Experte sucht Nachfolger
Kreisweit einziger Pilzsachverständiger wohnt in Kripp
Ist auch wirklich jedes gesammelte Exemplar essbar? Am Ende einer pilzkundlichen Wanderung besieht sich der Pilzsachverständige Frank Krajewski die Korbinhalte sehr genau. Fotos: Archiv Judith Schumacher
Judith Schumacher

In der Pilzsaison gehen viele auf der Pirsch in der Hoffnung, eine leckere Mahlzeit mit nach Hause zu bringen. Dabei lauert die Gefahr, essbar mit giftig zu verwechseln. Sicherheit geben hier Pilzsachverständige – wie Frank Krajewski aus Kripp.

Lesezeit 5 Minuten

Frank Krajewski aus Kripp ist mittlerweile der einzige Pilzsachverständige (PSV) im Kreis Ahrweiler. Jetzt sucht er Nachfolger, die sich ebenso begeistert wie er in das Themengebiet vertiefen und sich intensiv mit dem weiten Feld der Mykologie beschäftigen, damit Pilzsammler weiterhin kompetente Ansprechpartner haben.

„Es wäre einfach schön, wenn sich auch junge Menschen für die Thematik erwärmen könnten.“
Pilzsachverständiger Frank Krajewski

Gerade ist der pensionierte Lehrer 77 Jahre alt geworden. Sein Kollege Klaus Niethen aus Adenau zählt mittlerweile 85 Lenze und hat seine Lizenz nicht mehr verlängern lassen. „Es wäre einfach schön, wenn sich auch junge Menschen für die Thematik erwärmen könnten. Es ist ein unglaublich lohnendes, aber auch verantwortungsvolles Gebiet“, sagt Krajewski.

Bestens eingedeckt mit aktueller Fachliteratur ist der Pilzsachverständige der Deutschen Gesellschaft für Mykologie (DGfM) Frank Krajewski aus Kripp.
Judith Schumacher

Er selbst hatte sich im Jahr 2001, nachdem Sinzigs Wildkräuter-Koch Jean-Marie Dumaine die ersten Trüffel an der Ahr fand und sich daraus der Ahrtrüffelverein gründete, ganz ins Thema Pilze und Trüffel gestürzt. Mittlerweile hat der Verein eine nicht nur in Fachkreisen viel beachtete Trüffiere bei Bad Bodendorf angelegt.

Um sich zu schulen, hat Krajewski an diversen Seminaren und Exkursionen teilgenommen und aktuelle Veröffentlichungen gelesen, um sein breites Fachwissen zu erweitern. „Die alten Pilzsammelbücher mit hübschen Zeichnungen sind zwar schön anzusehen, aber reichen bei Weitem nicht aus“, so der Fachmann.

„Manchmal stehen mir die Haare zu Berge, wenn ich sehe, was manche selbst ernannte Möchtegernkenner so von sich geben.“
Frank Krajewski

Interessierten rät er deshalb, nur an Kursen mit zertifizierten Sachverständigen der Deutschen Gesellschaft für Mykologie (DGfM) teilzunehmen. So etwa bei der Arbeitsgemeinschaft für Pilzkunde Vulkaneifel. Dort bietet unter anderem Klaus Röder aus Kradenbach interessante Exkursionen und Workshops an diversen Örtlichkeiten der Eifel an. „Der Vorteil ist: Hier sind auch Laien willkommen. Da wird geballtes Pilzwissen ohne Überheblichkeit vermittelt“, weiß Krajewski und erklärt: „Manchmal stehen mir die Haare zu Berge, wenn ich sehe, was manche selbst ernannte Möchtegernkenner so von sich geben.“

Der Erdstern ist schön anzusehen, aber für den Menschen ungenießbar.
Judith Schumacher

Die DGfM-Sachverständigen hätten die notwendigen Hintergründe und seien über die Gesellschaft auch haftpflichtversichert. „Wir kämpfen alle um staatliche Anerkennung, auch um eventuelle Fördergelder zu generieren“, erklärt Krajewski. Alle geprüften Pilzsachverständigen sind in der Liste der jeweiligen Giftnotrufzentralen aufgeführt, sofern sie sich bereit erklärt haben, dort zu erscheinen.

Sachverständige untersuchen oft Erbrochenes

Wie verantwortungsvoll dieser Zuständigkeitsbereich ist, zeigt sich auch, wenn der Kripper in seinem Notizbuch blättert. „Hier, 9. August, das Krankenhaus Maria Hilf in Bad Neuenahr ruft an. Das war nachts um 2 Uhr. Die wollten mir Erbrochenes von einer Frau mit Vergiftungserscheinungen schicken“, sagt er. Pilzsachverständige nehmen in solchen Situationen auch mikroskopische Untersuchungen am Erbrochenen vor.

Der Verdacht bei der Frau lautete, dass sie verdorbene Riesenschirmlinge gegessen haben könnte. Am Ende stellte sich heraus, dass sie Milch im Zusammenhang mit Pilzen nicht verträgt. Bei manchen derartigen Fällen sei es schon vorgekommen, dass Apotheken Patienten vor dem Erbrechen ein Mittel gegen Übelkeit ausgehändigt hätten. So etwas sei kontraproduktiv, das Zeug müsse raus aus dem Körper, auch um es untersuchen zu können.

