Ein Anwohner aus der Georg-Kreuzberg-Straße in Bad Neuenahr meldete sich bei der Bürgersprechstunde innerhalb der jüngsten Stadtratssitzung zu Wort. Er wohne direkt gegenüber den rostigen Resten der ehemaligen Maria-Hilf-Brücke im Kurpark von Bad Neuenahr in einem Haus mit 21 Wohnungen. Stets habe er die zerstörte Brücke vor Augen und werde an die schreckliche Nacht erinnert. „Inzwischen wird das Gestell täglich mehrfach fotografiert, und wir kommen, auf unserem Balkon sitzend, stets mit aufs Bild. Das kann so nicht bleiben“, meinte er. Die Brücke rage auch noch rund einen Meter in die Ahr hinein und bilde ein Fließhindernis.
Noch keine abschließende Entscheidung
Auf seine Frage, was nun mit den Brückenresten passieren soll, antwortete Bürgermeister Guido Orthen, dass noch keine abschließende Entscheidung gefallen sei. Es sei ein sehr sensibles Thema, das man aber auch nicht ewig vor sich herschieben könne. Auf jeden Fall dürfe die Brücke nicht zum Fließhindernis werden. Ob sie zum Mahnmal werden soll, darüber gibt es unterschiedliche Meinungen, mit denen auch der Ortsvorsteher, Richard Lindner, immer wieder konfrontiert wird. Der grundsätzliche Tenor, den er in Bad Neuenahr wahrnimmt: „Wir brauchen einen Ort, wo wir gedenken können, kein Mahnmal.“
Keine Vielzahl von Kunstobjekten gewollt?
Denk mal drüber nach – diesen Fingerzeig hält Lindner auch aus dem Blickwinkel als Feuerwehrchef für wichtig. Denn bis zum späten Nachmittag des 14. Juli 2021 hätten die Menschen das Hochwasser von 2016 und die Gefahr, dass da etwas kommen könnte, bereits verdrängt. Deshalb hält der Ortsvorsteher einen Ort, der auch die nächste Generation daran erinnert, was hier passiert ist, für sinnvoll. Die über das Ufer hinausragende Brücke ließe sich kürzen, mit Sträuchern und Bäumen als Ort der Erinnerung einfassen. Lindner hat aber auch Verständnis für diejenigen, die nicht mehr auf einen Brückentorso schauen möchten, der die brutale Gewalt der Naturkatastrophe vor Augen führt und damit im Kopf auch die Erlebnisse und Bilder aus dieser Nacht abruft.
Auch Jürgen Schwarzmann, Ortsbürgermeister von Hönningen, ist zwiegespalten. Er schreibt auf unsere Anfrage: „Ich denke, es ist wichtig, dass wir eine Form des Gedenkens finden müssen. Dazu gehört mit Sicherheit auch ein zentrales Flutmuseum mit wissenschaftlicher Begleitung. Was wir nicht brauchen, ist ein Tal des Flutgedenkens. Wir brauchen ein Tal des Wiederaufbaus und Neuanfangs.“ Als Genkenkort sei die Umsetzung eines Flutgedenkweges von Blankenheim bis Sinzig mit Sicherheit eine gute Idee. Die Menschen bräuchten weiterhin die Solidarität beim Wiederaufbau und nicht eine Vielzahl von Kunstobjekten zum Thema Flutgedenken, meint Schwarzmann.
Wie sich die Ereignisse des Sommers 2021 sensibel für alle Betroffenen und vor allem die Menschen im Ahrtal konservieren, ist auch eine Aufgabe, der sich die Touristiker stellen. Ein mögliches Flutmuseum ist eines der Leitprojekte bei der Entwicklung eines nachhaltigen Tourismuskonzeptes 2025. Die Machbarkeitsstudie dazu ist abgeschlossen. Vom Gutachter empfohlene Standorte liegen in Rech und in Bad Neuenahr-Ahrweiler. Jetzt müssen Förderer für die Vorschläge gefunden werden, was etwas Zeit in Anspruch nehmen wird, wie Projektleiter David Bongart gegenüber der RZ erklärte.
Auch Touristiker befassen sich mit Mahnmalen und Kunstobjekten
„Wichtig ist, dass ein zentraler Ort des Gedenkens entsteht, der gleichzeitig Impulsgeber für dezentrale Ansätze sein kann und soll. Aber alles in einem Maß, das die betroffenen Anwohner nicht tagtäglich mit den schrecklichen Ereignissen konfrontiert. Ein dezentraler Wildwuchs, der unter Umständen als Erinnerungskultur feilgeboten wird, sollte verhindert werden. Nur mit einem passenden Konzept wird man den Anwohnern und Gästen gerecht und dann kann dieses sogar ein touristischer Anlaufpunkt werden“, ist Bongart überzeugt.
In der stark betroffenen Sinziger Hohenstaufenstraße lebt Andrea Lawrenz, Kunstlehrerin am Rhein-Gymnasium. Sie findet es gut, wenn es private Initiativen aus der Bürgerschaft gibt, die ihre persönlichen Erinnerungsmale schaffen. Sollten aber Künstler von außerhalb Interesse bekunden, ein Kunstwerk als Denkmal an der Ahr zu schaffen, dann müsse es öffentlich ausgeschrieben werden.
Projekte auswärtiger Künstler umstritten
Fragt man eine weitere Anwohnerin, die nicht namentlich genannt werden möchte, zu den Bestrebungen auswärtiger Künstler, die nicht aus dem Ahrtal kommen, hier ihre Gedenkkunst zu platzieren, so hat sie eine klare Meinung: „Manches davon kommt mir wie reine Egomanie vor, um sich selbst hier ein Denkmal zu setzen. Wer etwa ohne mit allen, die es angeht, hoch in den Weinbergen ein großformatiges Kunstwerk installieren will, handelt ,von oben herab‘ im Gegensatz zu den Helfern, die im Tal unter Betroffenen malocht haben. Die Künstler von außerhalb könnten sich hier dienstbar machen und Leuten bei einer Gestaltung helfen.“
Andrea Lawrenz, die auch ein Fluttagebuch geführt hatte, was ihr bei der Verarbeitung der Geschehnisse sehr half, findet es grundsätzlich wichtig, Erinnerungen zu bewahren. „Wir werden an unserem Haus eine Markierung anbringen, wie hoch das Wasser stand, aber nicht nur einen Strich, sondern auch unter künstlerischen Aspekten“, sagt sie. Sie habe kein Problem damit, wenn hier und da Erinnerungsmale entlang der Ahr entstehen. „Ich finde das wichtig, sonst verschwindet die Flut wie bei einer Katastrophendemenz zu sehr aus dem kollektiven Gedächtnis. Sie sollte in unser Leben integriert werden, weil diese Erfahrungen nun zu unseren Biografien gehören.“
Ist Vergessen auch eine Form der Heilung?
Eine weitere Stimme von einer Helferin, die nach der Flut in Sinzig war, sagt zum Thema Erinnerungskunst nach der Katastrophe: „Als ob die Leute, die das schreckliche Ereignis erlebt haben, dies vergessen könnten! Vergessen ist ein natürlicher Prozess der Heilung. Ich verstehe, wenn jemand sagt, ich möchte nicht immer wieder daran erinnert werden, und an jeder Ecke eine Gedenkstätte – das würde mir wie ein einziger Friedhof vorkommen.“