Im Juni ist in der „grünen Hölle“ der Teufel los: Veranstaltungen wie Rock am Ring am kommenden Wochenende oder das legendäre 24-Stunden-Rennen rund um Fronleichnam locken Hunderttausende an den Nürburgring in der Verbandsgemeinde Adenau. Es gibt kaum jemanden in den Städten und Gemeinden rund um die weltberühmte Rennstrecke, der angesichts einer fünf- bis sechsstelligen Besucherzahl nichts von dem Spektakel mitbekommen wird. Doch was bringt der Nürburgring der Region eigentlich?
„Der Segen: Die Region lebt von diesem Wirtschaftsmotor Nummer eins!“
Adenaus VG-Bürgermeister Guido Nisius
Dichter Verkehr, Staus, Lärm, Abgase, Campen und Feiern in der Landschaft, Müll – all das bemerken Anwohner rund um den Ring immer wieder, wenn dort Großveranstaltungen anstehen. Regelmäßig kontrolliert die Polizei an Wochenenden ohnehin zur Unfallverhütung das Tempo, die Technik, die Fahrweise und die Fahrtüchtigkeit der Autofans, die zu Touristenfahrten an den Ring kommen und im eigenen Pkw für 30 Euro die Runde über die Nordschleife drehen wollen.

„Auch mit Blick auf die öffentliche Sicherheit und Ordnung sehe ich den Besucheransturm eher als einen Fluch.“
VG-Bürgermeister Guido Nisius vor einem Carfriday am Ring
Vom Fluch und vom Segen ist die Rede. „Rennsport ist nun mal kein leiser Sport. Auch mit Blick auf die öffentliche Sicherheit und Ordnung sehe ich den Besucheransturm eher als einen Fluch“, formulierte Verbandsbürgermeister Guido Nisius vor einem sogenannten Carfriday, dem Treffen der Poser- und Tuner-Szene an der Rennstrecke. Um nachzuschieben: „Der Segen: Die Region lebt von diesem Wirtschaftsmotor Nummer eins! Die berühmteste Rennstrecke der Welt ist der Hauptmagnet für die Gäste, die uns hier in der Hocheifel besuchen.“ Und die kommen nicht nur für Events wie etwa die 42.000 Motorradfahrer beim Saisonauftakt „Anlassen“, sondern auch für Permanent-Angebote wie Kino, Museum, Kartbahn, Shops und Gastronomie.

155 Millionen Euro an Gesamtumsatz im Jahr durch den Ring
Nisius verweist auf eine Untersuchung eines Tourismusinstituts aus dem Jahr 2018, wonach 155 Millionen Euro an Gesamtumsatz im Jahr durch den Ring kommen. Weitere Angaben aus dem Rathaus sind dünn, „da wir dem Datenschutz unterliegen, oder aber belastbare Angaben nicht vorhanden sind.“ Zahlen zu der vom Nürburgring gezahlten Gewerbesteuer sowie zu Einnahmen in der Verbandsgemeinde aus Mieten und Pachten „unterliegen dem Schutzbedürfnis des Nürburgrings auf Wahrung des Steuergeheimnisses“, so Nisius.

Wirtschaftskraft strahlt laut Betreibern auch in die Region
Die Nürburgring 1927 GmbH & Co. KG dagegen zeigt sich „auf der Grundlage empirisch erfasster Daten“ offen und selbstbewusst, ohne allerdings konkrete Zahlen aus der Geschäftsbilanz zu nennen. Als Sport- und Veranstaltungsstätte habe der Nürburgring „eine empirisch gesicherte, starke überregionale und regionale Anziehungskraft. Ungeachtet der Art der jeweiligen Veranstaltung findet der Großteil der getätigten Ausgaben der Besucher vor Ort und in der Region statt. Insbesondere im Gastgewerbe, Beherbergungsgewerbe und Kfz-Gewerbe zeigt sich ein signifikanter wirtschaftlicher Zusammenhang“, erläutert Alexander Gerhard, Sprecher der Nürburgring-Betreibergesellschaft.
„Aus Sicht der IHK überwiegt der wirtschaftliche Nutzen deutlich.“
Andrea Stenz, Regionalgeschäftsführerin der IHK zur Bedeutung des Nürburgrings für die Region
Nach seinen Angaben sehen 59 Prozent des regionalen Gastgewerbes einen direkten wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Rennstrecke. „15 Prozent schätzen ihre wirtschaftliche Abhängigkeit sogar auf bis zu 100 Prozent.“ 96 Prozent der Hotels, Ferienwohnungen, Restaurants und Gasthöfe hätten spezifische Angebote, die im Zusammenhang mit dem Nürburgring entstanden seien. Mehr als 50 Prozent des regionalen Kfz-Gewerbes sehen ebenso einen wirtschaftlichen Zusammenhang, wobei elf Prozent dieser Betriebe „vollständig abhängig vom Nürburgring“ seien. 85 Prozent der Firmen wiederum machten spezifische Angebote, die „durch die Nähe zur Strecke“ entstanden seien. „Diese Effekte konzentrieren sich stark auf den Landkreis Ahrweiler, sind jedoch auch in den Kreisen Euskirchen, Vulkaneifel, Mayen-Koblenz und Cochem-Zell nachweisbar“, berichtet Gerhard.

