Bislang galt für Ackerflächen: entweder Fotovoltaik oder Fotosynthese, also Stromerzeugung oder Nahrungsmittelproduktion. „Eine Pilotanlage am Bodensee hat bewiesen, dass beides sehr gut miteinander vereinbar ist“, heißt es auf den Internetseiten des Fraunhofer-Instituts. Die Agrofotovoltaik könne durch die ressourceneffiziente Doppelnutzung von landwirtschaftlichen Flächen die Flächenkonkurrenz abmildern und Landwirten neue Einkommensquellen erschließen. Auf einer Versuchsfläche der Demeter-Hofgemeinschaft Heggelbach wurden 2016/17 über einer Ackerfläche von einem Drittel Hektar Solarmodule installiert. Die Ergebnisse des ersten Projektjahrs seien ein voller Erfolg gewesen, da sich die Agrofotovoltaik-Anlage als praxistauglich erwiesen hat, die Kosten bereits mit kleinen Solardachanlagen wettbewerbsfähig sind, die Ernteprodukte ausreichend hoch und wirtschaftlich rentabel vermarktet werden können, so Projektleiter Stephan Schindele.
Während 2017 noch durch die Bank geringe Ernteverluste durch die Beschattung zu verzeichnen waren, sah es im Hitzesommer des Jahres 2018 schon anders aus: Da verzeichneten die Landwirte gegenüber einer Vergleichsfläche ohne Solaranlage bei Sellerie, Winterweizen und Kartoffeln sogar höhere Erträge. Nur bei Kleegras musste in dem Jahr ein Minus von 8 Prozent registriert werden. Positiv wirke die Solaranlage in punkto Sonneneinstrahlung und Niederschlagsverteilung. In den heißen und trockenen Sommermonaten 2018 sei die Bodenfeuchtigkeit im Weizenbestand unter der Anlage höher gewesen als auf Feldern ohne Kollektoren. Auch was die Auswirkungen eines veränderten Klimas angeht, könnte Agrofotovoltaik den Landwirten also helfen.
Darauf setzt man nun auch in der Grafschaft: Die zurzeit im Bau befindliche Anlage könnte die Apfelsorten, die hier gepflanzt werden, vor übermäßiger Sonneneinstrahlung und damit gegen Sonnenbrand ebenso schützen wie vor negativen Einflüssen wie Hagel und Starkregen. Nicht die Maximierung der Ernteerträge, sondern eine qualitativ hochwertige Apfelproduktion ist neben der Stromerzeugung das Ziel. Rein ökonomisch betrachtet dürfte jedoch ein weiterer Faktor noch wichtiger sein: Während ein Hektar Land entweder 100 Prozent Kartoffeln oder 100 Prozent Solarstrom liefert, könne die Landnutzungseffizienz durch die doppelte Nutzung bei der Agrofotovoltaik wesentlich gesteigert werden – am Bodensee lag sie im Jahr 2018 bei 186 Prozent.
Übrigens: Bei einer anderen, 2,2 Hektar großen Versuchsanlage im oberbayerischen Althegnenberg werden die Flächen zwischen den klassischen Solarmodultischen landwirtschaftlich genutzt. Ergebnis, laut dem Fachbetrieb Öko-Haus, der die Anlage realisierte: Neben der Stromproduktion konnte durch die Teilverschattung der Anbauflächen schon im ersten Jahr (2020) je nach Bepflanzung ein Mehrertrag von rund 30 Prozent erzielt werden.
Agrofotovoltaik könne ein wesentlicher Beitrag zur Energiewende sein, meinen die Experten, die in diesem Zusammenhang auch von einer „Synergiewende“ sprechen. Will heißen: Es wird noch weit mehr Fotovoltaikanlagen brauchen, um die Klimaschutzziele zu erreichen – an Häusern, eingebaut in Verkehrswegen, an nicht genutzten Flächen entlang von Bahnlinien und so weiter. Bisher habe die Politik im Bund wie auch in den Ländern die Agrofotovoltaik allerdings im Gegensatz zu Nachbarländern wie Frankreich und Holland sträflich vernachlässigt, hieß es vor einem halben Jahr bei einer Anhörung im baden-württembergischen Ausschuss für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz. Baugenehmigungen für derartige Anlagen seien noch so gut wie unmöglich, Agrarsubventionen für landwirtschaftliche Nutzflächen mit diesen Anlagen gebe es nicht. Da ist es gut zu hören, dass das Mainzer Umweltministerium innovative Solarenergieprojekte wie das in der Grafschaft fördert und sich darüber hinaus beim Bund für bessere Vorgaben einsetzt, um Hemmnisse abzubauen. Doch es wird noch weitere Forschungen und Testläufe brauchen, bis solche technischen Lösungen „serienreif“ sind.