Pfarrer Michael Schankweiler stellt sein Buch "Juwel am Rhein" vor - Neuwied als Vorbild für Oberwinterer Gläubige?
Neues Buch aus Oberwinter: Wie 60 arme Familien eine Kirche errichteten
Die meisten kennen ihn bisher nur als Pfarrer, nun ist Michael Schankweiler auch unter die Romanautoren gegangen. Foto: Petra Ochs
sdsd

Oberwinter. Was haben Oberwinter und Neuwied gemeinsam? Sie liegen beide am Rhein, und beide haben (beziehungsweise hatten) eine barocke evangelische Kirche im holländisch-reformierten Stil. Gemeinsam haben sie aber auch Michael Schankweiler: Der langjährige Pfarrer von Oberwinter stammt aus Neuwied. Jetzt ist Schankweiler unter die Romanautoren gegangen: Mit seiner Erzählung „Das Juwel am Rhein“ setzt er der Geschichte der evangelischen Gemeinde von Oberwinter und dem barocken Kirchlein ein kleines Denkmal – jedoch nicht, ohne nicht auch das Vorbild der Neuwieder Schwestergemeinde in den Blick zu nehmen.

Das nahende Fest zum 300. Geburtstag der Kirche hat Michael Schankweiler zum Anlass genommen, etwas über die außergewöhnliche Entstehungsgeschichte des Bauwerks zu schreiben. Als Grundlage dienten ihm die in der Chronik der Kirchengemeinde beschriebenen Fakten und Geschehnisse. Mit Einfallsreichtum und Fantasie erweckte er sie zum Leben. Einige Figuren – wie der damalige Pfarrer Adam Wurm oder der „Protestanten hassende“ Vogt Bachofen aus Sinzig – hat es tatsächlich gegeben; andere entspringen gänzlich seiner Fantasie. So etwa François Barré, hugenottischer Flüchtling aus Lyon, der mit seiner Familie auf seinem Weg in die Kolonien in Nordamerika in Oberwinter strandet, nachdem seine Frau auf dem Floß von Straßburg in Richtung Rotterdam vom „Fieber“ befallen wird. Oder die Figur des weisen Juden Schlomo Levi, bei dem die Flüchtlingsfamilie Unterschlupf findet: Dieser idealisierte „Nathan der Weise aus Oberwinter“ entspringt gänzlich Schankweilers Fantasie. „Es hätte ihn aber geben können“, so der Pfarrer.

Geschickt verwebt Schankweiler in seiner Erzählung theologische, geschichtliche und heimatkundliche Aspekte. Noch bis in die 1950er-Jahre hinein war Oberwinter ein konfessionell geteiltes Dorf – ob beim Bäcker, in der Schule oder auf dem Friedhof. Zu der Zeit, als die „Reformierten“ sich anschicken, eine eigene Kirche zu bauen, haben sie im Oberwinterer Rat die Mehrheit.

Trotzdem sehen sie sich vielen Herausforderungen gegenüber: Fehlendes Geld, ausschweifende Bürokratie und eine katholische Obrigkeit, die dem Projekt immer wieder Steine in den Weg zu legen versucht. In seinem Buch lässt Michael Schankweiler auch den katholischen Pfarrer Franz Vogels, der die Protestanten als „Ketzer“ beschimpft, Intrigen spinnen. Er nämlich will eine katholische Schule etablieren, und zwar ausgerechnet im Rathaus von Oberwinter, in dem sich auch die reformierte Schule und im Obergeschoss das Bethaus der Protestanten befinden – ein Affront. Die Beschreibung des Bethauses unterm Dach macht klar, warum eine eigene Kirche nottut: Der Raum ist viel zu dunkel und zu klein, im Sommer unerträglich heiß, im Winter mächtig kalt.

Ein eigenes Kapitel widmet Schankweiler dem Besuch einer Oberwinterer Delegation in der damals noch jungen Residenzstadt Neuwied. Hier gab es seit 1662 ein verbrieftes Recht auf freie Religionsausübung. Der reformierte Glauben war Staatsreligion und die barocke Kirche am Markt – Vorläuferbau der heutigen Marktkirche – ein Objekt des Neids und der Bewunderung durch die Abgesandten aus Oberwinter. Dasselbe im kleinen Format – das wollen sie in ihrem kleinen Dorf am Rhein verwirklichen. Die Baugenehmigung gibt es aber erst im vierten Anlauf. Allerdings haben die Reformierten einige Kröten zu schlucken: Die Kirche darf nicht direkt an die Hauptstraße gebaut werden, sie darf keinen Turm und kein eigenes Geläut haben. „Da die katholische Regierung Jülichs selbstverständlich nur die päpstliche Kirche als alleinig seligmachend ansieht, soll erst gar nicht der Eindruck entstehen, die Reformierten in Oberwinter besäßen so etwas wie eine richtige Kirche“, legt Autor Michael Schankweiler dem preußischen Gesandten in den Mund, den Francçois Barré und der Sohn von Pfarrer Wurm zur Erlangung der Baugenehmigung in Düsseldorf aufsuchen. Erfolgreicher verläuft dagegen ihre „Kollektenreise“ nach Utrecht: Hier gewähren die protestantische Gemeinde und die Stadt stattliche 150 Gulden für den Kirchenbau in Oberwinter. Und die Unterstützung geht weiter: Noch heute hat jeder Theologiestudent aus Oberwinter Anrecht auf ein Stipendium an der Universität in Utrecht. Mit Genehmigung und gesicherter Finanzierung geht der Kirchenbau voran – um dann durch tragische Ereignisse ins Stocken zu geraten. Von der Grundsteinlegung im April 1721 bis zur feierlichen Kirchweihe am 14. Oktober 1723 vergehen so zweieinhalb Jahre. Auf das Bauwerk sind die Oberwinterer noch heute stolz – zu Recht, findet Schankweiler. „Es bleibt für immer bewundernswert, wie es 60 arme Familien zuwege brachten, trotz obrigkeitsstaatlicher Hemmnisse, aber mit Hilfe von außen, eine Kirche zu errichten und ihre kirchlichen Verhältnisse selbstständig auf eine gesunde Grundlage zu stellen“, sagt er.

Michael Schankweilers Buch „Juwel am Rhein“ ist zum Preis von 15 Euro in Hauffes Buchsalon in Remagen, im Café am Markt in Oberwinter und im evangelischen Gemeindebüro Oberwinter, Hauptstraße 82, erhältlich.

Von unserer Mitarbeiterin Petra Ochs

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