„Mein Freund war bei den ersten Antragstellern“, schreibt etwa eine Leserin unserer Zeitung. Und weiter: „Der Eingang wurde als ordnungsgemäß bestätigt. Bei häufigen Nachfragen beim einsatzfreudigen Team am Infopoint heißt es noch immer im PC: ,Ihr Antrag ist in Bearbeitung.' Damit kann keiner der von der Flut betroffenen Opfer etwa einen dringend benötigten Kochherd, Kühlschrank, Betten sowie Hausrat oder Kleidung kaufen gehen. ,In Bearbeitung' ist noch keine Währung, auch nicht hier im Ahrtal.“ Ein weiteres Flutopfer aus Dernau „mit Onlinefähigkeiten“ hat auf Facebook seinen „Leidensweg“ geschildert. Er möchte nicht mit Namen genannt werden – auch ISB-Sachbearbeiter seien Zeitungsleser, und da befürchtet er zusätzliche Nachteile.
Er beschreibt umfangreiche, unverständliche Nachfragen, bürokratische Schleifen und Kommunikationssackgassen. Unsere Zeitung hat die Schilderungen mit einem Fragenkatalog an die ISB geschickt. Ulrich Dexheimer, Sprecher des Vorstandes der Investitions- und Strukturbank in Mainz, hat geantwortet.
Herr Dexheimer, wie hoch ist die Anzahl der erwarteten Anträge aus dem Ahrtal?
Insgesamt sollen in Rheinland-Pfalz etwa 65.000 Menschen von der Flut betroffen sein, davon etwa 40.000 im Ahrtal. Eine genaue Einschätzung gestaltet sich schwierig, da Anträge für Hausratsschäden beispielsweise für Ein- und Mehrpersonenhaushalte gestellt werden können. Haushalte können neben den Hausratsschäden auch zusätzlich Anträge bei entstandenen Gebäudeschäden einreichen. Hinzu kommen die Anträge von Unternehmen und den freien Berufen sowie Vereinen, Stiftungen, anderen Einrichtungen sowie Religionsgemeinschaften.
Wie viele angelegte Bürgerkonten, also eröffnete Antragsverfahren, gibt es?
Zum Stand 5. Januar haben wir rund 11.000 angelegte Anträge in der Antragsstrecke. 7500 sind vollständig legitimiert und in der Bearbeitung.
Wie hoch ist der Betrag, der bereits tatsächlich auf Girokonten der Bürger und Unternehmen ausgezahlt wurde?
Wir haben rund 76,7 Millionen Euro ausgezahlt.
Kommen wir zu Problemen mit der Onlineantragstellung. Wie ist die Einarbeitung von Korrekturen im Antrag möglich?
Sollte eine Korrektur des Antrags oder auch eine Anmerkung zum Antrag gemacht werden müssen, ist dies nach erfolgreicher Einreichung des Antrags über die Mitteilungsfunktion im Self-Service-Portal möglich. Wichtig ist, sich für die Antragstellung einen Moment Zeit zu nehmen und die ISB oder die Infopoints bereits während der Antragstellung zu kontaktieren, sollte es Unklarheiten beim Erfassen der Antragsdaten geben.
Der Bearbeitungsprozess verlängert sich nämlich erheblich, wenn fehlerhafte Eingaben gemacht oder falsche Unterlagen eingereicht werden. So gilt der Antrag bereits als fehlerhaft, wenn beispielsweise nur der Ort falsch geschrieben ist. Ein automatischer Melderegisterabgleich kann dann nicht mehr stattfinden. Um den Antrag zu bewilligen, muss manuell eingegriffen werden.
Wie lange ist die durchschnittliche Verfahrensdauer von der vollständigen Antragsvorlage bis zu Auszahlung?
Für beschädigten oder verloren gegangenen Hausrat sind Pauschalen festgelegt. Dementsprechend können Anträge auf Hausrat, bei denen alle notwendigen Angaben vollständig und fehlerfrei vorliegen, das weitestgehend automatisierte Bewilligungsverfahren durchlaufen und innerhalb weniger Tage ausgezahlt werden. Das Antragsbearbeitungsverfahren für Schäden an Wohngebäuden wird ebenfalls schnellstmöglich durchgeführt. So kann für Privathaushalte bereits ein Abschlagsbescheid erlassen werden, wenn die Betroffenen glaubhaft machen, dass die erforderlichen öffentlich-rechtlichen Genehmigungen sowie das Schadensgutachten innerhalb von sechs Monaten nach Bewilligung nachgereicht werden.
Der ISB ist es also möglich, Abschlagszahlungen zu machen?
Ja. Auf Basis dieses vorläufigen Bewilligungsbescheids kann eine erste Abschlagszahlung von bis zu 20 Prozent des geschätzten Gesamtschadens gewährt werden. Sobald die ausstehende Schadensbegutachtung als auch die notwendigen öffentlich-rechtlichen Genehmigungen vollständig vorgelegt worden sind, erfolgt dann auf dieser Basis die gültige Festsetzung der möglichen finanziellen Zuwendung per finalem Bescheid.
Bürger beklagen immer wieder, dass es nicht so flott wie erhofft vorangeht. Was bremst?
Bitte beachten Sie, dass sich die Bearbeitungszeit erhöht, wenn sich ein Antragsteller für die Kontobestätigung der Hausbank oder die Legitimation über Postident entschieden hat. Bei der Bearbeitung des Antrags kann es außerdem zu Verzögerungen kommen, wenn der Antrag unvollständig vorliegt, weil zum Beispiel Dokumente fehlen.
Sollte dies bei einem Antrag der Fall sein, werden wir uns über das Portal oder die hinterlegten Kontaktdaten direkt an den Antragsteller wenden. Bitte beachten Sie zudem, dass die Antragsstrecke für private Gebäudeschäden manuell bearbeitet werden muss. Hinzu kommt, dass jeder Antrag einen anderen Sachverhalt darstellt und diverse, zum Teil unterschiedliche Dokumente eingereicht sowie geprüft werden müssen, weswegen wir keine Aussage zur Bearbeitungszeit treffen können.
Gibt es bei der ISB eine laufende Überprüfung und Verbesserung des Antrags-, Bearbeitungs- und Genehmigungsverfahrens?
Die jeweiligen Verfahren werden von uns in Abstimmung mit den zuständigen Behörden fortlaufend geprüft, überarbeitet und angepasst. Wichtige Impulse erhalten wir von den Infopoints und den Rückmeldungen der Mitarbeitenden an den Hotlines. So wurde beispielhaft nachträglich die Möglichkeit geschaffen, Anträge über dritte, bevollmächtigte Personen zu stellen, was zunächst nicht vorgesehen war.
Die Fragen stellte Frank Bugge