„Dass es einen Jahrgang 2021 gibt, ist eminent wichtig für das Weinanbaugebiet. Es wird ein besonderer Jahrgang sein“, so Knut Schubert, Geschäftsführer des Weinbauverbandes Ahr. Aber dazu gehört auch, weinbaurechtlich die Wege dafür zu ebnen, dass der Ahrwein unter dieser Bezeichnung auch vermarktet werden kann, wenn er beispielsweise in einem Partnerweingut an der Mosel ausgebaut wird. Gebraucht werden auch jede Menge externe Helfer, die untergebracht werden müssen. Damit die Ernte aber überhaupt eingefahren kann, muss die Strom- und Wasserversorgung zuverlässig funktionieren. In der Winzergenossenschaft Mayschoß-Altenahr wird derzeit mit Hochdruck daran gearbeitet, die defekte Elektronik in der Traubenannahme zu reparieren. „Was wir aber bis zum Lesebeginn dringend brauchen, ist eine hinreichende Stromversorgung über Westnetz und Wasser in Trinkwasserqualität. Mit Brauchwasser können wir keine Tanks ausspülen“, so Matthias Baltes, Geschäftsführer der Winzergenossenschaft. „Das wird innerhalb der verbleibenden sechs bis sieben Wochen zwar sportlich, aber die Ernte ist unser Kapital für morgen. Das muss jetzt funktionieren“, so Baltes. Der Weinverkauf läuft hier jetzt über den Onlineshop, in der Vinothek in Walporzheim soll ein Notverkauf angeschoben werden.
„Wir schaffen das“, spricht Peter Kriechel für die Ahrwinzer, und die Betonung liegt auf dem Wir. Zusammen mit Linda Kleber vom gleichnamigen Restaurant in Ahrweiler hat er mit dem Projekt Flutwein die inzwischen deutschlandweit größte Crowdfunding-Aktion angestoßen. „Beim Einsammeln von Spenden über diesen Weg haben wir bereits die Zwei-Millionen-Euro-Marke geknackt“, freut er sich über die überwältigende Resonanz auf die Idee, mit dem Benefizverkauf der vor der Flut geretteten Flaschenweine einen Gemeinschaftstopf zu füllen, der den Familienbetrieben im Weinbau im Ahrtal und Gastronomen für den Wiederaufbau ihrer Existenzen zugutekommen soll. Die Winzer haben keine Zeit, auf offizielle Unterstützung zu warten, sondern müssen handeln. In Rekordzeit wurde dafür der gemeinnützige Verein „Ahr – A wineregion needs Help for Rebuilding“ gegründet und ein Spendenkonto eingerichtet. Auch wenn die Flaschen noch Spuren der Flut tragen, seien sie unbedenklich, was auch das Landesuntersuchungsamt bestätigt habe. Jede werde beprobt, so Kriechel. Für den Versand des Flutweins wird jetzt eine Logistik aufgebaut. „Doch das alles kann nur ein Tropfen auf den heißen Stein sein“, sagt Kriechel angesichts der Verluste, die sich allein bei dem von der Flut geraubten gelagerten Wein auf rund 50 Millionen Euro summierten. Hinzu kämen zerstörte Maschinen, Gebäude und Weinbergsflächen nahe der Ahr, zwischen Marienthal und Dernau waren sogar Hanglagen betroffen. Mit der Gastronomie seien für viele Winzer zudem auch wichtige Absatzmöglichkeiten weggebrochen.
„Momentan ist es sogar schwierig, manche Lagen zu erreichen“, berichtet Kriechel. „Mit den Helfern werden Treffpunkte ausgemacht, von wo aus sie dann zu den einzelnen Rebzonen gebracht werden“, so Kriechel, der beeindruckt ist von der großen Solidarität. Sie füttert einen Helferpool, der momentan in den Wingerten die nächste Ernte rettet. Organisiert und zugeteilt werden die Einsatzkräfte über die Internetplattform Ahrwinzerhilfe. „60 bis 90 Kollegen aus allen Anbaugebieten sind angereist, um bei den jetzt notwendigen Laubarbeiten zu helfen. Der Zusammenhalt ist enorm“, freut sich Kriechel. Der wird auch bei der bevorstehenden Ernte gebraucht, wenn es um den Jahrgang 2021 geht. Aktuell sei man dabei, einen Gerätepark und Keller für die Lese zu organisieren, die solidarisch genutzt werden können. Viele externe Hilfsangebote und Ausweichmöglichkeiten sind dabei zu koordinieren. Immerhin seien die Traubenannahmen der Dagernova in Bad Neuenahr und Dernau noch einsatzbereit.
Die Dagernova habe noch Glück gehabt, zieht der Vorsitzende Dominik Hübinger eine erste Bilanz. Der Sachverständige habe den Schaden auf einen mittleren siebenstelligen Bereich geschätzt. An Liegenschaften sind die Eventhalle und die Vinothek in Dernau betroffen. Hübinger empfiehlt, sich mit Jammern nicht lange aufzuhalten, sondern mit „Vollgas nach vorn zu gehen.“
„Wer leben will, muss weitermachen“, zitiert Weinbaupräsident Hubert Pauly einen Satz, den er im Katastrophengebiet irgendwo aufgefangen hat und der ihm gefällt. Er selbst ist von der Flut stark betroffen. „Ich habe nichts mehr. Von der Schere bis zum Traktor ist alles weg“, so Pauly. Aber er ist froh, dass er noch lebt. Gestern sei ein Gutachter da gewesen, der auch nach dem Hochwasser an der Elbe mit der Schadensaufnahme beauftragt war. „Nicht zu vergleichen mit dem, was hier an der Ahr passiert ist“, habe er ihm gesagt.
Beate Au