Maria Laach
Maria Laach: Arbeitgeber mit Armut beschäftigt

Maria Laach - Unter der Überschrift „Was ist denn Armut?“ beschäftigten sich jetzt Mitglieder des Wirtschaftsrates Deutschland, Landesverband Rheinland-Pfalz, mit der aktuellen Diskussion um die Hartz-IV-Regelsätze. Als kompetente Gesprächspartner zum sensiblen Thema hatten sie die Bundestagsabgeordnete Mechthild Heil und Prof. Dr. Stefan Sell vom Remagener RheinAhrCampus ins Seehotel Maria Laach eingeladen. Letzterer war nach eigenem Bekunden auch gekommen, um die versammelten Unternehmer mit seinen Thesen zu provozieren – was ihm auch gelang.

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Maria Laach – Unter der Überschrift „Was ist denn Armut?“ beschäftigten sich jetzt Mitglieder des Wirtschaftsrates Deutschland, Landesverband Rheinland-Pfalz, mit der aktuellen Diskussion um die Hartz-IV-Regelsätze. Als kompetente Gesprächspartner zum sensiblen Thema hatten sie die Bundestagsabgeordnete Mechthild Heil und Prof. Dr. Stefan Sell vom Remagener RheinAhrCampus ins Seehotel Maria Laach eingeladen. Letzterer war nach eigenem Bekunden auch gekommen, um die versammelten Unternehmer mit seinen Thesen zu provozieren – was ihm auch gelang.

„Ich finde es wichtig, dass gerade Sie sich mit diesem Thema beschäftigen“, erklärte Sell. Dass Armut in Deutschland „offensichtlich ein Wachstumsmarkt“ ist, machte er an der Entwicklung der Tafeln fest: Mittlerweile versorgen bundesweit 860 dieser Einrichtungen regelmäßig rund eine Million Menschen. „Das ist eine gewaltige Menge“, stellte der Professor fest. Die Armut werde in Deutschland primär als Einkommensarmut gemessen. Als arm gilt, wer über weniger als zwei Drittel des durchschnittlichen Einkommens verfügt. Die Armutsrisikoquote lag 2009 bei 15,5 Prozent der Bevölkerung.
Arbeitslose und Alleinerziehende sind dabei die größten Gruppen, die von faktischer Armut betroffen sind. Doch eine Zunahme der Einkommensarmut war in den vergangenen Jahren in allen Altersgruppen zu verzeichnen. Besonders betroffen sind Kinder und Jugendliche: In Berlin leben 40 Prozent von ihnen in Hartz-IV-Haushalten. Diese „Infantilisierung der Armut“ sei eine Katastrophe, urteilte Sell: „Das zeigt ein Systemversagen.“ Und während die einen immer weniger haben, haben die anderen immer mehr: Die massive Ungleichverteilung der Einkommen und Vermögen nimmt ihren Lauf. Neben der verfestigten Arbeitslosigkeit sei hierfür vor allem die Zunahme des Niedriglohnsektors entscheidend. 22,5 Prozent der Arbeitnehmer sind hier inzwischen anzusiedeln. „Das Armutsproblem ist ein fließendes. Wir dürfen uns nicht nur auf Hartz IV fokussieren“, betonte Sell deshalb.
In ihrer Erwiderung auf Sells Ausführungen ließ Mechthild Heil Einzelheiten beiseite und präsentierte einen eher allgemein gehaltenen Standpunkt. „In der Analyse sind wir uns sehr einig“, sagte sie zu Sell – doch bei der Interpretation lägen manchmal Welten dazwischen. Die Bundestagsabgeordnete, die im „wahren Leben“ Architektin ist, betrachtete das Problem als Unternehmerin von der Arbeitgeberseite. „Ich erlebe, dass Arbeitnehmer und Arbeitgeber auseinanderdriften“, so Heil. Dass beide Gruppen – sowohl in den Betrieben als auch in der Gesellschaft – wieder zusammenfinden, sei ihre Sorge und Bitte zugleich. „Wir haben die große Verantwortung, dass es zusammenhält“, erklärte die CDU-Frau.
Sowohl Sell als auch Heil warnten vor einer Verfestigung von Vorurteilen. Sell sprach gar von einer „Radikalisierung der oberen Mittelschicht“, die regelrechte Hassgefühle gegenüber unteren Bevölkerungsgruppen entwickelt habe. „Die über Armut sprechen, haben stets die Emotionen auf ihrer Seite“, gab MdB Heil zu bedenken. (peo)

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