Die Abrechnungen des Heimersheimer Backes aus den Jahren 1882 bis 1940 sind hier ordentlich und säuberlich handschriftlich von den jeweils verantwortlichen Backesmeistern aufgeführt. Allerdings in der damals gebräuchlichen Sütterlin-Schreibschrift. Damit sind sie für die meisten Mitmenschen heutzutage unlesbar und damit unverständlich. Gisbert Stenz hat sich die Mühe gemacht, das gesamte Rechnungsbuch in heute verständliche Schreibweise zu übertragen. „Nur zwei Worte konnte ich nicht entziffern,“ sagt der ehemalige Heimersheimer Grundschuldirektor, der in Heimersheim geboren wurde. Ein Zeichen dafür, dass die jeweiligen Backesmeister die Buchführung in ihrer besten Schreibschrift erledigt haben.
132 Seiten mit Fotos
Gisbert Stenz fungiert als Herausgeber des Druckwerkes, welches im Din A4-Format 132 Seiten mit Fotos und zahlreichen Faksimile-Aufnahmen der Originalseiten umfasst. Werner Schüller hat das Layout übernommen, der Heimersheimer Backesverein mit seinem Vorsitzenden Karl-Heinz Kettel hat das Projekt unterstützt.
Dass heute im ehemaligen Backes an der Grabenstraße wieder regelmäßig angeheizt und gebacken werden kann, ist einigen Heimersheimer Bürgern zu verdanken, die das marode Gebäude in jahrelanger Arbeit wieder nutzbar machten. Das druckfrische Backesbuch wurde kürzlich hier der Öffentlichkeit vorgestellt. Inmitten von regem Betrieb und dem Duft frischen Brotes.
Backesvereine treffen sich, um Brot zu backen
An diesem Tag war der Backesofen eingeheizt worden und in Aktion. Verschiedene Gruppen des Backesvereins treffen sich hier in regelmäßigen Abständen, um gemeinsam mit einem Profibäcker Brote und süßes Gebäck nach alter Tradition herzustellen. 45 Mitglieder hat der Verein. Wenn es um die alten Zeiten der dörflichen Backestradition geht, dann ist der 85-jährige Alt-Backesmeister Rudi Heimermann der ideale Informant. Im Buch zeugen einige Fotos von seiner jahrelangen Arbeit.
Das neue Backesbuch ist wie ein Guckfenster in vergangene Zeiten. Auf den ersten Blick sieht man nur Abrechnungen, Einnahmen und Ausgaben. Dem aufmerksamen Leser aber erzählen die Aufzeichnungen viele Einzelheiten über den Alltag der Menschen in früheren Jahren.
Historische Geschichten spannend erzählt
Die ersten Eintragungen beschreiben das Jahr 1882. Akribisch verzeichnet der Backesmeister jeden Posten. Wer hat für einen halben Sauerteig 30 Pfennig gelöhnt, wer wieviel Backlohn gezahlt und wer hat die Asche ersteigert? In diesem Jahr war es Bertram Steinheuer. Für 13 Mark konnte er nun die Backes-Asche eines ganzen Jahres als Dünger auf seinen Wiesen ausbringen. Auf der Unkostenseite schlugen Ausgaben für Arbeitslohn, Material, Werkzeug und bisweilen “Brandwein” zu Buche. 1885 kostete die Anschaffung von “Feuerschöpp und Ofendeckel” 3,50 Mark.
Im Laufe der Jahre änderten sich die Preise wenig, selbst während des Ersten Weltkrieges wurde das Backesbuch weitergeführt. Nur für 1917 fehlt die Abrechnung. Nachdem Heimersheim 1918/19 an das überregionale Stromnetz angeschlossen war, kam das elektrische Licht als neuer Ausgabenposten hinzu. Während der Hyperinflation der 1920er Jahre wurden die Spalten für die Geldbeträge recht eng. Die Gesamtausgaben im Jahre 1922 waren von 319 auf 1525 Mark angewachsen. Mit Ausgaben von knapp 108 Milliarden Mark schloss die Endabrechnung 1923. 2,9 Milliarden Mark kostete in dem Jahr allein der Strom für den Monat Oktober. 1924 gingen die Beträge dann in die Billionen.
Mit der neuen Währung startete der Backes mit einem Kassenbestand von 5,57 Mark und hatte sich bis 1940 auf fast 100 Mark erholt.
Im Buch findet sich eine Einführung von Gisbert Stenz und mehrere informative Texte zum Thema. Es kostet 16,50 Euro und ist erhältlich in der Ahrtor-Buchhandlung in Ahrweiler im Ellig und in der Moses Buchhandlung.