Schneiderkunst in Krälingen
Julia Morische eröffnet ihr eigenes Atelier
Julia Morische eröffnet ein Schneideratelier in Krälingen.
Ulrike Walden

Individuelle Kreationen zu fairen Preisen: Genau das will Schneidermeisterin Julia Morische den modebewussten Kunden rund ums Ahrtal bieten. Zu diesem Zweck hat sie sich das Atelier „FräuleinM.Couture“ eingerichtet.

Lesezeit 4 Minuten

Erlesene Schneiderkunst, könnte man glauben, gibt es nur in der großen Stadt. Dort, wo betuchte Kundschaft flaniert. Doch Julia Morische hat sich mit ihrem Atelier „FräuleinM.Couture“ in Krälingen niedergelassen. Also auf dem platten Land. Nach bewegten Jahren ist sie in die Heimatregion zurückgekehrt. Damit will sie ein Zeichen setzen: Der ländliche Raum braucht Gründer, die sich trauen, Dörfer mit Innovationen, Mut und Optimismus zu beleben. Wer die Modedesignerin kennenlernen möchte, kann sie am Tag der offenen Tür besuchen: am Samstag, 28. Juni, 12 bis 14 Uhr, Ahrstraße 50.

Das perfekte Hochzeitsgewand

Das Ambiente ist fröhlich. Ein großer Spiegel, witzige Modezeichnungen an den Wänden, bunte Kissen auf den Stühlen, eine Schneiderpuppe, die ein Etuikleid mit pfiffigen Schößchen trägt. Diese Stoffstreifen kann man abnehmen und das klassische Kleid dann mit Ledergürtel oder Blazer kombinieren. Auch ein Brautkleid ist zu sehen, schlicht, bauschiger Rock, ein bisschen Spitzenborte. Julia Morische (41) liebt es über alles, Frauen das perfekte Hochzeitsgewand anzupassen. Es soll deren einzigartige Persönlichkeit unterstreichen.

Julia Morisches Leben ist eine Abenteuerreise zum eigenen Ich. Nach dem Abitur hat sie erst einmal Kunstgeschichte und Philosophie in Trier studiert – „weg von zu Hause, aber nicht zu weit weg“. Das war nicht das Richtige, zu verkopft. Schon vorher hatte sie mit dem Gedanken an ein Modedesign-Studium gespielt und sich auch um eine Schneiderlehre bemüht. Aber: „Wir bilden nicht mehr aus“, hörte sie immer wieder. Zu schlecht seien die Chancen, danach einen passenden Arbeitsplatz zu finden.

Handwerkliche Perfektion und Kreativität machen eine Maßschneidemeisterin aus.
Ulrike Walden

Also Geisteswissenschaften, eine Weile auch Medizin, Jobs, in mehreren Städten, zwischendurch Nähkurse, sehr gern für Kinder. Dann rückte, irgendwie unausweichlich, wieder die Schneiderkunst in den Fokus. Julia Morische absolvierte die Modedesignschule Manuel Fritz in Mannheim. Seit dem vergangenen Jahr ist sie Maßschneidermeisterin.

Wieder nach Hause zurückgekehrt

Und nun lebt sie „nach 20 Jahren wieder da, wo ich früher unbedingt wegwollte. Ich öffne die Tür zu meinem Atelier und bin dort, wo ich hingehöre“. Die Menschen im Dorf haben sie mit offenen Armen aufgenommen. Sie freuen sich darüber, dass es nun eine Schneidermeisterin in ihrer Mitte gibt. Die Räume ihres Ateliers hat früher schon ein Schneider genutzt.

Besonders gern entwirft Julia Morische Brautkleider.
Ulrike Walden

Ihre Profession ist etwas ganz Besonderes: Sie erfordert handwerkliche Perfektion, lebt aber auch von der Freude an Experiment und kreativem Ausdruck. Auf ihrer Internetseite (www.fraeuleinmcouture.com) zitiert sie Christian Dior: „Mode ist eine Erinnerung an Träume und Fantasien.“ Obendrein macht ein gut sitzendes Kleid einfach glücklich – auch die Frau, die es genäht hat. Julia schwört auf die Nähmaschine ihrer Mama, setzt aber auch ein Overlock-Gerät ein, das Nähte perfekt versäubert.

Gegenentwurf zu Fast Fashion

Ihr Handwerk ist das Gegenmodell zu Fast Fashion, also jener Textilproduktion, die Massen an billigen Klamotten auf den Markt schmeißt. Fast Fashion habe fatale Folgen, sagt Morische. Die Organisation Greenpeace meldet: „Mehr als 3500 verschiedene Chemikalien werden in der Produktion von Fast-Fashion-Kleidung eingesetzt. Viele davon sind umwelt- und gesundheitsschädlich: Sie gefährden die Menschen während der Produktion, gelangen über die Abwässer der Textilfabriken in kostbares Trinkwasser und zerstören wichtige Lebensräume von Tieren wie Pflanzen.“

Entwürfe zeigen, wie verspielt Morisches Mode sein kann.
Ulrike Walden

Julia Morische wendet sich also an jene, die lieber wenige hochwertige Stücke im Kleiderschrank haben als jede Menge Zeug. Sie will individuelle Kreationen zu fairen Preisen anbieten. Aber sie kürzt auch einfach mal eine Hose. Wer Lust hat, kann bei ihr lernen, Kleidung selbst zu nähen. Denn Julia Morische gibt Kurse, ausschließlich in Einzelstunden. Die kosten 90 Euro und dauern viermal je 2,15 Stunden. Den Zeitpunkt dürfen die Kundinnen wählen. In Morisches Atelier können sogar Kinder erste Versuche an der Nähmaschine unternehmen.

Kleidung für Mädchen und Jungen

Weil sie Kinder mag, entwirft sie für diese auch besondere Kleidung, die Jungen und Mädchen gleichermaßen gefällt. Die Marke heißt „Larry loves you“. Sie stehe „für eine neue Art von Kindermode: genderneutral, mutig, frei. Jedes Teil wird mit Liebe und Handwerkskunst entworfen – bequem, urban, voller Persönlichkeit. Inspiriert von Streetwear, gemacht für Spielplatz, Alltag und Bühne“.

Die Bühne ist auch noch so ein Sehnsuchtsort. Morische sagt, sie würde gern mal Kostüme für eine Metal-Band entwerfen, für so eine wie Disturbed, jene Gruppe aus Chicago, Illinois. Ja, sie ist ein „Metal Head“. Die Fans dieser wuchtigen Musik seien die entspanntesten Menschen überhaupt. Auch in der Gothic-Szene hat Julia Morische zeitweise eine Heimat gefunden – vor allem wegen der fantasievollen Kostüme.

Ein Tattoo zeigt die Schneiderschere mit Schleife. Symbol einer großen Leidenschaft.
Ulrike Walden

Einige Facetten ihrer Persönlichkeit zeigt Julia Morische mit ihren Tätowierungen. Ein Arm ist ihrer Lieblingsstadt Paris gewidmet. Den anderen ziert eine Schneiderschere mit praller roter Schleife. Und dann gibt es noch das Goethe-Zitat auf der Haut: „Willst du immer weiter schweifen? Sieh, das Gute liegt so nah. Lerne nur das Glück ergreifen: Denn das Glück ist immer da.“

Top-News aus der Region