Jeder in Lantershofen kennt das großzügige Anwesen, das sich gleich neben der örtlichen Kirche erstreckt. Offiziell und sprachlich sperrig firmiert die Gebäudeansammlung inmitten gepflegter Grünanlagen unter der Bezeichnung „Überdiözesanes Studienhaus St. Lambert“, gegründet 1972. Hier leben und studieren zurzeit 32 angehende katholische Priester. Für den Leiter des Priesterseminars, Regens Dr. Volker Malburg, könnten es gern ein paar mehr sein. „Die Einrichtung ist für 80 Studenten angelegt.“ Aber der Andrang junger Männer auf den katholischen Priesterberuf lässt bekanntlich immer mehr nach.
Am frühen Morgen des 1. Juni setzte ein Blitzschlag den Dachstuhl dieses Hauses in Brand. Derzeit ist es unbewohnbar.
Die Räumlichkeiten sollen derweil nicht ungenutzt leer stehen. Und so finden hier Menschen in Not immer wieder Zuflucht. Häufig sind es geflüchtete Menschen, die von weither kommen. So lebt seit geraumer Zeit auf dem Gelände eine geflüchtete Familie armenischer Christen, deren Asylverfahren kurz vor dem Abschluss steht.
Und jetzt auch die Familie aus Lantershofen. „Eine Familie auf der Flucht, eine Familie, deren Haus von einem Moment zum anderen unbewohnbar wird – das sind wirklich zwei sehr extreme Notlagen“, findet der Regens.
Für die leidgeprüfte Familie aus Lantershofen erweist sich das Studienhaus als Glück im Unglück. Regens Volker Malburg: „Das ganze Studienhaus ist als Wohngruppen angelegt mit jeweils mehreren Zimmern, einem Gemeinschaftsraum und einer Küche. So hat die Familie eine Art eigene Wohnung, auch wenn es nicht ihre eigenen Sachen sind.“ Hinzu kommt die Tatsache, dass die Familie in Lantershofen bleiben konnte. Denn zurzeit sind sie vor allem mit dem Sichten ihrer Habe und dem notwendigen Räumen befasst. „Die Familie sucht eine Wohnung, aber Wohnraum zur Miete auf der Grafschaft ist knapp“, weiß Malburg. „Es gibt kein Zeitlimit von uns. Sie sollen erst einmal zur Ruhe kommen.“
Gottesliebe und Nächstenliebe sind nach Ansicht von Malburg die beiden zentralen christlichen Gebote. Die beiden Familien stören den Ablauf im Seminar nicht, die Gemeinde trägt die Unkosten, und Probleme gibt es höchstens einmal, wenn ein Fahrrad falsch abgestellt wurde. Das Gelände ist groß, die Familien haben Privatsphäre. Es freut den Regens, dass er Menschen in Not helfen kann. Aber noch schöner fände er es, wenn alle Räume des Studienhauses mit Priesteranwärtern belegt wären.
Gabi Geller