Sechs Jahre seines Lebens – von 1999 bis 2005 – hat der Ire Gerry Needham auf Haiti verbracht und dort für die St.-Luke-Foundation und dessen Gründer, den Priester Father Rick Frechette, gearbeitet. „Das waren damals zwar auch unruhige Zeiten, aber was jetzt dort geschieht, ist fürchterlich und grausam. Die Menschen sind sich ihres Lebens nicht mehr sicher, marodierende Banden, die auch über junge Haitianer wie Kindersoldaten verfügen und unter Drogen setzen, töten wahllos, auch jene, die für die St.-Luke-Foundation und Father Rick gearbeitet haben. Es ist schrecklich, und ich möchte etwas tun“, hat Needham jetzt für sich entschieden.
Der gelernte Zimmermann und Schreiner aus Wachtberg, langjähriger Mitarbeiter des Sozialkaufhauses LISA in Remagen, hatte damals auf Haiti im Ort Kenscoff das von Father Frechette und dessen Team aufgebaute Waisenhaus für 400 Kinder, eine Schule und einen Kindergarten instandgehalten und schließlich in Tabarre als Polier mitgeholfen, ein Krankenhaus zu bauen. Klinische Erfahrungen hatte sein Arbeitgeber Frechette, der sich auch um die medizinische Versorgung der Bevölkerung kümmert, bei Fortbildungen in den USA und im Petion-Ville-Krankenhaus, das beim im Erdbeben 2010 einstürzte, gesammelt, sowie in den Slums bei den „Sisters of Mercy“ und den „Brothers of Charity“.
Ursprünglich Aufenthalt in Brasilien geplant
Ursprünglich wollte Needham für seine Tätigkeit im Ausland nach Brasilien reisen. „Aber dann las ich über die Irin Gina Heraty, die ein Heim für Kinder mit schwersten Behinderungen auf Haiti leitet. Sie war der Grund, warum ich dorthin bin. Jetzt musste ich erfahren, dass sie mitansehen musste, wie einer ihrer Security-Leute vor ihren Augen von den Banditen getötet wurde“, sagt Needham leise.
Auf Haiti lernte er seine heutige Frau kennen, heiratete dort und kam zehn Tage nach der Geburt ihres ersten Kindes in Deutschland mit seiner jungen Familie wieder zurück, weil er das Krankenhaus fertigstellen wollte. „Doch als es damals mit Entführungen anfing, und das erste Kind eines Weißen Opfer von Entführern wurde, wurde es mir zu gefährlich, und wir sind nach Deutschland zurückgekehrt“, sagt der 49-Jährige. Doch die Verbindungen zu der Karibik-Insel blieben bestehen. Nach dem verheerenden Erdbeben im Jahr 2010 war Needhams Ehefrau, eine gelernte Krankenschwester, für einige Wochen als Helferin dorthin zurückgekehrt. „Wir haben dort gute und enge Freunde, unterstützen die Familie unseres Patenkinds Abraham, das erste von insgesamt drei Kindern einer Mutter, die nicht lesen oder schreiben kann. Ein Kumpel dort war meine linke Hand auf der Krankenhaus-Baustelle, und wir stehen weiterhin in Kontakt. Auch habe ich immer schon den Blog von Father Rick verfolgt, der früher alle paar Monate etwas geschrieben hat, aber in den vergangenen Wochen werden die Einträge mehr, und was da zu lesen ist, hat mich schockiert“, sagt Gerry Needham.
„Erst kürzlich hat Father Rick eine Ladung mit Nahrung in die Berge gebracht, was sehr, sehr gefährlich ist.“
Gerry Needham
Im Januar schrieb Frechette, dass in Tabarre in der Straße seiner Institution ein Auto von Banditen beschossen wurde und er dafür sorgte, dass der Verletzte, der eine Amputation benötigte, abtransportiert wurde. Am 7. Februar berichtet die Tagebucheintragung, dass er und seine Helfer mithalfen, die Entführung eines siebenjährigen Nachbarkinds zu verhindern und Überlegungen angestellt wurden, wie man sich gegen die fortwährenden Angriffe der Banditen wappnen könne. Es wurde auch überlegt, die Kinder des Waisenhauses St. Helen in Kenscoff abzutransportieren, hatte das Risiko aber als zu hoch angesehen. Ein junger Priester wurde ermordet. Die marodierenden Gangs scherten sich nicht darum, ob jemand Nonne, Priester, Minister, Katholik oder Protestant wäre. Am 10. Februar kam es zu einem Massaker in den Bergen von Kenscoff, wo sich auch das Waisenhaus befindet. Schätzungen zu Folge gab es 150 Tote, etwa 5000 Menschen sind auf der Flucht. Frechette versucht sein Möglichstes, Nahrung und Kleidung für sie zu bekommen. „Erst kürzlich hat Father Rick eine Ladung mit Nahrung in die Berge gebracht, was sehr, sehr gefährlich ist“, weiß Gerry Needham. Am 16. Februar griffen die Banditen das nahe Umfeld an, überfielen private Häuser, 250 Menschen flohen in das Waisenhaus. Der Priester und zwei seiner Helfer kümmerten sich um die Verletzten. Während der Überfälle wurde auch ein Musiklehrer, Mann der Köchin des Waisenhauses, ermordet.
