Vielmehr noch: Nach der verheerenden Flutkatastrophe vom Juli 2021 herrschte im Ahrtal auch bei den Ärzten ein Ausnahmezustand. Die Rhein-Zeitung hat dazu mit Dr. Michael Berbig gesprochen, dem Vorsitzenden des Ärztenetzes Kreis Ahrweiler, dem 157 niedergelassene und in Kliniken tätige Ärzte angehören.Von der Flut waren im Ahrtal mehr als 50 Arztpraxen, davon die Hälfte im hausärztlichen Bereich, betroffen. Manche Praxen wurden von Wasser und Schlamm komplett zerstört. „Die Kolleginnen und Kollegen konnten sich zum Teil selbst nur knapp vor den Fluten retten, oftmals wurde mit der Praxis ein Lebenswerk zerstört“, bilanziert der Vorsitzende des Ärztenetzwerks.
Ärzte trotzen Schwierigkeiten
Hauptaufgabe für das Ärztenetz war nach dieser Katastrophe vor allem die Sicherung der medizinischen Versorgung und die Koordinierung der Patientenströme, was dank der guten Vernetzung auch gelang. Es ging darum, die Praxen aufzuräumen und die ambulante Versorgung aufrechtzuerhalten. So hatten etwa Dr. Klaus Korte aus Ahrbrück, Dr. Steffi Nacke aus Altenahr, Dr. Astrid Näkel aus Dernau und Dr. Michael Masanneck in Rech auf sich allein gestellt und unter katastrophalen Umständen auf vorbildliche Art Notpraxen installiert und die Bewohner der Orte Tag und Nacht und bis zur Erschöpfung versorgt.
„Mittlerweile funktioniert die Gesundheitsversorgung im Ahrtal wieder auf gutem Niveau, selbst die schwerstbetroffenen Praxen und Kliniken arbeiten wieder“, so Dr. Berbig. Lediglich drei Kollegen hätten nach der Katastrophe den Praxisbetrieb nicht wieder aufgenommen. Trotzdem leiden die zerstörten Praxen unter Honorarverlusten und Einkommenseinbußen – auch aufgrund der aktuellen allgemeinen Rahmenbedingungen.
Die Kolleginnen und Kollegen konnten sich zum Teil selbst nur knapp vor den Fluten retten, oftmals wurde mit der Praxis ein Lebenswerk zerstört
Dr. Michael Berbig, Vorsitzender des Ärztenetzes Kreis Ahrweiler
Dr. Berbig geht davon aus, dass es in Rheinland-Pfalz in naher Zukunft immer weniger Hausarztpraxen geben wird, da 42 Prozent der Hausärzte über 60 Jahre alt sind. „Viele sind auch aus Deutschland abgewandert, etwa nach Großbritannien, Skandinavien oder in die Schweiz, da dort die Bedingungen günstiger sind – wir haben in Deutschland im privatärztlichen Bereich eine Gebührenordnung noch von 1988 beziehungsweise 1996, die seitdem nicht angepasst wurde. Da ist die Politik gefordert. Es geht generell um die geringe Wertschätzung der ärztlichen Versorgung“, so Dr. Berbig. So hätten Krankenhäuser und Altenheime Coronahilfen erhalten, niedergelassene Ärzte jedoch nicht.
„Die hohen Praxiskosten angesichts der Preissteigerungen etwa im Energie- und Personalbereich würden die inhabergeführten Praxen an die Wand drängen. Die Helferinnen hätten für die Zeit 2021 bis 2023 eine Gehaltserhöhung von 12 Prozent bekommen, eine angemessene Honorierung sei auch wichtig. Allerdings gäbe es in allen Bereichen Personalmangel. „Im Grunde wollen wir nur einen Ausgleich für das, was teurer geworden ist“, so der Vorsitzende des Ärztenetzes, das sich an den Protesten gegen die Sparmaßnahmen des Bundesgesundheitsministeriums im Oktober beteiligt hatte.
Neupatientenregelung entfällt ab Januar
Mit Wirkung zum 1. Januar entfällt die vor drei Jahren eingeführte Neupatientenregelung, die dafür sorgen sollte, dass neue Patienten schneller einen Termin bekommen. Es wurde festgelegt, dass die Leistungen für die Behandlung dieser Patienten in voller Höhe vergütet werden.
Nach der neuen gesetzlichen Regelung sollen Ärzte für Patienten, die über die Terminservicestellen (TSS) vermittelt werden, abhängig von der Schnelligkeit der Vermittlung Zuschläge von 100, 80 beziehungsweise 40 Prozent zur Versicherten- und Grundpauschale erhalten. Fachärzte können diese Zuschläge auch abrechnen, wenn sie Patienten auf Vermittlung eines Hausarztes kurzfristig behandeln. Hausärzte erhalten für die Terminvermittlung statt 10 künftig 15 Euro.
Unis machen es Nachwuchs schwer
„Die Neupatientenregelung hat weniger Auswirkungen auf die Hausärzte. Eher sind die Fachärzte betroffen“, so Dr. Berbig. Der Ärztenetz-Vorsitzende sieht ein weiteres Problem bei der ambulanten Versorgung: „Wir bekommen keine Nachfolger auch wegen des Numerus clausus als Bedingung für einen Studienplatz. Im Schnitt machen mehr Frauen ein besseres Abitur als Männer, doch haben diese häufig aus verständlichem Grund wie Mutterschaft und Familie später eine geringere Lebensarbeitszeit.“
Bei dieser Entwicklung hätte man frühzeitig mehr Studienplätze zur Verfügung stellen müssen. Die Politik müsste auch andere Wege außerhalb der Numerus-clausus-Regelung finden, um etwa Menschen, die zum Beispiel aus dem Berufsfeld der Krankenpflege oder des Rettungsdienstes kommen, einen Zugang zum Studium zu ermöglichen. Vor allem fehlen aber seit Jahren mehr Studienplätze für Medizin. Außerdem spricht sich Dr. Berbig dafür aus, dass ein Studienplatz in der Medizin in Deutschland auch gleichzeitig an die Verpflichtung gebunden ist, in Deutschland zu praktizieren.