Nürburg
Lidl rockt den Ring: Kreis Ahrweiler hat das Nachsehen
Versorgungsstation für hungrige Festivalbesucher: Auch in diesem Jahr ist Lidl bei Rock am Ring vertreten. Der Rock-Store wurde bereits am Mittwoch auf dem Gelände am Nürburgring eröffnet.
Kevin Rühle

Wenn die Musik dröhnt und Tausende Rockfans das Gelände am Nürburgring in ein großes Partyareal verwandeln, dann ist klar: Rock am Ring ist gestartet. Das Wetter für die diesjährigen Festivaltage verspricht laut jüngsten Vorhersagen optimal zu werden, Sonne ist für die kommenden Tage angekündigt. Aber haben auch die lokalen Gewerbetreibenden Grund zu feiern? Die RZ hat sich umgehört.

Über 70.000 Besucher erwarten die Veranstalter von Rock am Ring in diesem Jahr, welches bis Sonntag stattfindet. Während sich die Veranstalter vermutlich über einen Millionenumsatz freuen dürfen, für 2021 wurde der Gesamtumsatz von Rock am Ring und Rock im Park auf 50 bis 60 Millionen Euro geschätzt, ist die Stimmung unter den Gewerbetreibenden vor Ort zwiegespalten.

Festivalstimmung nicht überall verbreitet

So erfreuen sich etwa Hotels und Pensionen im Kreis Ahrweiler guter Auslastungszahlen und die Apotheken in der Verbandsgemeinde Adenau sind bereit, um Festivalbesucher mit Mitteln gegen Sonnenbrand, Durchfall, Allergien und Kopfweh zu versorgen. Und auch im Adenauer Baumarkt sind die Mitarbeiter darauf eingestellt, die Ausstattung anreisender Musikfans mit Camping- und Grillzubehör zu komplettieren. „Wir bereiten nicht mehr vor, die Besucher sind schon da“, war ein Ausspruch, der gegenüber der RZ nicht nur einmal fiel.

Dennoch: Die Festivalstimmung der anreisenden Besucher springt nicht bei allen Einzelhändlern und Gewerbetreibenden über. Der Grund dafür hat vier Buchstaben: Lidl. Seit 2015 ist der Discounter mit Hauptsitz in Neckarsulm mit sogenannten Pop-up-Stores auf dem Rockfestival vertreten. Auch in diesem Jahr präsentiert sich der Discounter der Schwarz Gruppe mit einem rund 400 Produkte umfassenden Sortiment den Festivalbesuchern.

Angebot abgestimmt

Bereits seit Mittwoch haben diese Gelegenheit, sich im Lidl-Rock-Store nicht nur mit Getränken, Snacks, Kosmetika und Grillgut zu versorgen, sondern auch das für einen Festivaltag benötigte Equipment wie Grills, Zelte, Schlafsäcke oder Stühle ebenfalls zu erwerben. Mit einem Partyzelt samt DJs, Smoothie-Bar, Karaoke- und Jukebox und einem Partyspiele-Parcours will das Unternehmen seine Kunden zusätzlich in Feier- und Einkaufslaune bringen – und die Kundenbindung zu seinen überwiegend jungen Kunden nachhaltig ausbauen.

Während sich derartige Bemühungen um Kundennähe und – bindung in den Umsatzzahlen durchaus bemerkbar machen, im Jahr 2022 erzielte die Schwarz Gruppe mit ihren Discountern Kaufland und Lidl über alle Geschäftsfelder hinweg einen Gesamtumsatz von von 154,1 Milliarden Euro, stößt der Lidl-Rock-Store bei Lebensmittelhändlern im Kreis auf Missfallen. „Er ist ein Schaden für die gesamte Region“, bringt es Melanie Koch, Geschäftsführerin des Adenauer Rewe-Marktes auf den Punkt.

