Minister auf Exkursion
Hochwasserschutz ist nicht nur im Ahrtal ein Thema
Die Umweltminister machten im Rahmen ihrer Exkursion ins Ahrtal auch in Rech Station.
Hans-Jürgen Vollrath

Wie sieht es mehr als drei Jahre nach der Flutnacht im Ahrtal aus? Wie läuft der Wiederaufbau? Worauf kommt es dabei an? Auf diese Fragen bekamen die Umweltminister bei ihrer Exkursion durchs Tal Antworten.

Beinahe unangenehm frisch pfeift der Wind auf der Baustelle im Ahrtal zwischen Dernau und Rech. Ein Bauarbeiter hantiert mit der Fernsteuerung für den Kran, dessen Arm sich in luftiger Höhe zu drehen beginnt. Daneben machen sich Fachleute an der Armierung für noch zu gießende Betonteile zu schaffen. Der Aufbau im Ahrtal schreitet voran. Von Dernau her nähert sich unterdessen ein ungewöhnlicher Konvoi. Von Polizeifahrzeugen eingerahmt, rollen zwei weiße Busse, wie sie aus dem ÖPNV bekannt sind, über die teils schlammige Baustraße heran. Die Fahrzeuge halten direkt vor der Baustelle, und die Busse spucken ihre Fahrgäste aus. Hoher Besuch, denn niemand Geringeres als die Umweltminister aller Bundesländer befinden sich auf Exkursion in das von der Flut gebeutelte Ahrtal.

Auf der Baustelle zwischen Dernau und Rech erfuhren die Umweltminister etwas über den Stand der Arbeiten an der Gewässerstruktur der Ahr und über die künftige Nutzung der Aue.
Hans-Jürgen Vollrath

Schnell ist die Lautsprecheranlage aufgebaut und das Mikro herumgereicht. Die Ministerriege samt Mitarbeiter erwarten nach den Tagungen im Steigenberger Hotel in Bad Neuenahr-Ahrweiler weitere Informationen in Sachen Hochwasserschutz und Wiederaufbau. Die Sonne ist schon weg, die Temperaturen fallen. Hier und da rutscht der Kopf ein Stück tiefer in den Mantelkragen. Doch die äußeren Umstände sind klaglos hinzunehmen, das Thema ist einfach zu wichtig. Selbst für die Minister, in deren Ländern sich bisher noch keine Flutkatastrophen wie die im Ahrtal abgespielt haben. Man will schließlich gewappnet sein – und wo lässt sich mehr über Folgen des Klimawandels und die Lehren daraus lernen als auf „Deutschlands größter Baustelle“, wie es die rheinland-pfälzische Umweltministerin Katrin Eder als Gastgeberin nennt?

Wissenswertes zum Hochwasserschutz zwischen Dernau und Rech

Ehe das große Frieren beginnt, greifen die Experten aus dem Ministerium in Mainz und der Wissenschaft zum Mikro. Die vorläufig als Überschwemmungsgebiet ausgewiesene Ahraue zwischen Dernau und Rech soll über das Bodenmanagement, zu dem auch Neuerungen für die Eigentümer von Grund und Bodens zählt, wieder genutzt werden können. Früher wuchs dort Wein im Flachlagenanbau, heute ist nur noch Wiese übrig. Eine erneute Nutzung ist das Ziel, nur muss eben der Ahr für den Fall der Fälle mehr Platz eingeräumt werden. Zudem biete die Katastrophe die Chance, sich der Gewässerentwicklung an sich zu widmen, heißt es weiter. Flussbett aufweiten, Abfluss von Wassermassen verbessern, lauten da die zentralen Aufgaben. Dadurch ließe sich der Wasserstand bei einem hundertjährigen Hochwasser um 60 Zentimeter absenken.

