„Das Ahrhochwasser von 2021 ist nicht im Wald entstanden“, macht Forstamtsleiter Winand Schmitz gleich zu Beginn des Treffens mit Nachdruck deutlich. Man spürt im Gespräch sofort, dass es bei der Suche nach den Ursachen der Flutkatastrophe in der Vergangenheit Vorwürfe und gegenseitige Schuldzuweisungen gegeben haben muss. Doch Schmitz lässt keinen Zweifel aufkommen: „Wir im Forst haben unsere Arbeit schon zu großen Teilen gemacht. Das heißt aber nicht, dass wir nicht auch noch ein bisschen besser werden können.“

Es geht um die Fähigkeit des Waldes, Regenwasser zu speichern und zurückzuhalten. Denn dazu ist das Ökosystem Wald eigentlich von Natur aus geradezu beispiellos in der Lage. Gesunde Waldböden können wie ein Schwamm viel Regenwasser aufsaugen. Aber auch die Pflanzen selbst sind in der Lage, beachtliche Wassermengen in ihren Kronen und auf ihren Blättern zurückzuhalten, von wo aus es oft gleich wieder verdunstet. Interzeption nennen Fachleute diese Fähigkeit. Und sie ist größer, je gesünder und naturnäher ein Wald ist.
2021 war eine Ausnahmesituation
Das Forstamt Adenau umfasst große Teile des Einzugsgebiets des oberen Ahrlaufs – dort, wo im Juli 2021 nach vielen Regentagen mit anschließendem starken Dauerregen die Böden derart wassergesättigt waren, dass alle natürlichen Speicherkapazitäten ausgeschöpft waren. Eine Ausnahmesituation, wie Schmitz deutlich macht, die auch ein aus wasserwirtschaftlicher Sicht optimaler Wald nicht hätte verhindern können, ist er sich sicher.
Die Gesamtfläche des vom Forstamt Adenau betreuten Waldes umfasst etwa 25.500 Hektar, was gut 250 Quadratkilometern entspricht. 41 Prozent der Fläche sind Gemeindewald, 21 Prozent Staatswald und 38 Prozent Privatwald. Das Forstamt bewirtschaftet und betreut dabei laut Eigendarstellung den Staatswald, die Wälder von 43 Gemeinden, 17 Kirchen, der Nürburgring GmbH und einer Vielzahl von Privatwaldbesitzern – und zwar nicht als Selbstzweck, sondern durchaus mit wirtschaftlichem Hintergrund. Der Holzeinschlag beträgt etwa 75.000 Festmeter im Jahr.
„Das kann auch der beste Wald nicht leisten.“
Winand Schmitz, Leiter des Forstamts Adenau
Dass der Wald auch im Juli 2021 viel Regenwasser zurückgehalten hat, davon ist der Forstamtsleiter überzeugt. Aus seiner Sicht lagen die Probleme damals, und auch heute noch, eher in den Offenlandbereichen oberhalb der Wälder, etwa im Bereich des Trierbachs und der westlichen Ahrzuflüsse. „Wenn tatsächlich irgendwo große Wassermassen aus den bewaldeten Ahrhängen herausgeschossen kamen, so war das oberhalb aus großen Feldfluren hineingelaufen. Mit vielleicht einmal 200 Metern Wald im Ahrhang lässt sich eben nicht der Wasserabfluss des gesamten darüber liegenden Offenlandes auffangen“, beschreibt Schmitz die Situation.
30 bis 35 Millionen Kubikmeter Wasser hätten laut Berechnungen von Hydrologen im Jahr 2021 zurückgehalten werden müssen, um die katastrophale Flut auf das Niveau des „Jahrhunderthochwassers“ von 2016, bei dem es keine Todesfälle zu beklagen gab, abzusenken. „Das kann auch der beste Wald nicht leisten“, meint Winand Schmitz.

Dennoch bemüht man sich im Forstamt Adenau, die Wasserspeicherfähigkeit des Waldes zu erhöhen. Auch das geschieht nicht uneigennützig, hilft es doch dem Ökosystem Wald, den Trockenstress, der durch mehrere Dürrejahre in der Vergangenheit entstanden ist, abzumildern. „Wir haben etwa die Anzahl der Forstwege, die nach Starkregen oft zu Abflussrinnen werden, deutlich reduziert. Dazu haben wir seit der Flut etwa 1,5 Millionen Euro in den Einbau von Rigolen in viele Wege des Staatswaldes investiert.“
Die Rolle des Wegebaus im Wald
Im Wald, unweit der Hohen Warte, kann Winand Schmitz zeigen, was es mit den sogenannten Rigolen auf sich hat. Dort, im steilen Gelände des Ahrgebirges, ist der bergseitige Hang frisch bearbeitet. „Hier mussten wir die Böschung etwas zurückversetzen, um Platz für einen Graben zu schaffen.“ Der Graben neben dem Weg mündet etwa alle 100 Meter in eine Vertiefung mit großen Gesteinsbrocken.
Diese künstliche Gesteinslage zieht sich unter dem Weg durch und ermöglicht es dem Wasser, dort langsam hindurchzusickern, um auf der anderen Wegseite an geeigneter Stelle in den tiefer gelegenen Wald zu fließen. Der Weg selbst nimmt so keinen Schaden und bildet für das abfließende Wasser und den Wald kein unüberwindbares Hindernis – auch wenn der Aufwand für den Einbau solcher Rigolen enorm ist.

Eine weitere Möglichkeit, die Wasserhaltefähigkeit des Waldes zu erhöhen, ist ein gesunder Wald mit einem vielfältigen und gestuften Aufwuchs von Jungbäumen. Aber das zu erreichen ist nicht einfach, nach mehreren Trockenjahren mit entsprechend nachfolgendem Käferbefall der vorgeschädigten Bäume.
Auch das Wild ist in manchen Bereichen ein Problem. Dazu führt Schmitz in einen Fichtenbestand. Dort ist ein kleiner Bereich eingezäunt, in dem ein üppiger Aufwuchs von Jungfichten, Laubbäumen und Büschen zu sehen ist. Außerhalb des Gatters ist es dagegen, abgesehen von den großen Fichten, ziemlich kahl gefressen. „Es will ja niemand einen Wald ganz ohne Wild, aber ein gewisses Gleichgewicht sollte doch im Interesse aller liegen“, meint Schmitz, der selbst passionierter Jäger ist.

An anderer Stelle wird der Jungaufwuchs der nächsten Waldgeneration gezielt gefördert. „Hier haben wir den alten Bestand etwas ausgelichtet und mehrere Klumpen eingebracht“, erklärt Forstamtsleiter Schmitz. Klumpen nennt der Forstwirt dichte Gruppen von etwa 30 Jungbäumen in einem älteren Bestand, die sich von dort aus ganz natürlich weiterverbreiten und eine bessere Durchmischung mit jungen Bäumen und anderen Arten fördern.
Kann der Wald also künftig Katastrophen wie die von 2021 verhindern helfen? „Allein ganz sicher nicht und in solchen Extremfällen wie damals im Juli sicher auch nicht“, meint Schmitz. Aber wenn alle Beteiligten, von Forstwirten über Jäger, Landwirte und Wasserwirtschaftler, an einem Strang ziehen, könnte das Ausmaß des nächsten großen Ahrhochwassers weit weniger katastrophal ausfallen als 2021. Der Forstamtsleiter in Adenau ist jedenfalls dabei, seinen Teil dazu beizutragen.