In Mayschoß etwa macht man sich schon ganz konkrete Gedanken zum Thema Wärmeversorgung der Zukunft. Doch wie bei der Ratssitzung am Montagabend auch deutlich wurde, droht den Verantwortlichen die Zeit davonzulaufen. Die kalte Jahreszeit steht vor der Tür.
Etwa 80 Prozent der Heizungsanlagen in den von der Flut betroffenen Häusern in Mayschoß sind nicht mehr zu reparieren, wie eine Erhebung ergeben hat. In den noch bewohnten Gebäuden hat man mithilfe der Energieagentur Rheinland-Pfalz und mit fachlicher Unterstützung der Hochschule Trier mehrere kleine provisorische Nahwärmenetze in Betrieb genommen. Wo es möglich ist, werden dort mehrere Häuser an eine größere mobile Heizungsanlage angeschlossen, um so warm über den ersten Winter nach der Flut zu kommen.
Die Woche neun nach der Flutkatastrophe Mitte Juli ist angebrochen. Fast jeder Keller dürfte von Wasser und Schlamm befreit sein, die allermeisten schwer betroffenen Häuser sind bis auf den blanken Stein entkernt.Kommentar zu Projekten und Aufbaustäben: Höchste Zeit für klare Ansagen
Die Vision von Ortsbürgermeister Hubert Kunz ist es, künftig in Mayschoß und den Nachbargemeinden dauerhafte Nahwärmenetze zu installieren und selbst zu betreiben. Die Hoffnung: Auf diese Weise könnte man schnell moderne, energiesparende und nachhaltige Heizungstechnik in den Orten etablieren und so als Gemeinde auf Sicht möglicherweise sogar schon in einigen Jahren bilanziell CO2-neutral sein. Das erklärte Ziel ist es, aus dem Ahrtal eine Vorzeigeregion zu machen.
Doch es muss schnell gehen, das ist auch Ortsbürgermeister Hubert Kunz und den Vertretern der Energieagentur bewusst. Und so gab es bei der Gemeinderatssitzung in Mayschoß am Montagabend jede Menge Appelle an die Ratsmitglieder und die vielen Bürger, die in die Kirche des Ortes gekommen waren: „Es kann nur funktionieren, wenn viele mitmachen“, rief Kunz aus. „Wir haben jetzt das Heft des Handelns in der Hand. Wir müssen unten in den Orten handeln, und die oberen Ebenen wie Kreis und Land müssen uns dann unterstützen.“
Die Mayschosser wollen zunächst gemeinsam mit den Nachbarorten Dernau und Rech eine eigene Betreiberfirma für ein künftiges Nahwärmenetz gründen: eine „Anstalt öffentlichen Rechts“. So will man selbst Herr über die künftige Wärmeversorgung sein und bleiben. Mögliche Gewinne würden so in den Kommunen verbleiben, und auch die Arbeitsplätze würden im Ahrtal entstehen, und nicht in fernen Konzernzentralen. Solch ein Nahwärmenetz könnte dann schon im Winter 2022/2023 in Betrieb gehen, gibt man sich in Mayschoß optimistisch. Doch wie konkret solch ein Netz aussehen könnte, ist noch völlig offen – und damit auch, welche Kosten auf die Kommunen und die künftigen Nutzer eines solchen Wärmenetzes zukommen könnten.
Üblicherweise bestehen Wärmenetze aus einer oder mehreren Heizzentralen, von denen aus die Wärmeenergie über Rohrleitungen an die angeschlossenen Häuser verteilt wird. Je mehr Nutzer an ein solches Netz angeschlossen sind, je wirtschaftlicher lässt es sich betreiben. Allerdings sind dafür auch in den Häusern technische Voraussetzungen zu erfüllen: Die klassischen Heizkörper sind für solche Wärmenetze ungeeignet. Fußbodenheizungen oder Flächenheizungen in den Wänden oder Decken werden benötigt.
Wie in den Heizzentralen die Wärme erzeugt werden soll, ist ebenfalls noch vollkommen offen. Vieles ist denkbar: Holz aus den eigenen Wäldern etwa. Aber auch Gas, Biogas oder perspektivisch sogar Wasserstoff kämen als primäre Energieträger infrage. Die Anlagen könnten aber auch als Wärmepumpen konstruiert werden, die sogar die Möglichkeit böten, in heißen Sommern zu kühlen, statt zu heizen. Aber auch ein Blockheizkraftwerk, das nebenbei noch Elektrizität erzeugt, ist denkbar.
So ungewiss, wie ein künftiges Nahwärmenetz in Mayschoß, Dernau und Rech am Ende aussehen könnte, so ungewiss sind auch die Kosten, die es verursachen könnte. Doch da sind die Initiatoren zuversichtlich: Neben den bereits existierenden Fördermöglichkeiten für solche Wärmenetze in den Kommunen gebe es nun schließlich auch üppig gefüllte Fördertöpfe wie etwa das 30-Milliarden-Euro-Soforthilfeprogramm des Bundes für die Flutregionen. Aus denen könne man sich bedienen und so die noch zu leistenden Eigeninvestitionen von Kommunen und künftigen Nutzern gering halten, so die Hoffnung.
Als nächsten Schritt will man nun möglichst schnell eine Bürgerversammlung einberufen, um noch einmal über die Pläne zu informieren und möglichst schon viele Interessensbekundungen von Hausbesitzern einzuholen. Mindestens 100 Zusagen braucht man, aber möglichst noch viel mehr, hieß es am Montag.
Dass die Zeit drängt, wurde aber auch deutlich: „Wir haben schon einen Termin mit dem Heizungsmonteur“, meldete sich eine Bewohnerin in einer Unterbrechung der Sitzung zu Wort. „Ich fürchte, wenn wir da jetzt die falsche Entscheidung treffen, kommen wir später für ein Nahwärmenetz nicht mehr infrage.“