„Es gibt nach wie vor viele Hürden zu überwinden, bis regional erzeugte Produkte im Supermarktregal liegen können. Das Thema ist unheimlich aktuell“, betonte Jasmin Sani, Moderatorin der digitalen Podiumsdiskussion. Durch die Corona-Krise sei der Gesellschaft vor Augen geführt worden, wie wichtig eine regionale Versorgung mit Nahrungsmitteln ist. Der Trend zu nachhaltigen und vor allem regionalen Produkten habe sich dadurch im vergangenen Jahr nochmals verstärkt.
Das konnte Parviz Azhari, Inhaber der zwei Rewe-Märkte in Sinzig und Mülheim-Kärlich, aus eigener Praxis nur bestätigen: Seit Beginn der Pandemie hat sich in seinen Märkten der Absatz von regionalen Produkten im Vergleich zum Vorjahr um 33 Prozent erhöht. „Regionale Produkte haben gegenüber Bioprodukten inzwischen überhandgenommen“, so Azhari. Trotzdem sei Bio aber immer noch sehr im Trend. Einer Studie zufolge achten rund 83 Prozent der Verbraucher beim Lebensmitteileinkauf auf eine regionale Herkunft.
Aber wo fängt Regionalität an, und wo hört sie auf? Darya Hirsch vom Internationalen Zentrum für Nachhaltige Entwicklung der Hochschule Bonn/Rhein-Sieg wollte sich in dieser Hinsicht nicht genau festlegen. Das Problem: Der Begriff „Regionalität“ ist alles andere als genau definiert. „Jeder von uns hat eine gewisse Vorstellung davon“, so Hirsch. Bei Rewe zählen Produkte, die aus einem Umkreis von 50 Kilometern kommen, als regional, berichtete Parviz Azhari: „Da zählen die Nachhaltigkeit und die kurzen Wege.“
Doch sind regionale Produkte wirklich immer nachhaltiger als solche, die im Ausland produziert wurden? Im Falle von Tomaten schon: Bei solchen, die im beheizten Treibhaus produziert wurden, fallen 9300 Gramm Kohlendioxid (CO2) an, bei saisonal und regional produzierten Biotomaten sind es dagegen gerade einmal 35 Gramm, rechnete Darya Hirsch vor. Wer etwas für die Umwelt tun will, sollte frische Tomaten also am besten nur im Sommer kaufen. Auch bei Äpfeln kommt es auf die Jahreszeit an: Im Frühjahr knackige Äpfel zu kaufen, die per Schiff aus Neuseeland oder Südafrika zu uns kommen, sei keine Sünde, denn zu dieser Zeit lagern regional produzierte Äpfel bereits seit Monaten im CO2-intensiven CA-Lager.
Immer klimaschädlich sei hingegen Obst, das per Flugzeug ins Land kommt – Flugananas oder Flugmangos etwa. Aus Sicht der landwirtschaftlichen Erzeuger sprach Bernd Göbel. „Die Landwirte hier können produzieren – auch in Bio“, betonte er. Die Produkte aber auch regional zu vermarkten, ist eine ganz andere Sache. Dafür fehle es in Rheinland-Pfalz einfach an Struktur. „Jahrelang ging die Richtung nur in Richtung Weltmarkt“, so Göbel. In Bayern und Baden-Württemberg gebe es hingegen schon mehr kleinere regionale Ketten – bei uns sei das erst im Kommen. „Die Nachfrage ist da. Aber in der Wertschöpfungskette haben wir hier in Rheinland-Pfalz durchaus noch Nachholbedarf“, fasste Jasmin Sani zusammen. Auch ansonsten haben regionale Anbieter Hindernisse zu überwinden, um ihre Produkte an die Kunden zu bringen. Rewe-Marktinhaber Azhari steuerte ein konkretes Beispiel bei: Zwei Monate habe er darum gekämpft, endlich auch regionales Biorindfleisch in der Frischetheke anbieten zu können. Um dafür die Zertifizierung zu bekommen, mussten zig Vorgaben erfüllt werden – auch solche, die auf den ersten Blick sinnlos erscheinen. Längst ein festes Bein in der (Supermarkt-)Tür hat dagegen die Mosenmühle in Brohl-Lützing: Ihre Mehle gibt es inzwischen nicht nur in der Mühle selbst, sondern vielerorts zu kaufen.
Alle, die an der Diskussion der Kreis-Grünen teilgenommen haben, waren sich in einem einig: Die heimische Produktion und Vermarktung von Lebensmitteln muss weiter gestärkt und bei den Verbrauchern ein Bewusstsein für den Wert regionaler Produkte entwickelt werden.
Auf gutem Weg befindet sich da bereits der Verein Solidarische Landwirtschaft Rhein Ahr (Solawi), in dem 120 Mitglieder von einem Landwirt aus Wehr mit Gemüse versorgt werden. „Im Pandemiejahr haben wir regen Zulauf gehabt“, berichtete Nathalie Klasen von Solawi – so viel Zulauf, dass viele Interessenten abgewiesen werden mussten. „Wir leben nicht nur von Kohl und Kartoffeln“, schmunzelte Klasen. Neben Gemüse erhalten die Solawi-Mitglieder auch Brot und Eier, und demnächst sollen auch regional produzierte Obstsorten und Wein hinzukommen.
Doch wo bleibt bei so viel Regionalität noch der Sinn für Bio? Das fragte sich Claudia Thelen, Sinziger Lokalpolitikerin und Inhaberin des Bioladens Gänseblümchen. Langfristig gesehen, müsse mehr Biolandwirtschaft her in die Region. „Denn was nützt es, wenn es regional ist und trotzdem Blaukorn auf dem Feld liegt?“, fragte sie in die Runde.