Jubiläumsfeier muss im Pandemiejahr kleiner als üblich ausfallen - Historischer Rückblick
Historischer Rückblick: 125 Jahre Freiwillige Feuerwehr Spessart

2013 wurde Schneider (Mitte) verabschiedet. Alwin Nett (2. von links) wurde sein Nachfolger.

Hans Josef Schneider

Die ganz große Feier muss wegen der Corona-Pandemie ins Wasser fallen. Dabei wäre der Anlass es wert gewesen, denn die Freiwillige Feuerwehr Spessart wurde vor 125 Jahren ins Leben gerufen. Dem eher zweifelhaften Ruf, eine „Feierwehr“ zu sein, wäre man aus gutem Grund wieder gerecht geworden: Wie beim Hundertjährigen vor 25 Jahren, als man dies samstags mehr im Kreis der Feuerwehrgemeinschaft getan hatte, und sonntags die Bevölkerung stärker eingebunden wurde. Ein besonderer Höhepunkt war damals ein Feuerwerk, dem ein Festzug durch den Ort vorausgegangen war: An der Spitze eine Kutsche, in der neben dem damaligen VG-Bürgermeister Hermann Höfer und seinem Nachfolger und Ortschef Johannes Bell noch der ehemalige Wehrführer Karl Groß und Ex-Ortsbürgermeister Bruno Schneider saßen.

Das neuerliche Jubiläum soll nun am Samstag, 19. Juni, in sehr abgespeckter Form über die Bühne gehen. Um 17 Uhr findet im Freien eine Heilige Messe statt. Dabei werden das neue Feuerwehrfahrzeug und die neue Pumpe gesegnet. Die Bevölkerung ist aufgerufen, um 21 Uhr eine brennende Kerze ans Fenster zu stellen – als ein Zeichen zum Gedenken an die zurückliegenden 125 Jahre und für alle, die in dieser Zeit von uns gegangen sind.

Vor 25 Jahren und bei allen Stiftungsfesten in der Vergangenheit wurde auf die immense Bedeutung der Feuerwehren hingewiesen. Die Rede war dabei stets von einer Geisteshaltung, die von Solidarität und Mitmenschlichkeit geprägt sei. Jeder Verein sei auf seine Weise eine Bereicherung des Gemeinwesens, die Feuerwehr sei jedoch unverzichtbar. Erinnert wurde auch immer wieder an die Zeit, als in Spessart eine Gruppe beherzter Männer aus der Not heraus eine Zweckgemeinschaft gründete, die Jahrzehnte und inzwischen mehr als ein Jahrhundert überdauerte und bis heute eine funktionierende und verlässliche Gemeinschaft geblieben ist. Wehrmänner haben mit Elan den Eifer der Gründerväter weitergetragen und trotz aller Veränderungen in der Aufgabenstellung stets dem gleichen Ziel gedient: dem Dienst am Nächsten.

Wehrführer Alwin Nett weist in seinem Grußwort zum 125-jährigen Bestehen darauf hin, dass die Aufgaben vielfältiger sind als in den Jahren der Gründung. „Galt es damals, Brände zu löschen, sind heute im Bereich der chemischen Unfälle und bei Unfällen unterschiedliche und höchste Ansprüche an die Wehr gestellt. Auch der Umweltschutz erfordert ein hohes Wissen. Dies erlangen die Frauen und Männer nur durch permanente Schulung.“ Die Blauröcke haben sich von reinen Brandbekämpfern zu Allroundern entwickelt, wenn man sich die heutigen Einsätze näher betrachtet. Entsprechend angepasst werden musste die Ausrüstung der Wehrleute und ihre Ausstattung mit Fahrzeugen und Gerätschaften.

In Spessart war man stets aufgeschlossen gegenüber Neuerungen. Schließlich war man im damaligen Kreis Adenau die erste Freiwilligeneinheit im Kampf gegen das Feuer. Spessart gehörte auch zu den Gemeinden, in denen bereits Ende des 19. Jahrhunderts eine Wasserleitung gebaut wurde. Im Jahr 1923 wurde der Kreis Adenau aufgelöst. Spessart wurde dem damaligen Kreis Mayen zugeteilt. Bei der zweiten Verwaltungsreform 1970 wechselte Spessart dann zur Verbandsgemeinde Brohltal und zum Kreis Ahrweiler. Großzügig unterstützt wurde die Feuerwehr stets von der Ortsgemeinde. 1922 wurden neue Uniformen angeschafft. Die Zahlung von mehr als 9000 Mark übernahm die Gemeinde. Als 1941 eine Sterbekasse für Wehrmänner eingerichtet wurde, war Spessart die erste Feuerwehr im damaligen Amt Kempenich, die ihr beitrat. Der Beitrag wurde zunächst noch von den Wehrmännern selbst bezahlt, ab 1951 übernahm dann die Gemeinde Spessart dies, später die Verbandsgemeinde Brohltal. Noch 1954 musste das Wasser bei einem Brand aus einem Hydranten beschafft werden, da es noch keine Motorspritze gab. Diese konnte 1956 endlich angeschafft werden. Im Jahr 1959 gab es einen neuen Feuerwehrwagen vom Typ TSF VW. Dieses Fahrzeug war das erste seiner Art im damaligen Amt Kempenich. Die Gemeinde stellte für die Beschaffung einen Betrag von 2000 Mark zur Verfügung.

