„Wershofen, die Delta 98 ist abflugbereit an der Winde“, kaum hat Uwe Bodenheim diesen Satz durchgegeben, setzt sich das Segelflugzeug auf dem Wershofer Flugplatz in Bewegung. Während die weiße-rote Maschine von einer in einem Kilometer entfernt stehenden Winde mit zunehmendem Tempo über die nur rund 100 Meter lange Startbahn gezogen wird, beginnt der dunkle Belag unter dem Flieger bereits wenige Augenblicke nach dem Start zu verschwinden. Der Bordtacho klettert binnen Sekunden auf 120 Stundenkilometer, die Maschine ruckelt und rattert, der Wind heult und der Druck, der die Insassen in die Sitze presst, ist deutlich im Bauch zu spüren.
Rund drei Sekunden nach dem Start schließlich erlösende Stille. Der Zweisitzer ist abgehoben. Kurz danach ist ein leises Klicken zu vernehmen. „Das war das Zugseil. Nun sind wir oben“, gibt Bodenheim den erlösenden Statusbericht durch und schiebt sogleich nach: „Nun wird es entspannt. Wir haben unsere Flughöhe erreicht und fliegen jetzt mit einer Geschwindigkeit von rund 90 Stundenkilometern.“

In der Tat: Die Anspannung, die während des Starts herrscht, ist im wahrsten Sinne verflogen. In großen Schleifen steuert Bodenheim die Maschine durch den Luftraum und über die idyllische Eifellandschaft. Die Sicht ist gut. Deutlich zu erkennen ist bald die Silhouette der Nürburg. „Zu Fliegen ist für mich das Genießen von Freiheit“, sagt der 50-Jährige lächelnd und lenkt die Maschine dabei noch ein Stückchen weiter weg vom Wershofer Flugplatz. Das Flugzeug hat inzwischen eine Flughöhe von rund 400 Metern erreicht. Leise gleitet es durch die Luft. Ein Gefühl von Unbeschwertheit, Leichtigkeit und einer unendlichen Weite setzt ein.
Seit seinem 14 Lebensjahr sitzt Uwe Bodenheim regelmäßig im Cockpit eines Segelflugzeugs. „Ich bin quasi in dieses Hobby reingewachsen“, verrät er und schiebt erklärend nach: „Das Fliegen liegt bei uns in der Familie. Meine Eltern sind früher schon immer geflogen und auch mein Bruder.“ Das Fliegergen hat der Familienvater bereits weitergeben. „Zwei meiner Kinder sind ebenfalls schon begeisterte Segelflieger“, sagt er. Doch selbst mit einem Segelflieger durch die Lüfte zu gleiten, ist nicht die einzige Leidenschaft, die den Mobilitätsmanager der Stadtverwaltung Bad Neuenahr umtreibt. „Seit 30 Jahren bin ich auch als ehrenamtlicher Fluglehrer im Einsatz, um unseren Nachwuchs im Verein zu schulen“, sagt er. Mit dem Verein ist die Segelfluggruppe Werhofen gemeint.

Seit 1952 gibt es sie bereits. Ein Jahr nach Vereinsgründung ist der Flugbetrieb in Wershofen gestartet. „Anfangs war der Flugplatz noch oben am Kapellchen“, erklärt Bodenheim und lenkt das Segelflugzeug bei diesen Worten in die Richtung des Ortes, wo vor über siebzig Jahren einige Wershofer Pioniere den Segelflugsport in ihre Heimat geholt haben. „Und das, obwohl sie anfangs gar nicht selbst fliegen konnten“, schmunzelt Bodenheim.
Vielmehr sei es die Liebe und die Faszination zu Segelflugzeugen gewesen, die die Vereinsgründung einst ins Rollen gebracht habe. „Anfangs ging es den ersten Flugbegeisterten darum, selbst einmal ein Flugzeug zu bauen. Keiner von ihnen, die alle handwerklich sehr geschickt waren, hatte jedoch zu diesem Zeitpunkt selbst einmal in einem Flugzeug gesessen. Vielmehr gab es einige Monate nach der Vereinsgründung und als das erste Flugzeug in Selbstbauweise – damals noch aus Holz gebaut – beim Segelflugverband einen legendären Anruf, in dem die Vereinsgründer mitteilten, sie hätten ein Flugzeug und einen Flugplatz, wüssten aber nicht, wie das Flugzeug zu fliegen sei.“