An der Casinobrücke in Bad Neuenahr-Ahrweiler nahm die Exkursion der Umweltminister ihren Anfang, ehe eine Stippvisite im Rathaus auf dem Programm stand.
Hans-Jürgen Vollrath

Noch mehr Input gibt es in Rech, an dem Ort, an dem die historische Nepomukbrücke längst nicht mehr zu bewundern ist. Wieder läuft das bekannte Prozedere ab: Die Fahrgäste strömen auf den Parkplatz, die Lautsprecheranlage steht im Nu, und schon machen Fakten die Runde. Apropos Brücke. Im Schnitt alle 700 Meter überspannt eines dieser Bauwerke die Ahr, zumindest ist das vor der Flut der Fall. Sie sind längst als ein entscheidender Faktor für die Flutkatastrophe ausgemacht. Denn der durch sehr viel Treibgut ausgelöste „Verklausungseffekt“ staute in der Flutnacht die Wassermassen immer weiter auf.

Braucht es wirklich 700 Brücken über die Ahr?

An der "Bunten Kuh" traf der Ministerkonvoi auf protestierende Landwirte.
Hans-Jürgen Vollrath

Steht also die Frage im Raum: Brauchen wir wirklich so viele Brücken im Ahrtal? Klar ist hingegen, alle Brücken, die neu aufgebaut werden, sollten die Ahr nicht nur höher überspannen, sie sollten auch auf weniger Pfeilern ruhen. Denn das verhindert eben jenen Verklausungseffekt entscheidend, lassen die Experten wissen. Die neue Nepomukbrücke wird künftig in einem leichten Bogen verlaufen, nur noch von zwei Pfeilern getragen, sagt einer der Wissenschaftler. Und er merkt an, dass „wir schneller werden müssen, mit unseren Verfahrenswegen“. Das dauere einfach zu lang, Stichwort Bürokratie. Eine Botschaft, die Bundesumweltministerin Steffi Lemke an der exponierten Stelle und für die Ohren der Ministerrunde „bestens platziert“ empfindet.

Die Tagungen im Rahmen der Umweltministerkonferenz finden im Steigenberger Hotel im Raum Ahrtal statt.
Hans-Jürgen Vollrath

Zwar nicht im Ablaufprotokoll vorgesehen, dennoch genauso wichtg: Dernaus Ortsbürgermeister David Fuhrmann greift sich das Mikro und möchte etwas loswerden. Er beschreibt die Schwierigkeiten, auf die die Dernauer beim Versuch stoßen, den regen Vereinen im Ort wieder einen Sportplatz anbieten zu können. „Wir wünschen uns verkürzte Verfahren, weil es ansonsten einfach zu lange dauert“, sagt Fuhrmann, ehe er auf einen zweiten Punkt zu sprechen kommt, dem viel zitierten HQ100, also das alle 100 Jahre in der Heftigkeit auftretende Hochwasser. Dafür hatte das Ministerium in Mainz den Durchflusswert jüngst hochgesetzt, der in die Berechnungsgrundlage für Vorhaben im Rahmen des Wiederaufbaus einfließt. Fuhrmann sieht darin ein Problem: „Das Ganze ist für uns schwer nachvollziehbar, und es hat sicher Auswirkungen auf Projekte, die wir vorhaben.“ Da werde es noch Gespräche geben müssen, meint er. Worte, die die Ministerriege und Landrätin Cornelia Weigand mit in den Bus nehmen.

Konferenz in der Kreisstadt fortgesetzt

Als es später beginnt, zu dämmern, löst sich die mit Kuchen und Wasser aufgelockerte Runde in Rech auf. Die Minister zieht es fröstelnd in die Busse. Das weitere Konferenzprogramm in der Kreisstadt wartet. Wie sie den Besuch im Ahrtal und die neu gewonnenen Erkenntnisse in die Arbeit rund um den Hochwasserschutz für die Menschen in ihren Ländern nutzen, wird die Zukunft zeigen. Dass sich aktuell die Bauern wieder ihrem Protest gegen die Politik widmen, erleben sie im Ahrtal hautnah, als die Traktoren aus Dernau kommend am Konvoi vorbeituckern.

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