Das 75-jährige Bestehen wurde 1971 als erster Brohltal-Feuerwehrtag begangen, denn die gemeindlichen Feuerwehren waren per Gesetz in die Zuständigkeit der Verbandsgemeinde Brohltal übergegangen. 1978 wurde das alte Feuerwehrgerätehaus abgerissen. Bis 1981 war das Feuerwehrfahrzeug in einer privaten Scheune untergestellt, bevor in der neuen Mehrzweckhalle auf dem ehemaligen Schulhof ein Raum hierfür zur Verfügung stand.

Groß geschrieben wurde stets die Eigenleistung. So etwa bei der Wiederherstellung der alten Feuerwehrpumpe aus dem 19. Jahrhundert. Noch mehr aber beim Bau des Feuerwehrgerätehauses, das im Mai 1990 eingeweiht wurde. Die Feuerwehrmänner hatten dabei fast 1000 Stunden ihrer Freizeit investiert.

Zu einem wachsenden Problem wurde die Verfügbarkeit der Wehrleute bei Einsätzen an Werktagen. Dies war wohl maßgeblich der Auslöser dafür, dass Spessart und Kempenich schon in den 1990er-Jahren enger zusammenarbeiteten. Unter Franz-Josef Schlich (Kempenich) und Willi Schneider (Spessart) wurde gemeinsam geübt, erst nur sporadisch, später immer öfter und regelmäßiger. Die beiden Wehren wuchsen nach dem Jahrtausendwechsel zu einer Ausrückegemeinschaft zusammen, die heutzutage nicht mehr wegzudenken ist. An die Stelle von Rivalität und Konkurrenzdenken traten Gemeinschaftsdenken und Kooperation. Als man 1956 erstmals über eine Motorspritze verfügte, gehörte man im Umkreis zu den fortschrittlichen Brandbekämpfern. Fünf Jahrzehnte später musste eine Neue her. Die Tragkraftspritze TS 8/8 wurde 2002 eingesegnet und offiziell übergeben. Bürgermeister Hermann Höfer lobte bei dieser Gelegenheit die selbstlose Einsatzbereitschaft der Wehrleute und ihr vorbildliches Pflichtbewusstsein.

Beim Stiftungsfest zum 110-jährigen Bestehen hob VG-Beigeordneter Gerd Hackenbruch das Engagement von Willi Schneider hervor, der als Wehrführer 28 Jahre lang die Spessarter Wehr entscheidend geprägt habe. Nachfolger Erwin Schneider legte 2013 aus beruflichen Gründen sein Amt nieder. Bei der Neuwahl wurde dem bisherigen Stellvertreter Alwin Nett das Vertrauen ausgesprochen. Der neue Wehrführer gehörte schon seit 1978 zu den Blauröcken. Zu seinem Stellvertreter wurde Christian Krupp gewählt. Das 120-jährige Bestehen wurde 2016 mit einem Tag der offenen Tür gefeiert. Erstmals betätigte sich der erst kürzlich ins Leben gerufene Kameradschaftsverein unter dem Vorsitz von Andreas Weber als Ausrichter. Am gleichen Tag fand im Spessarter Gewerbegebiet eine Übung mit allen Jugendwehren der Verbandsgemeinde und dem Jugendrotkreuz statt. 50 junge Menschen wurden hier mit dem möglichen Ernstfall konfrontiert. Was vor längerer Zeit auf Erwachsenenebene begonnen hatte, wurde jetzt im Nachwuchsbereich fortgesetzt: Weil es künftig nur noch gemeinsam geht, ist auch bei der Jugendfeuerwehr Kirchturmdenken verpönt. Ortsbürgermeister Frank Klapperich drückte es 2018 so aus. „Es heißt nicht mehr ‚meine‘ oder ‚deine‘ Feuerwehr, es geht um unsere gemeinsame Feuerwehr im oberen Brohltal. Man kann nur dankbar sein, dass vor Jahren erkannt wurde, dass man gemeinsam stärker sein kann.“

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