IHK sieht ebenfalls große Bedeutung des Nürburgrings
Laut Andrea Stenz, Regionalgeschäftsführerin der IHK in Bad Neuenahr-Ahrweiler, ist der Ring „für die Verbandsgemeinde Adenau und die gesamte Region sowohl wirtschaftlich als auch strukturell ein bedeutender Standortfaktor“. Wie Bürgermeister Nisius sieht sie „Chancen und auch Herausforderungen“. Aber: „Aus Sicht der IHK überwiegt der wirtschaftliche Nutzen deutlich.“

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Stenz bilanziert, dass jährlich rund zwei Millionen Menschen den Nürburgring besuchen – als Tagesgäste, Eventbesucher und Urlauber. Umsätze gebe es nicht nur am Nürburgring selbst, sondern vor allem für Hotellerie, Gastronomie, Einzelhandel und Dienstleister rundum. „Die IHK geht davon aus, dass allein die Übernachtungsgäste und Eventbesucher jährlich mehrere Millionen Euro in der Region umsetzen – konkret etwa 2400 Gästebetten werden rund um den Nürburgring wirtschaftlich genutzt. Das stärkt insbesondere die touristisch geprägten Mittelstandsunternehmen in und um Adenau.“

Der Nürburgring habe auch eine wichtige Funktion als Einkäufer. Er vergebe Aufträge an eine Vielzahl regionaler Anbieter – von Handwerksbetrieben über Sicherheitsdienste bis hin zu Cateringunternehmen. Starke Veranstaltungsjahre mit vielen Events seien wichtig für die kontinuierliche Nachfrage nach regionalen Dienstleistungen. „Dies stabilisiert die Auftragslage vieler Betriebe in der Region, auch abseits der Eventtermine.“

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Gewinn bleibt zum Teil in der Region
Das bestätigt Alexander Gerhard. „Der Nürburgring vergibt regelmäßig Aufträge an regionale Unternehmen – etwa in den Bereichen Bau, Technik, Logistik und Veranstaltungsdienstleistungen. Dadurch bleibt ein wesentlicher Teil der Wertschöpfung in der Region.“ Beispielhaft sei das Unternehmen SANI (Event-Dienstleister für die mobile Infrastruktur), das eine eigene Niederlassung am Nürburgring gegründet hat.

Verbandsbürgermeister Nisius weist abschließend auf Aufgaben hin, die der Ring der Kommune bringt. Es entstünden finanzielle Belastungen, die größtenteils jedoch kompensiert würden. Für die Entsorgung der Abwässer und des Oberflächenwassers zahle der Nürburgring wie jeder andere Gebührenzahler auch. Die Freiwilligen Feuerwehren müssten Brandsicherheitswachen leisten, die allerdings vergütet werden.
Die „gehobene technische Ausstattung“ der Stützpunktfeuerwehr in der Ortsgemeinde Nürburg erfolge gemäß Brandrisikoklasse 3 (normalerweise Klasse 1), was dem Nürburgring und den dort möglichen Einsatzszenarien „geschuldet ist“. Die Kosten für Ausstattung und Unterhaltung gingen zulasten der Verbandsgemeinde.

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Als weitere Aufgabe nennt Nisius „die Ausweitung der Überwachung des ruhenden Verkehrs durch die Verbandsgemeinde“. Auch dies sei hauptsächlich dem Nürburgring geschuldet. Der finanzielle Aufwand trägt sich offensichtlich über die Strafzettel: „Die daraus generierten Einnahmen decken die Personal- und Sachkosten ab.“