Vor rund zweieinhalb Jahren rauschte die Ahrflut durch das Tal, hinterließ mindestens 135 Tote und richtete in den Orten entlang des Flusses bisher nicht für möglich gehaltene Schäden an. Seitdem ist nicht nur ein vom Landtag in Mainz eingesetzter Untersuchungsausschuss dabei, sich konkret mit dem Verhalten von Mitgliedern der Landesregierung sowie ihrer nachgeordneten Behörden und deren Schuld während und nach den Fluttagen zu beschäftigen, sondern seit Oktober 2021 tagte in dessen Schatten auch eine sogenannte Enquete-Kommission mit grundsätzlichen Zukunftsstrategien zur Katastrophenvorsorge. Sie soll Möglichkeiten zum Schutz vor Extremwetterereignissen entwickeln, die auch nach 50 Jahren noch Bestand haben.
Die elf Mitglieder aus dem Landtag, dabei die Abgeordneten Susanne Müller (SPD) aus Remagen und Petra Schneider (CDU) aus dem Brohltal, sowie sechs weitere sachverständige Mitglieder trafen sich einmal im Monat zu fachlichen Gesprächen und um Experten zu hören. Am 30. Oktober 2023 hat die Kommission ihren Abschlussbericht verabschiedet, der nun im Dezember dem Landtag vorgelegt werden soll. Darin gelangen die Mitglieder zum Beispiel zu der Erkenntnis, dass zum Schutz vor Hochwasser und Starkregen den Gewässern mehr Raum gegeben werden müsse. Überflutungsflächen sollen beispielsweise vergrößert oder die Deiche höher gebaut werden. Sie raten, das Lagern von Gegenständen und Materialien an den Ufern per Gesetz zu beschränken.
Fehler der Vergangenheit wiederholt?
Dass die Ahr so weit über die Ufer getreten ist, sollte ebenfalls bei der künftigen Bauleitplanung berücksichtigt werden. Auch in Land- und Forstwirtschaft sowie dem Weinbau sei ein Umdenken gefragt. All das und noch viele Vorschläge mehr werden untermauert von zahlreichen Einzelvorschlägen. Der Arbeitskreis Fluthilfe Heimersheim, er setzt sich aus Bürgern des Ortsteiles von Bad Neuenahr-Ahrweiler und Mitgliedern des Ortsbeirates zusammen, hat sich bereits seit längerer Zeit ebenfalls mit genau diesen Fragen beschäftigt und folglich nun die Ergebnisse der Enquete-Kommission genau unter die Lupe genommen und verglichen, was bisher an Aufbau im Ahrtal geschehen ist oder derzeit passiert.
Dabei wird mit Kritik an Bund, Land, Kreis und Kommunen nicht gespart. „Wir erleben einen mutlosen, bürokratischen Wiederaufbau, bei dem Chancen ungenutzt bleiben und viele Fehler der Vergangenheit wiederholt werden“, so heißt es in einer umfangreichen Stellungnahme des Arbeitskreises. Leidtragende sein die Menschen im Ahrtal, deren Leben, Zukunftschancen und Wiederaufbauinvestitionen leichtfertig aufs Spiel gesetzt würden. Besonders im Zentrum die Feststellung der Enquete-Kommission, dass den Gewässern zum Schutz vor Hochwasser und Starkregen mehr Raum gegeben werden muss und was nun, 28 Monate nach der Flut, dazu bereits getan wurde. Das Ergebnis sieht nicht gut aus.
Wir erleben einen mutlosen, bürokratischen Wiederaufbau, bei dem Chancen ungenutzt bleiben und viele Fehler der Vergangenheit wiederholt werden.
Aus einem namentlich nicht unterzeichneten Papier des Arbeitskreises Fluthilfe Heimersheim (AKFH)
Was für ein Ziel verfolgen hier Land, Landkreis und Kommunen? Was sind sie bereit zu finanzieren und vor Ort umzusetzen? Wie hoch erhöht man ein Ufer um es hochwassersicher zu machen? Welche Flächen stellt man zukünftig für Überflutungen zur Verfügung, um eine Verbesserung zu erzielen? Ist man bereit, den Fluss wirklich zu verbreitern, auch gegen Widerstände? Welche neuen Verhaltensvorgaben gibt es? Das sind nur einige der noch immer offenen Fragen des Arbeitskreises. Besonders im Visier der Heimersheimer Bürger der neu festgelegte statistische Bemessungswert „HQ100“ für Hochwasser. Dieser bezeichnet die Höhe eines statistisch gesehen alle 100 Jahre auftretenden Hochwassers, kurz also eines Jahrhunderthochwassers. Mit HQ100 liege der Wasserabfluss der Ahr bei etwa 500m3/Sek. und sei damit nicht einmal halb so groß, wie die Abflussmenge des Jahres 2021.
„HQ100 schützt die Menschen im Ahrtal lediglich vor einem Hochwasser der Dimension von 2016. „Ist eine Umsetzung von HQ100 als Hochwasserschutzmarke deshalb ausreichend und überhaupt sinnvoll?“, so die Frage. „Größeren Hochwassern, so wie 2021, scheint man gar nichts entgegensetzen zu wollen. Es entsteht der Eindruck, dass gar nicht erst versucht wird, dort wo es möglich ist, mehr Hochwasserschutz zu betreiben“, so zieht der Arbeitskreis Fluthilfe Rückschlüsse aus den Ergebnissen der Enquete-Kommission. Den Gewässern mehr Raum geben – in Heimersheim sein die Bürger bereit, der Verlegung des Bahnhaltepunktes der Ahrtalbahn zuzustimmen, um mehr Platz für die Ahr und somit für den Hochwasserschutz zu gewährleisten.
Auch LBM in der Kritik
Dennoch weigerten sich die FDP-geführten Verkehrsministerien in Bund und Land beharrlich, die vom Arbeitskreis Fluthilfe Heimersheim erkannten Potenziale zum Hochwasserschutz durch den 50-prozentigen Rückbau der B 266 umzusetzen. 23.000 Quadratmeter Retentionsfläche würden durch den Entfall von Teilen der B 266 entstehen. Eine Größenordnung, die andernorts im Ahrtal nur schwer zu erreichen sei.
Die Kritik der Heimersheimer Flutexperten trifft in einem weiteren Abschnitt ihrer schriftlichen Stellungnahme auch den Landesbetrieb Mobilität (LBM) Cochem. Dieser setze sich über die gegebenen Versprechen hinweg und sei derzeit dabei, die B 266 gegen weitere Ausspülung wieder zu befestigen. Mehr Raum für den Fluss bedeute auch Siedlungsrückzug und angepasste Landnutzung. Besser wäre es, die Veröffentlichung einer Machbarkeitsstudie mit hydrologischem Gutachten abzuwarten und dann erst mit gezielten Arbeiten zu beginnen.
Erwartungen nicht erfüllt
„Schon wieder werde bei der B 266 versucht, eine Minderheit gegen eine Mehrheit auszuspielen und gegen jedwede Vernunft Tatsachen zu schaffen“, so beurteilen die Heimersheimer die Lage. Der Ortsbeirat als auch der Stadtrat von Bad Neuenahr-Ahrweiler hatte gegen den Wiederaufbau einer vierspurigen B 266 votiert. Zurück zum Abschlussbericht der Enquete-Kommission: Das Resümee der Ergebnisse der vom Landtag RLP eingesetzten Kommission zur Flutkatastrophe fällt in Heimersheim zusammenfassend ziemlich klar und eindeutig aus: Das hätte man sich etwas anders vorgestellt.