Neuer Schwung im Einzelhandel
Junge Generation entdeckt Potenzial Ahrweiler
Im Geschäft von Christina Danneil gibt es besondere Shoppingerlebnisse. Hier legt regelmäßig ein DJ auf.
Beate Au

Eine neue Generation hat das Potenzial von Ahrweiler entdeckt und den Einzelhandel in dem Stadtteil nach der Flut neu belebt. Entstanden sind neue Geschäfte, die überraschend anders sind. Unsere Zeitung hat drei von ihnen besucht.

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Handverlesene Secondhand- und Vintageware, Skateboards und eine feine Auswahl an Vinyl – wer in den Shop von Christina Danneil in der Ahrhut in Ahrweiler hineinkommt, fühlt sich ein bisschen wie in einem urbanen Raum. Dass sie es Ahrweiler zutraut, dass ihr Konzept mit dem Namen „ʞiosk“ hier funktioniert, zeugt von dem Potenzial, das eine neue Generation im Mauerrund gerade für sich entdeckt. Unsere Zeitung war unterwegs auf der Suche nach Neuem und hat drei junge Unternehmerinnen getroffen, die im Einzelhandel mit frischen Ideen durchstarten und die Geschäftswelt neu beleben.

Die Skateboard-Szene kann sich bei Christina Danneil eindecken.
Beate Au

„Ich muss gerade noch eine Story auf Social Media raushauen“, so Christina Danneil. Das können Neuigkeiten über gerade eingetroffene coole neue Sneakers sein, aber auch die Ankündigung, dass bald wieder ein bekannter DJ hier auflegen wird. Denn in dem Geschäft in der Ahrhut gibt es auch Plattenspieler, die sich bei den hier regelmäßig stattfindenden Sessions drehen.

Wo früher in der Ahrhut ein Spielwarengeschaft war, ist urbanes Flair eingezogen.
Beate Au

Seit November 2024 gibt es „ʞiosk“ in Ahrweiler. Hinter der Idee „Kiosk“, geschrieben mit einer umgedrehten Glyphe, verbirgt sich ein Angebot, das geläufig, aber auch anders sein soll, wie Christina Danneil erklärt: „Man kann reinschauen und überrascht sein.“ Zum Beispiel vom Sound, der Kunden empfängt: Soul und Funk, aber auch House oder Hip-Hop. „Ahrweiler ist unwahrscheinlich offen, auch kulturell“, so Christina Danneil.

Die 44-Jährige, Mutter von vier Kindern, findet es spannend an der Ahr. Ahrweiler wurde zum Lebensmittelpunkt, weil sie und ihr Mann Torben aus beruflichen Gründen einen Wohnort in der Mitte Deutschlands suchten. Nach der Flut sahen sie die Chance, den Wiederaufbau hier mitzugestalten. „Wir bringen uns beispielsweise ein, indem wir kulturelle Veranstaltungen für alle bieten.“

„Wir bringen uns beispielsweise ein, indem wir kulturelle Veranstaltungen für alle bieten.“
Christian Danneil

Bei der Auswahl der Ware setzt Danneil auf Marken, die im Umkreis bis Köln nirgendwo zu haben sind. Das sei ein Alleinstellungsmerkmal. Außerdem deckt der Shop auch den Bedarf für die Skateboarder ab. Torben Danneils, ehrenamtlich beim Verein Ahrche engagiert, gibt Kurse für Skateboarding. „Die Boards können sich die Kunden individuell zusammenbauen lassen“, so Christina Danneil.

Sie sieht Ahrweiler wieder gut aufgestellt. Eines findet sie jedoch schade, und damit ist sie nicht allein unter den Einzelhändlern, dass diejenigen, die von Anfang an Flagge gezeigt und durchgehalten haben, nicht vom Förderprogramm profitieren können, das leer stehende Ladenlokale füllen soll. Innerhalb dieses Projekts mietet die Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler verwaiste Ladenlokale zu 70 Prozent der ursprünglichen Kaltmiete an. Diese Flächen können dann zu deutlich vergünstigten Konditionen an Dritte weitervermietet werden. Die Differenz wird durch die Förderung des rheinland-pfälzischen Innenministeriums mitgetragen.