Für den Segelflugverband war das der Anlass, einen Fluglehrer nach Wershofen zu schicken und damit den Flugsport in Wershofen endgültig zu etablieren. Mittlerweile hat der Segelflugverein rund 200 Mitglieder. 60 von ihnen engagieren sich regelmäßig ehrenamtlich auf dem Flugplatz, mähen etwa das 1000 Meter lange und 100 Meter breite Areal oder sorgen als Teil der Bodentruppe für einen sicheren und reibungslosen Flugbetrieb, organisieren etwa die Starts, bedienen die Zugwinde oder bringen nach einem Start die Kunststoffseile per Auto wieder zurück zum Startpunkt.
Die Altersspanne im Verein ist groß. Während die jüngsten der Fliegenden erst 14 Jahre alt sind, sind die ältesten noch mit über 80 Jahren regelmäßig in der Luft. Sie alle eint die Liebe zum Segelsport. Ein eigenes Segelflugzeug besitzen hingegen die wenigsten Mitglieder. Vielmehr umfasst der Pool des Vereins sieben Segelflugzeuge und einen Motorsegler und stehen allen Vereinsmitgliedern zur Nutzung zur Verfügung.
„Wenn andere an Ostern auf Eiersuche gehen, suchen wir die Thermik.“
Uwe Bodenheim, Fluglehrer und Mitglied der Segelfluggruppe Wershofen
So etwa Maximilian Marisc und Alexander Zingsheim. Aufmerksam haben die beiden beobachtet, wie die Seilwinde den Flieger von Uwe Bodenheim in die Höhe gezogen hat und wie das Seil nach dem Ausklinken langsam mit einem kleinen Fallschirm gen Boden gesegelt ist. Kaum hat selbiges das Grün des Flugplatzes erreicht, macht sich Marisc daran, es mit der Zugwinde etwas aufzuwickeln, bevor Vereinskollege Zingsheim es ergreifen kann, um es an das Transportauto zu hängen und damit zurück gen Startplatz zu fahren. Schließlich stehen die nächsten Flugzeuge bereits in Position, um es Bodenheim gleichzutun und ebenfalls abzuheben.

Zwischen Ostern und Oktober sind die Segelflieger regelmäßig auf ihrem Platz in Wershofen anzutreffen. „In die Saison starten wir regelmäßig rund um Ostern mit unserem Osterfliegerlager“, berichtet Uwe Bodenheim, während er hoch oben über seinen Vereinskollegen zu einer finalen Runde über die Eifler Landschaft ansetzt. Die Start- und Landebahn liegt bereits in Sichtweite. „In diesem Jahr sind wir aufgrund des guten Wetters bereits eine Woche früher in die Saison gestartet. Aber unser Osterfliegerlager haben wir trotzdem auch in diesem Jahr errichtet. Und wenn andere an Ostern auf Eiersuche gehen, suchen wir die Thermik.“ Bei dieser besonderen Suche lassen sich Hobbypiloten auch gerne begleiten. „Besucher sind bei uns immer willkommen. Und wer mag, darf auch gerne einmal eine Runde mitfliegen“, so Bodenheim weiter und legt dabei einen Hebel um, um die Landeklappen auszufahren. Sofort verliert das Flugzeug an Flughöhe.

„Die Landung ist mit das schwierigste am Fliegen“, erklärt Bodenheim. Konzentriert blickt er abwechselnd auf die Instrumente im Cockpit und auf die untre ihm heranrasende Landebahn. „Wenn man etwa in einem zu steilem Winkel landet, riskiert man eine Bumslandung.“ Angst vor dem Fliegen muss allerdings niemand haben. „Gerade die Höhe merkt man im Flugzeug nicht wirklich“, ist der Fluglehrer überzeugt. „Denn in der geschlossenen Kabine hat man ein ganz anderes Verhältnis zur Höhe, als wenn man etwa an einem steilen Abgrund steht und hinunter blickt.“ Von daher sei das Segelfliegen auch für Menschen mit Höhenangst als Hobby geeignet.
„Und bis jetzt ist auch noch nie etwas Schlimmes passiert“, schiebt er nach und lenkt das Flugzeug noch ein Stück tiefer gen Erdboden. Im nächsten Moment ruckelt es sanft und das Fahrwerk setzt ein Stück neben der Landebahn auf der grünen Fluglatzwiese auf. „Um die Reifen zu schonen“, erklärt der Pilot. Nach wenigen kommt der Segelflieger mit seiner Maschine zum Stehen. „Da sind wir wieder“, lacht Bodenheim zufrieden. Auch dieser für ihn erste Flug der Saison, den er mit einem flugunerfahrenen Passagier unternommen hat, ist wieder einmal gut gegangen. Der nächste Start in die himmlischen Weiten kann kommen.
Das Osterfliegerlager in Wershofen
Mindestens noch bis Freitag, 25. April, sind die Mitglieder der Segelfluggruppe täglich auf dem Flugplatz Wershofen, Karl-Brenner-Weg, anzutreffen. Der Flugbetrieb findet bei gutem Wetter statt – und wenn die Thermik es erlaubt. Gegen einen Unkostenbeitrag von 25 Euro pro Flug und Person haben Besucher die Möglichkeit, erste Segelflugluft zu schnuppern oder mit einem Motorsegler mitzufliegen. Weitere Infos zum Verein, zum Schnupperflugangebot und zu den Ausbildungsmöglichkeiten gibt es unter www.sfg-wershofen.de