Denn: Drinnen bietet das „Ahrtalhaus“ selbst mit dem „Ruheland“ erstmals einen eigenen 120 Quadratmeter großen Wellnessbereich. Und draußen geht es nun übers geschundene Ahrtal hinaus: Die „Eifelhöhe“ als Wanderziel hat Aufnahme ins Konzept gefunden.
Das Haus Ruland mit Gästehaus, Brunnenhaus und Stammhaus samt Restaurant soll für die Gäste das Basislager sein. „Die Ahrwelt ist uns nicht genug. Wir lieben die Eifelhöhen. Es geht nach oben, seien Sie mit dabei“, schreibt Hotelchef Andreas Carnott durchaus doppeldeutig im neuen Hotelprospekt.
Zerstörung bot Chance zum Umbau
Carnott und seine Familie, sein Team sowie viele freiwillige Helfer haben Kraft, Zeit, Nerven und nicht zuletzt Geld investiert, um das Haus nach den Flutschäden von gut 5 Millionen Euro nicht nur „repariert wiederzueröffnen“, sondern die Chance der Zerstörung zum grundlegenden Um- und Neubau genutzt. Mit Blick auf die Existenz und Fortführung des Familienbetriebes durch die Kinder sei „Zeitloses“ entstanden, das eine Generation überdauern und wirtschaftlich tragen soll.
Vier Monate nach der Eröffnung und nach der Herbst-Wein-Wandersaison sowie guten Festtagsaussichten zeigt sich Andreas Carnott in der Bilanz trotzdem zurückhaltend. „Die Zeit vom Neujahr bis April im neuen Jahr macht mir aktuell Kopfschmerzen“, gesteht der Unternehmer. „Wir sind an Schmitz Backes noch nicht vorbei“, stellt der Hotel- und Restaurantchef bodenständig fest und meint damit, dass die Situation um ihn herum in der Destination Ahrtal alles andere als einladend ist. Der Wiederaufbau der Infrastruktur wie Straßen oder Radwege gehe sehr langsam voran. Viele Entscheidungen von Hauseigentümern über Abriss, Aufbau oder Verkauf ihrer flutgeschädigten Immobilien stünden auch 15 Monate nach dem Hochwasser noch immer aus.
Problem stockender Wiederaufbau
Carnott spricht von „Leichen, die hier rumstehen“, und meint gerade die Flutruinen in Altenahr. Immer mal wieder ein neuer „Imbiss mit Dixieklo als Provisorium“ sei ebenfalls nicht einladend. Das Ortsbild sei noch immer katastrophenhaft. Bei eigentlichen Kleinigkeiten wie dem fehlenden Brückengeländer oder der Straßenbeleuchtung gehe es nicht voran, sagt der Hotelier, der für die CDU im Rat der Ortsgemeinde Altenahr sitzt. „Wir haben keine Normalität und werden so schnell keine bekommen“, mutmaßt er.
Es sei lobenswert, wenn die Deutsche Bahn die Ahrtalbahn binnen zwei Jahren wiederaufbauen wolle. Doch bedeute das gleichzeitig „eine Riesenbaustelle im ganzen Tal“. Es sei fraglich, ob das potenzielle Gäste mitmachen, die Erholung, das Naturerlebnis zu Fuß oder per Rad sowie den gepflegten Genuss suchen.
Flutkatastrophe veränderte alles
Das Jahr 2019 sei für das Haus Ruland eines der erfolgreichsten Geschäftsjahre gewesen, berichtet Carnott und sagt: „Hotel und Restaurant liefen Bombe.“ Entsprechend haben sich die Familie und die Söhne auf die berufliche Zukunft in der Branche eingestellt. Sohn Jacob bekommt derzeit am Kaiserstuhl den Berufseinstieg als Koch, setzt also voll auf seine persönliche Zukunft mit dem Familienbetrieb an der Ahr.
