Henriette Stenzel hat als Lieblingsfrau der Hemmesser Hunnen in jeder Session einen neuen Mann an ihrer Seite. Denn Jahr für Jahr wird ein Attila für die jecke Truppe gewählt, die sie gegründet hat. Als Wirtin der ehemaligen Gaststätte „Zum Ahrtal“, einstmals der angesagte Treffpunkt für das närrische Volk, gehörte der rheinische Karneval immer schon zu ihrem Leben. Geblieben sind der heute 72-Jährigen aus dieser Zeit viele schöne Erinnerungen an zahlreiche Sitzungen, zum Teil abgespeichert auf CD, und ein riesiger Kostümfundus. Ein Teil der närrischen Garderobe war jüngst auf zwei Flohmärkten im neuen Hemmesser Quartierstreff zu erwerben.

Doch sie hat noch so viele jecke Teile auf Lager, dass sie auch im kommenden Jahr einen Flohmarkt damit bestücken und dabei auch Menschen eine Freude machen kann, die vielleicht nicht so viel Geld fürs Verkleiden ausgeben können. In diesem Fundus steckt aber auch die ganze Energie und Begeisterung, mit der Henriette Stenzel nicht nur die Hunnentruppe aus der Taufe gehoben, sondern auch ein Männerballett trainiert hat, das regelmäßig Preise bei Meisterschaften abräumte. „Jedes Jahr gab es ein anderes Motto“, erzählt das Urgestein. Der Ideenreichtum spiegelt sich auch in den Kostümen wider.
Das Leben mit und für den Karneval beginnt für Henriette Stenzel als 17-Jährige in der Garde der AKG Ahrweiler. Der Pferdesport führte sie unter anderem nach Schalkenbach, wo sie die Möhnen zu ihrer Trainerin machten. Ihren Mann Wolfgang lernte sie nach dem Zoch im Saal des Winzervereins kennen, wo er mit seiner Band Musik machte. In der Gaststätte „Zum Ahrtal“, die ihren Eltern gehörte und wo sie als Bedienung arbeitete, reifte unter einigen Stammgästen irgendwann die Idee, für den Karneval eine Zugnummer für den Neuenahrer Zoch aufzubauen. „Ich sollte mit von der Partie sein als Coach oder Trainerin“, so Stenzel. „Ein Männerballett sollte es werden. Das war damals ein richtiger Boom“. Bis heute treffen sich die älter gewordenen Mitglieder zum Essen einmal im Monat.

Die Lust auf die Hunnen kam bei einer Bustour zur Lachenden Sporthalle nach Köln auf. „Dort haben wir die toll geschminkten Flittarder Hunnen bei ihrem prächtigen Einzug gesehen“, erinnert sich Stenzel, die sich anschließend mit deren Attila unterhielt. „So etwas könnten wir doch auch“, fand sie, und so gibt es die Hemmessener Hunnen inzwischen seit 1986. Die Truppe hat aktuell 30 Mitglieder, wird angeführt von Werner Kill und ist in diesem Jahr wieder bei den Umzügen in Bad Neuenahr und Heimersheim dabei mit ihren stattlichen Kostümen.

Geschichte ist allerdings die Gaststätte „Zum Ahrtal“, die als gesellschaftlicher Mittelpunkt eine Institution in Hemmessen war. Silvesterball, Karneval, Mottopartys und Konzerte lockten die Menschen. 2021 wurde sie abgerissen, um einem Wohngebäude zu weichen. Henriette und Wolfgang hatten sich zurückgezogen als Gastgeber, die mit Leidenschaft auch den Karneval gefeiert haben – zum Beispiel mit After-Zoch-Partys, Möhnensitzung oder den legendären Schlappesitzungen für die Herren und der Schürzensitzungen für die Damen. Auch die Deko war aufwendig. „Wir haben unser jeweiliges Silvesterballmotto auch in den Karneval überführt“, so Stenzel. Sie erzählt, wie sie für die Kulissen hinter der kleinen Bühne zwei Bettlaken aneinandergenäht und bemalt hat. Hier, in der intimen Atmosphäre der Gaststätte, gaben sich Büttenasse die Hand, die später Karriere gemacht haben – darunter Marc Metzger als „Dä Blötschkopp“ oder der Mitstreiter von Wicky Junggeburth, Rolf Berk aus Köln, der zeitweise die große Kurhaussitzung leitete. Ob Kölsche Biester, die Putzfrau von Ründerroth oder De Een un der Anne – alle tummelten sich hier in der Bütt, und auf fünf Metern Bühne tanzten zahlreiche Gruppen aus der Region wie die Magic Majorettes oder Samba do Brazil. Henny, wie sie auch genannt wird, schickte die Eigengewächse als rote Teufel, Hemmessener Jemöös oder Mexikaner ins jecke Rampenlicht und lieferte Playback-Shows ab, mit Mireille Mathieu, Andrea Berg oder Maite Kelly im Rampenlicht, während ihr Mann im Hintergrund für die Technik und Musik sorgte. „Wir haben fünf Stunden Programm in Eigenleistung geboten an Weiberfasnacht, und das für 11,11 Euro Eintritt als Verzehrbon“, so Stenzel.

Das Karnevalsgen hat Henny Stenzel weitervererbt. Sohn Daniel war früher bei verschiedenen Veranstaltungen dabei, unter anderem auch bei den Hunnen. Tochter Diana tanzte als Mariechen in der KG Blau Weiß oder bei der Gruppe Hunnenfeuer. Heute ist die siebenjährige Enkelin Ella dabei, in die Fußstapfen ihrer Mutter zu treten bei den Minifunken der KG Blau-Weiß.