Der goldgelbe Zitterling wächst überwiegend an toten Ästen und Zweigen.
Judith Schumacher

Auch bei seinen sehr unterhaltsamen Pilzexkursionen erklärt Krajewski immer wieder, dass nur Pilze bestimmt werden können, wenn sie im Ganzen gebracht werden, inklusive Hut, Stängel und Fuß. „Ich spreche da gern von einer Restfurcht. Der leiseste Zweifel muss dazu führen, dass man den kompletten Sammlerkorb oder später in der Küche das Gericht verwerfen muss“, betont der Sachverständige.

„Es gibt eben diese feinen Unterschiede, wenn man sich auskennt.“
Frank Krajewski

Da gäbe es kein „es könnte sein“ oder „vielleicht“. So musste er jemanden, der ihm einen großen Fund vermeintlicher Champignons zeigte, enttäuschen. „Das waren alles durchweg giftige Karbolegerlinge, die sich, am Fuß angeschnitten, gelb verfärben und nach alter Tinte riechen“, erinnert er sich. Gern würde auch die Frühjahrs-Giftlorchel (Lateinisch Gyromitra esculenta) mit Speisemorcheln verwechselt. „Bemerkenswert daran ist, dass ,esculenta‘ übersetzt essbar heißt“, erklärt Krajewski.

Den Begriff des giftigen Doppelgängers von Pilzen lehnt der Pilzsachverständige ab. Er wird aber landläufig akzeptiert. „Es gibt eben diese feinen Unterschiede, wenn man sich auskennt. So etwa hat der Gifthäubling im Gegensatz zum Stockschwämmchen silbrig überfaserte Stiele, während die Stiele des Stockschwämmchens eine braune, flockige Struktur besitzen“, nennt er ein Beispiel.

Der Prachtbecherling ist ein wohlschmeckender Speisepilz.
Judith Schumacher

Apropos Verwechslung: Das Betätigungsfeld eines Pilzsachverständigen ist vielschichtig. Auch eine Kindertagesstätte hatte sich schon an den Experten aus Kripp gewandt. Erzieherinnen hatten im Außenbereich der Kita Pilze gefunden, die sie als Kronenbecherling identifiziert hatten. Nach Sichtung der Fotos hegte Krajewski den Verdacht, dass da etwas nicht stimmen könnte. Ihm fiel auf, dass auf dem Gelände eine Zeder wuchs. Dies und die mikroskopische Untersuchung mit Sporenmessung brachte das Ergebnis, dass es sich um den noch giftigeren Zedernsandborstling handelt. Als Folge wurde das Außengelände gesperrt, die Zeder gefällt und Rollrasen aufgebracht.

Pilze sind schnell verwechselt

Noch ein Beispiel für Verwechslungen: Bei schweren und ungewöhnlichen Pilzvergiftungen soll der DGfM-Toxikologe Professor Siegmar Berndt durch den jeweiligen Sachverständigen informiert werden. In der aktuellen Zeitschrift für Mykologie berichtet dieser, dass im September 2024 Pilzsammler am Stadion des 1. FC Köln vermeintliche Hexenröhrlinge gesammelt hatten, die sich jedoch als Satanspilze herausstellten. Nach dem Verzehr von zwei dünnen Scheibchen des Pilzhuts kam eine Frau mit Übelkeit, heftigem Erbrechen und schwerem Durchfall ins Krankenhaus.

Hexeneier sehen beeindrucken aus und schmecken im frühen Stadium rettichartig.
Judith Schumacher

„Auch essbare Pilze sind – roh gegessen – extrem schwer verdaulich. Bei getrockneten Pilzen, die eine Haltbarkeitsgrenze von maximal zwei Jahren haben, neigt man dazu, zu viel davon zu essen“, weiß der Fachmann. Wird die Mahlzeit zudem noch falsch zubereitet, zu kurz gegart oder auch mit zu viel Fett, oder sind die Pilze schon verdorben, kann es zu einer gastrointestinalen Intoxikation kommen, also Übelkeit, Erbrechen, Schwindel, Koliken und so weiter, die im schlimmen Fall lebensbedrohlich sein kann. „Da gibt es nicht immer ein Antidot“, warnt Krajewski.

Marktbegutachtung macht Krajewski auch

Das gelte auch für gekaufte Pilze. So hat der Fachmann aus Kripp auch die Befähigung zur Marktbegutachtung: „Ich habe schon einigen von Händlern angebotenen Pilzen schlechte Noten geben müssen. Bei einem Testdurchlauf für das TV-Format ,Markt‘ gab es dreimal die Note 4 minus, bei den teuersten Pilzen zweimal eine 6.“

Krajewski berichtet zudem von einem Händler, der an einem Wochenende Steinpilze für 49 Euro das Kilo anbot. „Bei denen hatte ich schon gesehen, dass da Wurmlöcher an der Schnittstelle am Stiel zugestrichen waren, und ich riet dazu, diese zu entsorgen. Montags gab es die dann für 19 Euro das Kilo“, erzählt der Pilzsachverständige.

Der Vitalpilz Judasohr wird auch chinesische Morchel genannt.
Judith Schumacher

Nicht zuletzt rät Frank Krajewski ambitionierten Nachfolgern in spe, sich zusätzliches Hintergrundwissen etwa über die Geschichte der Pilze anzueignen. Dann ließen sich Veranstaltungen wie Vorträge und Exkursionen möglichst unterhaltsam gestalten, Sachverständige könnten dann quasi „Mykotainment“ anbieten, wie er es nennt.

Weitere Informationen gibt es unter www.ag-pilzkunde-vulkaneifel.de

Top-News aus der Region