Podiumsdiskussion
Hospiz im Ahrtal schaut auf Tabus im Leben mit Fußball
Auf dem Podium diskutierten (von links) Mannie Breuckmann, Harm Osmers, Uli Weidenbach und Edgar Steinborn.
Martin Ingenhoven

Fußball ist ihr Leben und manchmal auch seelische Last zugleich. Wie Profisportler mit dem Leistungsdruck umgehen, ist eine Frage, die zum zehnten Geburtstag des stationären Hospizes Ahr aus einer neuen Perspektive beleuchtet wurde.   

Was Profis zu erzählen haben

Der Suizid von Bundesliga-Spieler Robert Enke im Jahr 2009 schlug damals hohe Wellen. Es folgten zahlreiche Beileidsbekundungen, eine eindrucksvolle Gedenkfeier und die Versicherung, dass nun alles besser werde im Profifußball. Doch wie steht es aktuell um den Leistungsdruck im Fußball? Dazu hatte der Ex-FIFA- und Bundesliga-Schiedsrichter Edgar Steinborn zum zehnten Geburtstag des stationären Hospizes im Ahrtal eine Podiumsdiskussion organisiert.

Eingeladen war der FIFA- und Bundesliga-Schiedsrichter Harm Osmers. Dieser hat jüngst Bekanntheit erlangt als derjenige Schiedsrichter, der Torwartlegende Manuel Neuer die erste Rote Karte seiner Profikarriere verpasste. Ebenfalls zu Gast war Uli Weidemann aus Bad Neuenahr-Ahrweiler. Er spielte einst in der höchsten Amateurklasse, ist im Besitz einer DFB-Trainerlizenz und mittlerweile als Filmemacher unterwegs. Die Moderation übernahm der als „Stimme des Ruhrgebiets“ bekannte Sportkommentator Manfred „Manni“ Breuckmann.

Etwa 60, zumeist männliche Zuschauer waren zur Podiumsdiskussion im Rahmen der Reihe "Leben und sterben lassen" des Hospizvereins Rhein-Ahr erschienen.
Martin Ingenhoven

Welche Rolle die Öffentlichkeit und die Medien spielen

Wo ist die Gemeinsamkeit zwischen Leistungsdruck und Tod? Diese Frage stellte Steinborn vor etwa 60, zumeist männlichen Zuhörern in den Raum, um sie sogleich selbst zu beantworten. „Das verbindende Element zwischen unseren Themen, Druck und daraus resultierende Erkrankungen sowie der Hospizarbeit, ist das Tabu, die Dunkelheit“, gab der ehemalige Schiedsrichter und heutige Hospizbotschafter zu bedenken. „Wir Menschen sind gut darin, Dinge zu verdrängen, solange sie uns nicht betreffen. Das ist völlig normal“, so Steinborn weiter.

Moderator Breuckmann erinnerte an den Suizid des Torwarts Robert Enke. Dies sei nicht der einzige schreckliche Vorfall gewesen. So habe zum Beispiel der Deutsche Fußballbund darüber nachgedacht, nach dem versuchten Suizid des Ex-Schiedsrichters Babak Rafati das angesetzte Spiel kurzerhand von einem anderen Unparteiischen leiten zu lassen. „Zum Glück hat man das aber abgesagt“, betonte Steinborn und erinnerte zugleich daran, dass die anderen Mitglieder des Schiedsrichtergespanns kurz nach dem Vorfall von zahlreichen Medienvertretern bedrängt worden seien. Babak Rafati sei mittlerweile nicht mehr als Schiedsrichter tätig, sondern arbeite als Mentalberater, klärte Breuckmann auf.

Sportmoderator Manfred "Manni" Breuckmann führte durch die Podiumsdiskussion "Leistungsdruck im Profifußball".
Martin Ingenhoven
„Ottmar Walter hat mir einmal gesagt, dass seine größte Leistung nicht der Gewinn der Weltmeisterschaft 1954 war, sondern dass er sich nach seinem Suizidversuch wieder gefangen hat.“
Filmemacher Uli Weidenbach

Sowohl Osmers als auch Steinborn gaben zu bedenken, dass gerade eine aufbauschende Berichterstattung mit für den starken Druck im Fußball verantwortlich sei. Uli Weidenbach hielt dem entgegen, dass der Druck immer schon da gewesen sei, sich aber mittlerweile anders äußere. „Ottmar Walter hat mir einmal gesagt, dass seine größte Leistung nicht der Gewinn der Weltmeisterschaft 1954 war, sondern dass er sich nach seinem Suizidversuch wieder gefangen hat“, erzählte der Filmemacher. Zugleich erinnerte er an zahlreiche Fußballspieler der 1970er- und 1980er-Jahre, die versucht hätten, den Leistungsdruck mit Alkohol zu kompensieren.

Dass neben Spielern auch Schiedsrichter im Profifußball einem Leistungsdruck unterlägen, bestätigten sowohl Harm Osmers als auch Edgar Steinborn. „Als ich Manuel Neuer die Rote Karte gezeigt habe, spielten mir meine Freunde zahlreiche Medienberichte zu. Die meinten das gut. Aber ich verfolge das nicht. Ich ziehe mich aus vielen Dingen einfach raus, um mich zu schützen“, erklärte Osmers über seinen Umgang mit heftigen Reaktionen. Auch Steinborn hat sich nach einer Fehlentscheidung schon auf der Titelseite einer überregional erscheinenden Zeitung gefunden.

Die anschließende Publikumsdiskussion entfernte sich leider ein wenig vom eigentlichen Thema des Abends – zu groß war offenbar die Neugier, einen leibhaftigen Bundesliga-Schiedsrichter befragen zu können. Manni Breuckmann moderierte souverän, schlagfertig, mit viel Witz und reicherte den Abend mit zahlreichen Anekdoten an. Die insgesamt gelungene Veranstaltung war Teil der Reihe „Leben und sterben lassen“ des Hospizvereins Rhein-Ahr anlässlich des zehnten Geburtstages des stationären Hospizes im Ahrtal.

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