Herr Dr. Ritter, Sie sind 2015 als einziger Gegenkandidat zum Amtsinhaber Pföhler bei der Landratswahl angetreten; zudem 2017 bei der Bürgermeisterwahl in Bad Neuenahr-Ahrweiler und 2019 bei der Ortsvorsteherwahl. Ist für Sie die aktuelle Kandidatur etwas anderes?
In der Tat! Sie ist für mich eine Gewissensangelegenheit. Ich verbinde damit persönlich sehr viel. Mein Ziel ist es, den Leuten die Angst zu nehmen und ihnen eine begründete Hoffnung auf eine gemeinsame glückliche Zukunft hier im Kreis zu geben. Dafür würde ich mich mit all meinem Wissen und meiner Erfahrung als langjährig praktizierender und progressiv denkender Architekt mit all meiner Kraft einsetzen.
Sie fokussieren sich auf den Wiederaufbau im Ahrtal und den Hochwasserschutz. Was haben Sie den Wählern in den nicht von der Flut betroffenen Städten, Gemeinden und Orten zu bieten?
Einiges! Da ist zum einen, dass ich als parteiloser und wirklich unabhängiger Landrat vielfach unabhängig und frei viele Dinge entscheiden oder mitentscheiden könnte, Vorgaben und Empfehlungen aussprechen könnte. Ich würde bürgernaher auftreten als der bisherige Amtsinhaber, gäbe jedem die Möglichkeit, sich im Kreis einzubringen.
So könnten insbesondere höher gelegene Regionen im Kreis, etwa die Grafschaft, davon profitieren, dass Betriebe und Einrichtungen im von der Flut betroffenen Ahrtal vorübergehend oder auch dauerhaft neue Unterbringungs- und/oder Fertigungsmöglichkeiten suchen. In einigen Gebieten könnten Innovationsparks errichtet werden, die sich auch mit Produkten beschäftigen, die im Zusammenhang mit der vorgesehen Neuausrichtung des Kreises und auch mit flutpräventiven und/oder flutentlastenden Maßnahmen benötigt werden.
Ähnlich den schon hier im Kreis produzierten E-Rollern könnte man auch den Bau von E-Flugtaxis im Kreis ansiedeln.
Sie treten als parteiloser Bewerber an. Hinter Ihnen steht kein Parteiapparat oder eine etablierte Wählergemeinschaft, die Sie personell oder finanziell unterstützt. Wie finanzieren Sie Ihren Wahlkampf?
Den Wahlkampf finanziere ich vollständig aus eigenen Mitteln. Ich mache im Wesentlichen alles selber – und das alles neben meiner eigentlichen Arbeit als selbstständiger Architekt und als derzeit im Flutgebiet beratender Architekt im Auftrag der Architektenkammer.
Dies gewährleistet, dass ich authentisch bleibe, zeigt zeitgleich, was ich alles kann und dass ich belastbar und in der Lage bin, viele Dinge zeitgleich unter Druck tun zu können. Mit anderen Worten: Da, wo Dr. Axel Ritter draufsteht, ist auch Dr. Axel Ritter drin. Trotzdem: Einige Helfer, etwa fürs Aufhängen von Wahlplakaten, habe ich schon!
Beschreiben Sie die Position des Landrats aus Ihrer Sicht!
Aus meiner Sicht muss der Landrat in der Lage sein, die Bürger zu schützen, und sie in ihren Bestrebungen zu unterstützen. Er sollte für sie ein Vorbild sein, freundlich und fair. Er ist Chef einer großen Verwaltungsbehörde, sollte aber auch Moderater, Macher und Visionär sein.
Beschreiben Sie kurz, wo steht der Kreis AW heute, wo soll er in acht Jahren stehen?
Heute steht der Kreis in großen Teilen vor einem Trümmerhaufen. Etwa ein Drittel des Kreises ist unmittelbar durch die Flut stark beschädigt oder zerstört. Mittelbar weit mehr. Was aber viel mehr wiegt, ist die Tatsache, dass man traumatisiert ist, Angst hat, dass so etwas wieder passieren kann. Warum soll man dann wiederaufbauen? Deshalb ist es wichtig und absolut notwendig, dass der neue Landrat diese Angst nimmt und Hoffnung macht auf eine gemeinsame glückliche Zukunft hier im Kreis.
Ich wünsche mir in acht Jahren einen Kreis, in dem die Menschen einander mehr achten, in dem man freundlicher und fairer miteinander umgeht. Wenn ich Landrat werde, ist in acht Jahren ein nachhaltiges Flutentlastungskonzept für den gesamten Kreis in großen Teilen umgesetzt. Man arbeitet auch mit den benachbarten Ländern in dieser Sache zusammen. Aus dem Ahrtal ist ein „Solahrtal“ geworden, der Kreis kann sich nun zu 98 Prozent mit Strom aus erneuerbaren Energien versorgen.
