Und so wird es auch zunehmend schwieriger, Menschen für ein Ehrenamt zu begeistern. Zum Beispiel für die Übernahme eines politischen Amts als Ratsmitglied oder gar als Ortsbürgermeister. Vor den Kommunalwahlen hat die Rhein-Zeitung Amtsträger aus dem Brohltal dazu befragt, wie sich möglicherweise das zwischenmenschliche Klima verändert hat, ob es zu Übergriffen kam und ob verbale Auswüchse zugenommen haben.
Thorsten Kabuth, Ortsbürgermeister von Hohenleimbach, spricht von der berühmten Insel der Glückseeligen. „Teils dumme Kommentare, wenn man zu viel Alkohol intus hat, kann man ja beim besten Willen nicht zum Maßstab machen.“ Er gibt zu, dass auch einmal kontrovers diskutiert wurde, in nahezu allen Fällen war Einzelbetroffenheit der Anlass. So etwa beim Straßenzustand oder das jüngst etablierte eingeschränkte Halteverbot in einem Bereich der Dorfstraße. Die Einwohnerfragestunde bei Ratssitzungen hält er für das falsche Forum zur Diskussion von Individualanliegen. Hierzu sollte man die angebotene Sprechzeit im Gemeindehaus nutzen, doch dies werde leider sehr wenig genutzt.
„Vieles ist eher Dorfklatsch. So ist das eben auf dem Dorf. Eine direkte Ansprache würde eher zum gewünschten Ziel führen.“ Kabuth hat festgestellt, dass er als Ortschef leider schon lange nicht mehr in der Lage sei, rasche und unbürokratische Lösungen zu finden und einfach mal zu machen. Schließlich sei er verpflichtet, die Gesetze gewissenhaft zu vertreten. „Eine Vielzahl von Aufgaben wird auf die Ebene der kommunalpolitischen Laienprediger verlagert. Man bürde diesen eine Verantwortung auf, der nicht jeder Amtsträger immer gerecht werden kann. Hieraus begründet sich wohl auch die Herausforderung, künftig überhaupt noch jemanden für die kommunale Selbstverwaltung der Orte zu finden. Der Basisdemokratie wurde mit der überbordenden Bürokratie damit ein Bärendienst erwiesen.“
Noch relativ neu im „Geschäft“ ist Günter Dietzler aus Königsfeld. „Angriffe irgendwelcher Art habe ich bisher keine registriert. Man wird zwar immer wieder von Bürgern angesprochen, wenn denen etwas nicht passt oder etwas schief gelaufen ist. Meist handelt es sich um private Angelegenheiten. Ich versuche dann, im Rahmen meiner Möglichkeiten zu helfen.“
Von Einzelfällen spricht auch Karl Gundert, seit fünf Jahren Ortsbürgermeister in Weibern. „Ob im persönlichen Gespräch auf der Straße oder in der Sprechstunde, im Kern ist es stets eine subjektive Betroffenheit beim Bürger. Oft werden wir als Amtsträger auf unterer Ebene in Sippenhaft genommen für Versäumnisse und überbordende Bürokratie auf höherer politischer Ebene.“ Das verlaufe aber meist in gesitteter Form, Übergriffigkeit habe er noch nicht erlebt.
Die ersten fünf Jahre als Ortsbürgermeister von Kempenich gehen demnächst für Dominik Schmitz zu Ende. Er kommt zu dem Schluss, dass das rheinland-pfälzische System mit Blick auf die ehrenamtlichen Ortsbürgermeister keine Zukunft habe. Dafür seien die täglichen Herausforderungen, Projekte und Themen einer Ortsgemeinde in der Größenordnung von Kempenich als Grundzentrum zu komplex. „Die immer größer werdenden bürokratischen Hürden und rechtlichen Vorgaben erschweren die Arbeit zusätzlich. Ich spreche hier von 15 bis 20 Wochenstunden, und es reicht nie. Hinzu kommt eine ständig wachsende Anspruchs- und Erwartungshaltung der Bürger. Eine sich immer weiter verändernde Kommunikation im Alltag über Medien wie WhatsApp, Messenger jeglicher Art, aber auch E-Mail fördert diese Haltung.“
Insgesamt werde der Tonfall bei Alltagsanliegen schneller forsch, und auch unterschwellige oder offene Beleidigungen seien an der Tagesordnung (und das oft bei Lappalien). Leider finde die Kommunikation oftmals hinter dem Rücken statt, und es werde auch hier und da Stimmungsmache betrieben. „Viele werden sich fragen, ob der Stress es überhaupt wert ist, und man nicht mehr Seelenfrieden hätte, wenn man sich nicht mehr einbringt. Demgegenüber stehen indes die erfolgreich umgesetzten Projekte und das oftmals von mir zitierte Gefühl des Miteinanders in einer funktionierenden Dorfgemeinschaft. Unser eigenes Lebensumfeld selber aktiv gestalten macht Spaß, setzt Kräfte frei.und gibt ein unbezahlbares Gefühl.“
Mit 15 Jahren am längsten dabei ist Frank Klapperich aus Spessart. „Es gibt auch bei uns auf dem Land Sorgen, die man ernst nehmen muss. Da muss auch mal etwas raus, da muss man sich Luft machen dürfen. Das muss ich als Amtsträger ertragen können. Damit muss jeder rechnen, der für ein solches Amt kandidiert.“ Bürger, die ihn im Supermarkt oder beim Spaziergang ansprechen, gibt er den guten Rat, seine Sprechstunden dafür zu nutzen. Vehement wehrt sich Klapperich gegen den Vorwurf, es wegen des Geldes zu machen. „Als ich erstmals gewählt wurde, war mir überhaupt nicht bewusst, dass es eine Aufwandsentschädigung gibt. Man wäre auch fehl am Platze, wenn das Pekuniäre eine entscheidende Rolle spielen würde. Mir macht es einfach Spaß, und es müsste schon einiges passieren, um mich von diesem schönen Ehrenamt zu trennen.“