2020 kam der Corona-Lockdown. Das Haus habe alles drangesetzt, das gute Personal zu halten, habe sich um so wichtige Hilfen wie Kurzarbeiter- und Überbrückungsgeld gekümmert. Zum einen aus der sozialen Verpflichtung gegenüber treuen Mitarbeitern, zum anderen, „um arbeitsfähig zu bleiben“. Mit gutem Betrieb in den Öffnungsphasen habe unter dem Strich „eine sehr, sehr gute schwarze Null gestanden.“
Dann kam am 14. Juli 2021 die Flut. Im Gästehaus lief der Keller voll, im Stammhaus standen Treibholz, Schlamm und braune Brühe bis an die Decke des Erdgeschosses, im Brunnenhaus bis in den ersten Stock. „Hinterm Haus zur Ahr war alles weg.“ Rausschippen, rausräumen, aufräumen, sauber machen. Tagelang, wochenlang.
Aufgeben war keine Option
Die Frage, wie denn die Zukunftsentscheidung in der Familie Carnott getroffen wurde, kann der Hotelier nicht beantworten. „Es war wohl für alle klar: Der Papa räumt auf und macht weiter“, beschreibt er den Einfluss von außen, der vom unermüdlichen und motivierenden Engagement des Teams und der freiwilligen Helfer verstärkt wurde. „Konsequent und schmerzfrei“ habe er den radikalen Rückbau bis auf den Rohbau beschlossen. Alles wurde weggeworfen. Alle Installationen wurden erneuert, Räume und Raumaufteilungen verändert, eine neue Restaurantküche eingebaut. Das Haus hat eine Wellnessetage mit Saunen und Ahrblick erhalten. Draußen ist ein neuer Biergarten entstanden. Es gibt Ladestationen für E-Autos und E-Bikes. Carnott bilanziert: „Wir haben zu 100 Prozent umgemodelt.“
Und was hat das gekostet? Die angebliche „Rundumversicherung“ wird laut Carnott 60 Prozent des von ihr auf fünf Millionen Euro geschätzten Schadens übernehmen. Die Differenz kommt erst einmal von der Bank, die natürlich auch darauf hoffe, dass das Geschäft läuft und der Kredit bedient wird, wie der Hotelier zu bedenken gibt. Ein Antrag auf Wiederaufbauhilfe bei der ISB sei gestellt. Bewährt habe sich eine Betriebsunterbrechungsversicherung, die ein Jahr lang unter anderem für die Gehälter der 16 Festangestellten aufkam, von denen viele selbst im Ahrtal flutbetroffen sind. Aber sie konnten gehalten werden und haben bei Umbau und Neueröffnung mitgearbeitet.
Ahrtaltourismus noch ausbaufähig
Das Geschäft 2022 sei ganz gut angelaufen, und bis Jahresende gehe es gut weiter. Viele Stammgäste hätten mit ihren Besuchen das Haus unterstützt, teilweise sogar Mitarbeiter finanziell bezuschusst. Andere Ahrgäste, deren Stammquartiere nach der Flut noch nicht eröffnet haben, seien gekommen. „Das Haus ist aber kein Selbstläufer mehr“, hat der Altenahrer Gastronom festgestellt. Es müsse mehr Werbung als früher für die Arrangements und (Wein-)Events gemacht werden. Und die Carnotts kümmern sich intensiv um ihre Gäste. Bei den Wanderwochen haben Andreas Carnott und Ehefrau Bernadette die Gästegruppen den ganzen Tag über selbst gefahren und auf den Touren in der Eifel geführt. Das sei bei den Teilnehmern gut angekommen.
Allerdings, und das macht Carnott bedenklich, habe niemand fürs nächste Jahr reserviert, was sonst bei solchen Aktionen üblich sei. Zeigt sich hier ein Ahrtal-Malus? Der Gastgeber aus Altenahr sagt: „Wir müssen dem Gast vorgreifend sagen, was bei uns an der Ahr möglich ist“, plädiert er für Offenheit und Ehrlichkeit gegenüber dem Ahrtal-Gast. Um ein weiteres kritisches Thema anzusprechen: „Für zwei bis drei Tage haben wir Programm, können die Leute auch allein laufen. Danach müssen wir uns etwas einfallen lassen, um attraktiv zu bleiben.“