In vielen Teilen des Kreises gibt es dann Innovationsparks, in einigen davon werden Bauteile für flutpräventive Maßnahmen hergestellt, andere beschäftigen sich mit der Forschung und Entwicklung von neuartigen Materialien und Produkten, auch für die Bauwirtschaft. Auch meine Ziele, besondere alte Bauwerke zu erhalten und innovative Bauwerke zu fördern, sind eingetreten: Nun gibt es einen Mix aus traditionell geprägten mit innovativen und neuartigen, etwa besonders anpassungsfähigen Bauwerken.
Wie muss eine Verwaltung in einer digitalen Welt in Zukunft aufgestellt sein?
Durch Corona hat die Digitalisierung einen spürbaren Schub erhalten. Soll die digitale Welt in einer Verwaltung funktionieren, muss sichergestellt werden, dass alle Abläufe reibungslos laufen und es auch genügend reale Mitarbeiter gibt, die einsatzbereit sind. Automatisierte Abläufe müssen allgemein menschlicher gestaltet werden, keine abgehackten anonymen Bandansagen ohne ein visuelles Abbild einer Person, mit der ich kommuniziere. Personalisierte, 3-D-animierte Avatare wären möglicherweise ein Mittel in der Zukunft, um hier mehr Akzeptanz zu erhalten. Eines dürfen wir aber keinesfalls außer Acht lassen: den Datenschutz.
Was stellen Sie sich unter einer Modellregion vor?
„Modellregion“ bedeutet, dass der Kreis, insbesondere nach dem Wiederaufbau – bei mir heißt es übrigens „Wiederaufbau plus“ – für viele Regionen in Deutschland, aber auch für das europäische Ausland, beispielhaft zeigt, wie eine Region es schafft und geschafft hat, sich in eine in vielerlei Hinsicht attraktive und zeitgemäße moderne Region zu wandeln; die gelernt hat, mit unterschiedlichen Arten von Fluten, mit denen sie weiter konfrontiert sein wird, effektiv und nachhaltig umzugehen weiß, dafür geeignete Konzepte entwickelt und auch umgesetzt hat oder umsetzten wird.
Dass man bereit war, der Ahr und ihren Nebenbächen ausreichend Raum zu lassen, um sich temporär ausbreiten zu können, dass zusätzliche passive und aktive (hier: aktivierbare, mit Pumpen versehene) Wassersammelvolumina und, da wo möglich, Flutumlenkungsmöglichkeiten geschaffen werden und wurden. In einer Modellregion würde die E-Mobilität gefördert und dazu beispielsweise die Dichte an E-Ladesäulen gegenüber heute vervielfacht.
Bis 2030 will der Kreis zu 100 Prozent Strom aus erneuerbaren Energien beziehen. Ist das noch zu schaffen und wie?
Das dürfte nicht leicht werden, ist aber aus meiner Sicht machbar. Schön wäre es, wenn aus dem Ahrtal tatsächlich ein „Solahrtal“ werden würde, was ich übrigens unterstütze, entwickle ich doch seit mehr als 20 Jahren energieautarke Gebäude. Ich würde die Umwandlung von Gebäuden und den Neubau von Gebäuden in Nullenergie- und auch Plusenergiegebäude fördern.
Zu den Energie generierenden Anlagen können neben den bekannten Solarmodulen auch Kleinstwindkraftanlagen gehören. Im Zusammenhang mit größeren flutentlastenden Maßnahmen kann ich mir durchaus auch aktive Wasserrückhaltebecken vorstellen, die wie Pumpspeicherkraftwerke funktionieren und Strom generieren könnten.
Was stellen Sie sich unter moderner Mobilität im ländlichen Raum vor, wie ist sie im Kreis umsetzbar und was schlagen Sie vor?
Im Moment werden verstärkt autonom fahrende Fahrzeuge entwickelt. Obwohl ich kein Freund von zu vielen Vorschriften bin, könnte man Strecken beispielsweise zur Verringerung von Lärmemissionen temporär nur für elektrisch und/oder mit Wasserstoff betriebene Fahrzeuge freigeben. Zum Beispiel in der Eifel, im Bereich des Nürburgrings.
Auch kann ich mir vorstellen, dass man mehr – vielleicht auch manchmal kleinere – Fahrzeuge einsetzt, die auf Abruf („On Demand“) Personen – und möglicherweise auch Güter – befördern. Zusätzlich wären möglicherweise die gerade in der Entwicklung befindlichen Flugtaxis interessant, insbesondere wenn schnell entlegene Orte im Kreis Ahrweiler erreicht werden sollen. Diese Flugtaxis könnten für den Tourismus genutzt werden.