„Das Umland von Adenau ist nicht groß. In Adenau leben rund 15 000 Haushalte. Wir haben hier aber eine Infrastruktur, die auf die Besucher des Nürburgrings ausgelegt ist“, führt Koch aus und betont in diesem Zusammenhang die Wirtschaftskraft des Nürburgrings: „Im Winter ist hier niemand, unser Hauptgeschäft machen wir im Sommer während der Ringsaison.“

Umsatzrückgang merklich spürbar

Einen Vorwurf möchte die Geschäftsfrau den Rock-am-Ring-Veranstaltern nicht machen, vielmehr seien diese unternehmerisch frei in der Wahl ihrer Vertragspartner. Dass die Entscheidung für Lidl jedoch Auswirkungen auf die Wirtschaft in der Region habe, sei jedoch nicht zu verkennen. „Sie hat Arbeitsplätze im Einzelhandel gekostet“, erklärt Koch nüchtern. Mit ihrer Einschätzung ist sie nicht allein. Auch der Edeka-Markt in Kempenich teilt auf RZ-Nachfrage mit, dass die unternehmerische Situation in der Region vor der Eröffnung des Discounter-Stores anders gewesen sei.

So habe sich das Rockfestival deutlich in den Umsatzzahlen bemerkbar gemacht. Doch diese Zeiten seien seit der Eröffnung eines Nahversorgers auf dem Festivalgelände vorbei. „Wenn die Besucher erst einmal da oben angekommen sind, kommen sie nicht mehr zu uns runter zum einkaufen“, so die Einschätzung aus Kempenich.

Nürburgring wirkt sich positiv auf Region aus

Stellvertretend für alle Gewerbetreibenden lassen sich diese Aussagen allerdings weder ausweiten, noch durch eine Stellungnahme des Adenauer Gewerbevereins belegen. Selbiger war für eine Auskunft gegenüber der RZ nicht zu erreichen. Stellung zum Thema bezog hingegen Arnold Hoffmann, Stadtbürgermeister Adenaus. Hinsichtlich der Wirtschaftskraft erklärte Hoffmann, jede Veranstaltung am Nürburgring mache sich in der Region bemerkbar. So würden etwa Cafés und Geschäfte von anreisenden Besuchern frequentiert. Insgesamt wirke sich der Nürburgring mit seinen Veranstaltungen positiv auf die lokale Wirtschaft aus. „Die Großveranstaltungen bringen Umsatz in die Region“, betonte Hoffmann.

Im Hinblick auf die herausgehobene Position Lidls bei Rock am Ring merkte der Stadtbürgermeister jedoch an, dass sich die Wirtschaftskraft ein wenig abgeschwächt haben könnte. Ähnlich wie Rewe-Geschäftsführerin Melanie Koch will auch Hoffmann den Rockfestival-Veranstaltern keinen Vorwurf machen. Vielmehr betonte er, dass es sich bei dem Pop-up-Store um einen sogenannten fliegenden Bau handele, bei deren vorübergehender Errichtung die Stadt kein Mitsprache-/Einwirkungsrecht habe. Bei fliegenden Bauten handelt es sich nach der rheinland-pfälzischen Landesbauordnung um Bauten, die weder mit dem Erdboden fest verankert, noch mit der Absicht, sie dauerhaft an einem Ort zu errichten, aufgebaut werden.

Kaum Mitspracherechte

Anders als feste Bauten, bedarf ihre Errichtung keiner behördlichen Genehmigung. Im Hinblick auf den Lidl-Pop-up-Store betonte Stadtbürgermeister Arnold Hoffmann, da der Pop-Up-Store zu den fliegenden Bauten zähle, sei die Entscheidung der Festivalveranstalter hinzunehmen. Anders gestalte sich die Situation bei festen Bauten. „Da kann die Stadt schon geltend machen, wenn durch einen hinzukommenden Wettbewerber die wirtschaftliche Position der Gewerbetreibenden vor Ort geschwächt wird.“ Der Festivalveranstalter war bezüglich des Lidl-Pop-up-Stores gegenüber der RZ zu keiner zeitnahen Stellungnahme bereit.

Top-News aus der Region