Markus Riegeler und Oliver Swiatek bilden neuen Dagernova-Vorstand und wollen Genossenschaft aus der Verlustzone holen
Neue Spitze für die Dagernova: Markus Riegeler und Oliver Swiatek wollen Genossenschaft aus Verlustzone holen
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Sie haben als Spitzenduo viel vor: Oliver Swiatek (links) und Markus Riegeler. Foto: Beate Au
DAVID WEIMANN. Beate Au

Die Folgen der Flut, die wegbrechenden Besucherzahlen im Ahrtal, eine insgesamt schwierige Situation auf dem Weinmarkt, der Klimawandel und nun auch noch im Herbst 2024 eine mengenmäßig geringe Ernte – die Herausforderungen sind groß für die Dagernova. Seit 1. August gibt es dort eine neue Doppelspitze. Sie will die Winzergenossenschaft fit machen für die Zukunft – und dabei auch mit alten Gewohnheiten brechen.

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„Wir wollen zeigen, wofür die Dagernova steht und was sie kann.“ Diese Ankündigung stammt aus dem Mund von Oliver Swiatek, neuer Vorstand für den Bereich Vertrieb und Marketing, der sich mit dem neuen Vorstandsvorsitzenden Markus Riegeler der Aufgabe stellt, die Winzergenossenschaft aus der Verlustzone zu holen, in die sie geraten ist, und gleichzeitig neue Kapitel aufzuschlagen. „Wir sind gekommen, um zu bleiben“, sagen sie und betonen, dass sie sich ihrer Verantwortung bewusst sind.

Dagernova soll digitaler, effektiver und kommunikativer werden

Die beiden, die im Rhein-Main-Gebiet beheimatet sind und Zweitwohnsitze im Ahrtal bezogen haben, sehen es als Vorteil, mit dem Blick „von außen“ auf die Situation schauen zu können. „Wir wollen und werden uns aus der Verlustsituation herausarbeiten und haben für die Genossenschaft erstmals eine Drei-Jahres-Planung erstellt.“ Im Geschäftsjahr 2022/23 lag der Umsatz bei 8,7 Millionen Euro. „Da gab es schon einen Verlust im operativen Geschäft“, so Riegeler. Der Abschluss für das Geschäftsjahr 2023/24, erwartet werden 9,1 Millionen Euro Umsatz, werde noch geprüft. Aber auch hier zeichne sich ein Verlust ab.

Markus Riegeler und Oliver Swiatek setzen auf Transparenz innerhalb des Genossenschaftsbetriebs, den sie digitaler, effektiver und kommunikativer aufstellen wollen. 1200 Hände, 600 Herzen (Winzerfamilien) und eine Leidenschaft – mit diesem Slogan war die Dagernova, die im vergangenen Jahr ihr 150-jähriges Bestehen gefeiert hat, traditionell unterwegs. Auf die Frage, ob dieser Leitspruch noch gilt, antwortet Swiatek, dass man sich heute überlegen müsse, „ob das die einzige Vision für die Zukunft sein sollte“.

Jüngere Generation im Blick

Es brauche auch eine Vision, mit der man die jüngere Generation abholen könne, sprich: „Wie kann ich dafür sorgen, dass diese Leidenschaft auf die jüngere Generation überspringt?“ Und dazu gehöre auch, nicht immer auf den eingefahrenen Gleisen unterwegs zu sein, sondern sich zu öffnen, innovativ zu sein. „Wir müssen uns anpassen an die Gegebenheiten. Was will der Kunde? Wie entwickelt sich der Markt?“, so Swiatek. Von den Rebsorten her sei die Dagernova gut aufgestellt.

Wir wollen zeigen, wofür die Dagernova steht und was sie kann.

Oliver Swiatek, neuer Vorstand der Dagernova

Die Frage sei aber auch: Ist das angesichts des Klimawandels in den nächsten 20 Jahren immer noch so? Spielt der Spätburgunder als Leitrebsorte an der Ahr dann immer noch eine so große Rolle? Wie sieht es aus mit pilzwiderstandsfähigen, sogenannten Piwi-Rebsorten, oder mit biologischem Anbau? „Wir sind in einer Findungsphase“, so Swiatek. Und dabei wolle man auch die Mitarbeiter mitnehmen. Sowohl er als auch Riegeler betonen, dass es keinen Personalabbau geben wird. 31 Mitarbeiter hat die Dagernova, vor zwei Jahren seien es noch mehr als 40 gewesen. Viele Stellen seien nicht wiederbesetzt worden. An einem Einstellungsstopp kommt aber auch der neue Vorstand wegen der Lage nicht vorbei.

Höheres Traubengeld wohl nicht drin

Eine Aufgabe wird es auch sein, die rund 300 produzierenden von knapp 600 Mitgliedern bei der Stange zu halten, denn ein höheres Traubengeld sei angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Lage perspektivisch nicht zu erwarten. Das könnte vor allem für die größeren Winzerbetriebe ein Grund zum Nachdenken werden.

Allerdings sei das Traubengeld mit 20.000 bis 30.000 Euro pro Hektar gegenüber dem üblichen Branchenwert von 10.000 schon hoch, was natürlich auch der Steillage geschuldet sei. „Das Storytelling rund um die mühsame Arbeit der Winzer muss einen höheren Stellenwert bekommen“, sagt Swiatek. „Wir müssen Geschichten erzählen und die Gesichter der Menschen, die den Wein produzieren, nach außen transportieren.“ Der Chef von Vertrieb und Marketing will den Radius für den Verkauf von Ahrwein deutlich erweitern – bis in Ballungsräume wie Berlin und Hamburg. Eine neue, dritte Vinothek ist im Bereich Köln-Bonn als erste Idee in der Vorkonzeption. Mehr Einzellage und Mission Steillage heißen die Zugpferde eines Qualitätsanspruchs, von dem auch der Winzer profitieren könne, indem er mehr für seine selektierten Trauben bekommt.

Alkoholfreie Weine sind ein Thema

Worauf die neue Doppelspitze mit ihrer Strategie auch reagieren will: Es wird weniger Alkohol getrunken. Diese Entwicklung hat Riegeler auch in der Bierbranche beobachtet. Mit einem Zusatzsortiment von deutlich alkoholreduzierten und alkoholfreien Weinen will sich die Dagernova in diesem Segment positionieren – mit Produkten, die nicht nach Traubensaft schmecken, sondern weinig.

Im Januar/Februar nächsten Jahres, so hofft man, kann am Ahrweg in Dernau die wiederaufgebaute Vinothek eröffnen. Die sanierte Eventhalle soll Mitte 2025 für Veranstaltungen zur Verfügung stehen. Auch das Bistro im Kaufhaus Moses in Bad Neuenahr habe sich bewährt, ebenso wie das Culinarium in Dernau, das um eine attraktive Außenterrasse ergänzt wird. In den Umbau, ausgestattet mit einem Aufzug, werden insgesamt knapp 4 Millionen Euro investiert.

Auch wenn man sich gezielter im Einzelhandel etablieren werde, bleibe der Verkauf im Ahrtal ein Kernmarkt. „Wir haben viel mehr Potenzial im Ahrtal mit seinen besonderen Winzern“, finden Riegeler und Swiatek. Sie spüren Aufbruchstimmung und freuen sich darauf, kreativ auf die Herausforderungen zu reagieren. Das gilt auch für die mengenmäßig bescheidene Ernte, deren gute Qualität es jetzt geschickt zu vermarkten gelte. „Wir sind, was Weine aus Premiumeinzellagen angeht, sehr günstig. Die Qualitäten reflektieren ein anderes Niveau.“

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