Am 17. Februar wurde in Kenscoff von den Banden eine junge Mutter dazu gezwungen, ihr Baby in ein Feuer zu werfen, und starb selbst kurz darauf. In derselben Nacht gab es ein Massaker in Tabarre, bei dem 13 Menschen ermordet wurden. Frechette hielt die Beerdigung ab. Wieder brachten er und sein Team Nahrung zum Waisenhaus. Am 25. Februar gab es weitere Massaker in Delmas. Einen Tag später sammelte Frechette mit die Toten ein, um sie ins Leichenschauhaus zu bringen. Eine Nachbarschaftsgang veröffentlichte ein Video, in dem sie sagen, wie sehr sie ihren „Besuch“ in Tabarre genossen haben. Am 3. März muss Frechette die Eintragung machen, dass ein junger Mann, der im Waisenhaus aufgewachsen war, ermordet und verbrannt wurde.

„Als wir 1987 in Haiti starteten, hätten wir uns nie vorstellen können, dass es hier einmal solche Zeiten geben würde“, schreibt Rick Frechette. Auch nicht, dass die USA ihre medizinischen Hilfen für das Ausland, den USAID-Fonds, streichen würden. „Wie zu lesen ist, hat Father Rick nun, um irgendwie an Geld für Medikamente und andere Hilfe zu kommen, das Equipment zur Erdnussbutterherstellung und einen großen Truck verkaufen müssen. Ich dachte nur, wenn das jetzt so weit ist und er das tut, ist es allerhöchste Zeit, dass Hilfen und Spenden von woanders herkommen. Es scheint ein fast aussichtsloser Kampf zu sein, aber ich weiß, dass Spenden zu 100 Prozent bei ihm ankommen und er auch genau weiß, wo er sie einsetzen kann“, betont Needham. So unterstützt jeder des Teams der rund 100 Mitarbeiter selbst ganze Familien. Er kennt seinen damaligen Chef Frechette gut. „Er ist zutiefst gläubig und muss anstatt eines normalen menschlichen Herzens die Energie von vier Lkw-Batterien haben, denn er arbeitete bis zu 20 Stunden am Tag. Jetzt – mit 72 Jahren – vielleicht nur noch 18. Er ist sehr geachtet auf Haiti und konnte damals noch mit Banditen verhandeln. Als eine seiner Mitarbeiterinnen entführt wurde, hat er alle seine Hilfsprogramme eingestellt mit dem Ergebnis, dass sie frei gelassen wurde. Aber heute weiß niemand, was geschieht“, sagt Needham.
Im Jahr 2024 wurden auf Haiti 5600 Menschen ermordet. Rund 700.000 sind auf der Flucht. Die Probleme begannen mit der Machtübernahme der kriminellen Gangs nach der Ermordung des Präsidenten im Jahr 2021. Von Kenia aus wurden durch die USA unterstützt 600 Polizisten nach Haiti geschickt. „Doch man weiß nie, wen man wirklich vor sich hat, wer zu wem gehört, wer korrupt ist oder Uniformen gestohlen hat“, weiß Gerry Needham. Er hofft nun, dass sich Menschen finden, die die Arbeit von Father Rick Frechette und seinen Mitarbeitern auf Haiti unterstützen.
Der englischsprachige Blog von Father Rick Frechette ist hier nachzulesen: www.stlukehaiti.org/blog. Weitere Infos und die Möglichkeit zu spenden, finden sich unter https://saintlukesfoundation.org