Was der Jugendmigrationsdienst im Kreis leitet - Sprachkurse sind zentraler Bestandteil - Behörden sind nicht selten überfordert
Jugendmigrationsdienst im Kreis Ahrweiler: Wenn die Sorgen von Zugewanderten Alltag sind
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Ania Sikkes und Ruth Fischer vom Jugendmigrationsdienst der Caritas haben langjährige Erfahrung mit der Integration von jungen Menschen im Kreis Ahrweiler. Foto: Judith Schumacher
Judith Schumacher

Die Diplom-Sozialpädagogin Ruth Fischer ist seit 32 Jahren dabei. Ihre Kollegin, die Diplom-Pädagogin Ania Sikkes, seit zehn Jahren. Die Arbeit des Jugendmigrationsdienstes (JMD) der Caritas fordert sie ganz und gar, aber sie erfüllt sie auch.

In ihrem Einzugsbereich, zu dem auch Mayen gehört, betreuen die beiden Pädagoginnen aktuell 327 junge Menschen zwischen 12 bis 26 Jahren, davon 221 im Kreis Ahrweiler. Unterstützung bekommen die beiden, die jeweils eine Vollzeitstelle innehaben, von Elena Jenzen, die eine halbe Stelle bekleidet und derzeit auch von Lea Mutzke, die ihr praktisches Studiensemester im Rahmen ihres Studiums Soziale Arbeit absolviert.

Der Bedarf ist weitaus höher. Wir könnten noch mehr arbeiten, aber das geht nicht.

Diplom-Sozialpädagogin Ruth Fische

„Doch der Bedarf ist weitaus höher. Wir könnten noch mehr arbeiten, aber das geht nicht“, betont Ruth Fischer. Einmal in der Woche ist die Beratungsstelle im Caritas-Gebäude am Ahrweiler Bahnhof besetzt, einmal im Monat die in der Verbandsgemeinde Altenahr. Ania Sikkes ist regulär einmal wöchentlich im Sinziger Jugendzentrum HoT und ebenso im Pfarrsaal Bad Breisig anzutreffen.

Wie geht es nach Schule oder Sprachkurs weiter?

Das Gros ihrer Arbeit beim JMD, rund 90 Prozent, bezieht sich auf das Klientel zwischen 18 und 26 Jahren. Darunter auch junge Männer und Frauen, die nach der Schule oder einem Sprachkurs nicht wissen, wie es weiter gehen soll. „Manche hängen in der Luft, weil ihnen unser Bildungssystem nicht bekannt genug ist. Wir beraten sie bei ihren Wegen in die Ausbildung, auf eine weiterführende Schule oder zum Studium“, erklärt Ania Sikkes.

Der JMD berät aber auch, wo und wie die Klienten Deutschkurse besuchen können. „Mittlerweile ist es glücklicherweise so, dass man keine Aufenthaltserlaubnis braucht, um einen Integrationskurs besuchen zu können. Das sinnlose und erzwungenermaßen tatenlose Warten ohne eine wirkliche Perspektive hat in der Vergangenheit viele richtig gehend kirre gemacht“, weiß Ruth Fischer.

Kurse sind begehrt

Die Sprachkurse sind begehrt. Zwar habe sich durch den Aufnahmestopp von Flüchtlingen im von der Flutkatastrophe gebeutelten Ahrtal die Situation etwas entspannt, aber die Plätze seien immer schnell ausgebucht. Derzeit besuchen 85 Personen die Sprachkurse, davon 55 aus dem Kreis Ahrweiler. In der Berufsbildenden Schule der Kreisstadt werden für Auszubildende im Pflege- und im Hotel- und Gaststättenbereich neben der Nachhilfe über die Agentur für Arbeit (ASA plus) nun auch sogenannte Azubi-Berufssprachkurse angeboten. Dozenten aus den beiden Fachrichtungen werden in einem angepassten Sprachunterricht eingesetzt, dessen Aufgabe die berufsspezifische Wortschatzerweiterung von Azubis ist. „Selbst, wenn es noch keine Aufenthaltserlaubnis geben sollte, kann während einer Ausbildung eine Ausbildungsduldung ausgesprochen werden“, unterstreicht Ruth Fischer.

Zu den Aufgaben des JMD gehört auch die Begleitung bei Ehegattennachzug. „Im Flüchtlingssommer 2015 sind vor allem junge Männer aus Syrien gekommen, die jetzt ihre Ausbildung abgeschlossen haben, und ihre Frauen zu sich holen möchten. Sie sind inzwischen hier gut vernetzt“, erklärt die Sozialpädagogin. Sie nennt ein Beispiel: „Einer arbeitet als zahnmedizinischer Fachangestellter und hat seine Frau auch in der Praxis unterbringen können, weil er glaubt, so werde sie schneller Deutsch lernen.“

Erfolgsgeschichten machen Mut

Glücklich ist ihre Kollegin darüber, dass eine junge Dame, die als 14-jähriges Mädchen aus Afghanistan floh, mit Eltern, die Analphabeten sind, hier inzwischen gut angekommen ist und mittlerweile Pharmazie studiert. „Sie hat die Barbarossaschule in Sinzig und dann in Bonn die Oberstufe besucht und lebt noch immer in Sinzig“, erzählt Ania Sikkes. Auch freut sie sich über einen jungen Syrer, der 2015 im Alter von 22 Jahren nach Waldorf und dann zu ihr kam. „Er hat seinen Meister als Dachdecker in der Tasche, ist selbstständig und hat kürzlich mein Dach repariert“, sagt sie strahlend. Glücklich sind die beiden JMD-Mitarbeiterinnen, dass einige derer, die sie betreut haben, ihnen als Sprachvermittler zur Verfügung stehen.

Überall fehlen Fachkräfte

Allgemein beobachten Ruth Fischer und Ania Sikkes folgende Probleme: „Eine Überforderung quer durch alle Systeme, von Aufnahmeeinrichtungen über Behörden bis zum Bildungssystem – der Fachkräftemangel lässt grüßen“, sind sich beide einig. Sorge bereite auch vielen ihrer Klienten die Passpflicht in Deutschland. „Wir haben da etwa einen jungen Vater, der mehr als 2000 Euro ausgeben muss, um für sich und seine Familie den Aufenthalt zu verlängern. Und diese Ausweise gelten nicht wie bei uns zehn Jahre, sondern nur zwei. Das heißt, dass viele deswegen Schulden machen müssen“, erklärt Ania Sikkes.

Neu und ein Dilemma ist laut Ruth Fischer folgende Regelung: „Alle männlichen Ukrainer ab einem Alter von 16 Jahren müssen, um ihre Reisepässe zu verlängern, in die Ukraine. Doch sie müssen auch einen Vertrag unterschreiben, dass sie zum Militärdienst eingezogen werden können. Sie haben große Angst, da dann nicht mehr raus zu kommen.“

Beratung und Begleitung wichtig

„Gute Beratung und Begleitung von Zugewanderten ist notwendig. Ich weiß nicht, wie es nächstes Jahr politisch im Haushalt des Bundesministeriums für Soziales aussieht. Weder darf unsere Arbeit eingeschränkt werden, noch darf etwas Wichtiges wie etwa das Respekt-Coaches-Projekt gestrichen werden. Mit diesem Kooperationsprojekt von JMD und Schule werden Schülerinnen und Schüler bei der Entwicklung ihres Demokratieverständnisses unterstützt, um Radikalisierungsprozessen vorzubeugen“, bekräftigt Ruth Fischer.

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