Mit welchen Sorgen kommen Erwachsene und Jugendliche zu Psychologen und Sozialarbeitern?
Lebensberatung: Die zwei Seiten der Pandemie
Gleichzeitig am Laptop arbeiten und die Kinder betreuen: Viele Eltern sind durch die Gleichzeitigkeit von Homeoffice und Kita- sowie Schulschließungen durch die Corona-Pandemie besonders belastet. Foto: dpa
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Kreis Ahrweiler. Eingespielte Alltagsrhythmen in Familien gehen verloren, Kinder wollen abends nicht mehr ins und morgens nicht mehr aus dem Bett. Alleinlebende leiden unter der geforderten sozialen Distanz. Vorerkrankte und Ältere belastet einerseits die unsichtbare Bedrohung durch das Virus, andererseits aber auch die Isolation, in die sie durch die Schutzmaßnahmen geraten. Erfahrungen, die die Lebensberatung Kreis Ahrweiler in den vergangen 16 Monaten der Corona-Krise gemacht hat. 711 Kinder, Jugendliche und Erwachsene haben sich im vergangenen Jahr an das achtköpfige Team gewendet und um Hilfe in ihrer Lebenssituation gebeten.

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Und die Anforderungen an die Psychologen und Sozialarbeiter waren vielfältig. Neben den Problemen, die sich durch Trennung und Scheidung ergeben, meldeten sich viele Paare bei der Lebensberatung, die mit ihrem Partner nicht mehr kommunizieren können und sich auseinandergelebt haben. „Viele leiden an depressiven Verstimmungen und Depressionen. Ein Teil der Klienten wird auch durch kritische Lebensereignisse und Verluste belastet“, heißt es in der Jahresbilanz 2020 der Beratungsstelle des Bistums Trier in Bad Neuenahr-Ahrweiler.

Zugenommen hat im vergangenen Jahr die Zahl der Eltern, die zu einer sogenannten angeordneten Beratung vom Gericht zur Lebensberatung geschickt wurden und von Jugendlichen, die auf Grund einer richterlichen Anordnung Termine bei der Lebensberatung wahrnehmen sollten.

Vor allem Jugendliche tun sich mit der andauernden Pandemiesituation schwer, haben die Mitarbeiter der Lebensberatung festegestellt. „Die Jugendlichen landen schnell im Corona-Blues. Sie hören, dass das Virus für ihre Altersgruppe kaum gefährlich ist, dass sie aber als mögliche Überträger Rücksicht auf die Älteren zu nehmen haben. Nichts ist erlaubt, was für jeden Jugendlichen wichtig ist: die Clique treffen, Jobben, Partys, Schulabschlussfeiern, Fitnessstudio. „Die Schulanforderungen ohne Präsenzunterricht zu erfüllen, fiel Jugendlichen unterschiedlich leicht oder schwer. Wer sich gut selbst organisieren konnte, hatte sogar mehr Zeit für sich, Andere verfielen in antriebslose Episoden, kamen nicht aus dem Bett und fanden keine Motivation für ihre Aufgaben“, hat die Lebensberatung bei ihren Gesprächen im vergangenen Jahr festgestellt. Die Beratungen von Paaren im Corona-Jahr waren häufiger als sonst schon bei der Anmeldung mit Trennungsabsichten verbunden. Das enge Zusammensein ohne die Möglichkeit, außerhalb Ausgleich zum Alltagsstress zu finden, habe schon länger schwelende Konflikte eskalieren lassen. Streit habe sich vor allem um die Aufgabenteilung im Haushalt und bei der Kinderbetreuung, um finanzielle Fragen und um den Umgang mit Medien gedreht. „Finanzielle Sorgen wegen Kurzarbeit, Jobverlust, oder Angst um den Arbeitsplatz verschlechterten die Lage für alle Beteiligten. Eltern, die mit solchen Ängsten belastet waren, konnten auch den Kindern kaum Zuversicht in die positive Bewältigung der Krise vermitteln“, so die Lebensberatung in ihrer Bilanz 2020.

Die Berater kennen aber auch positive Beispiele, wie ihre Klienten mit der Pandemie umgegangen sind. „Ratsuchende gaben vor allem im ersten Lockdown an, dass durch die verordneten Einschränkungen auch eine wohltuende Entschleunigung entstanden sei.“ Zusammen kochen, backen, spazieren, basteln, spielen (digital oder smart!), Sport treiben und das Verschönern von Haus und Garten hätten für viele zum Standardprogramm gehört und seien intensiver gelebt worden als vor der Pandemie. „Ohne die tatsächlichen, finanziellen und gesundheitlichen Belastungen klein reden zu wollen, ist es doch vielen Menschen trotz der verordneten Einschränkungen der Mobilität, der Kontakte und der Freizeitmöglichkeiten gelungen, ihre Zufriedenheit zu bewahren“, so die Berater. ua

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