Laura Schäfer hat sich mit junger Mode in Ahrweiler selbstständig gemacht.
Beate Au

Zu denjenigen, die bereits 2023 den Sprung nach der Flut den Sprung in den Einzelhandel gewagt haben, gehört die 25-jährige Laura Schäfer, die mit ihrer Boutique C.A.L.M. in der Ahrhut/Ecke Plätzerstraße – ein Concept-Store für bezahlbare Mode – vor allem jüngere Menschen ins Ahrtal locken will. Sie zog mit ihren Plänen und ihrem Elan in das nach der Flut verwaiste Ladenlokal ein. „Die Flut war grauenvoll und schrecklich, aber irgendwie wollte ich einen Beitrag für den Wiederaufbau leisten“, sagt sie, denn sie fühlt sich mit ihrer Heimat sehr verbunden und nutzte die Chance, ihren Traum in Ahrweiler zu verwirklichen.

Junge Mode statt Leerstand

„Mode war immer schon mein Hobby“, so Schäfer, die nach dem Wirtschaftsabitur eine kaufmännische Ausbildung gemacht hat. Ihre Stammkunden kommen aus Bonn, Köln, Koblenz, aber auch aus dem Ahrtal. Sie hat das Gefühl, dass nach der Flut viele junge Familien ins Ahrtal gezogen sind, das Publikum habe sich auch in Ahrweiler deutlich verjüngt. Dass der Einzelhandel mit Konkurrenz im Internet zu kämpfen hat, entmutigt sie nicht. „Viele Kunden haben keine Lust mehr aufs Kaufen im Internet. Das haben sie während der Coronazeit oft genug gemacht und wissen es umso mehr zu schätzen, im stationären Einzelhandel einkaufen zu können“, so Schäfer.

Lea Engels hat ein Händchen für Dekorationen. In der Niederhut verkauft die 23-Jährige Wohnaccessoires.
Beate Au

In der Niederhutstraße hat sich die 23-jährige Lea Engels mit Dekondenz Wohnaccessoires eingerichtet. Angeboten wird dort eine Vielzahl unterschiedlicher Vasen, Körbe, Lampen, Acrylglasbilder, Seidenblumensträuße, Kleinmöbel und vieles andere. Seit 2023 hat sie sich hier niedergelassen und leidet momentan unter der Baustelle vor der Tür. „Die Kunden kommen nicht mehr so einfach in die Straße hinein. Die Baustelle schreckt ab“, hat sie beobachtet. Die Umsätze gingen zurück und seien momentan sehr schwach, nachdem es anfangs gut gelaufen sei. Sie muss nun die Durststrecke überwinden und hat den Einkauf der Ware auf die Situation umgestellt.

Umsatzschwund wegen der Baustelle

Nun hofft sie darauf, dass es schnell vorwärtsgeht mit der Baustelle. In einem so jungen Alter die Verantwortung für ein solches Geschäft zu übernehmen, das wäre ohne die Unterstützung durch die Familie nicht machbar, erzählt sie. Wer in ihr Reich eintritt, wird inspiriert von ihren Dekorationen, bekommt eine Idee davon, was man mit Kissen, Lampen, Spiegeln oder Seidenblumen gestalten kann. „Alle vier bis fünf Wochen dekoriere ich saisonal um“, berichtet Lea Engels.

Dass ihr Job sehr zeitintensiv ist, nimmt sie in Kauf. „Selbstständigkeit ist das, was ich möchte. Ich bin am liebsten mein eigener Chef.“ Dafür nimmt Engels in Kauf, dass die bei Altersgenossen gern gelebte Work-Life-Balance minimiert ist.

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