeschriebenen Wartezeiten. Alles wird genau protokolliert. „Minimale Restfunktionen schließen eine Organentnahme aus“, so Subai.
In der Therapie danach geht es dann ausschließlich um den Schutz der Organe, die gespendet werden sollen. „Es ist schon ein merkwürdiges Gefühl: Man schreibt einen Totenschein und bescheinigt den Hirntod, aber im Körper dieses Menschen schlägt das Herz weiter und der Blutkreislauf zirkuliert“, so Subai, der verstehen kann, dass das Thema aufwühlt. Insofern sei auch die von Jens Spahn angestrebte Widerspruchslösung ambivalent zu sehen. „Es gibt Menschen, die sehen es als Eingriff in ihre Selbstbestimmung, selbst aktiv werden zu müssen, um eine Organspende zu verhindern“, so Subai. Und auf der anderen Seite gebe es viele Bürger, die sich nicht die Mühe machen, einen Organspendeausweis zu organisieren, obwohl sie spenden würden. Als Mediziner fragt er sich allerdings: „Bin ich beim Widerspruchsmodell dazu verpflichtet, die Angehörigen darauf hinzuweisen, dass sie nun widersprechen müssen?“ So etwas sieht er kritisch. Es gibt für ihn allerdings keine Patentlösung. Er glaubt aber, dass mehr Aufklärung und Transparenz rund um die Organspende der richtige Weg zu mehr Spendern ist. Subai weiß aber auch: „Das Thema Tod ist nicht so sexy“.