Räuberische Erpressung: So lautet diesmal der Vorwurf der Staatsanwaltschaft Koblenz gegen den jungen Mann. Ereignet haben soll sich die Tat am 23. November 2022. Damals soll der Angeklagte gemeinsam mit einem unbekannten Mittäter einem heute 21-Jährigen mittels eines waffenähnlichen Gegenstands gedroht und ihn dazu gebracht haben, in einem Handyladen an der Rheinschiene zwei Mobilfunkverträge mit Smartphones abzuschließen.
Telefone musste der junge Mann abgeben
Man habe ihn nach der Schule abgefangen und bedroht, berichtete das mutmaßliche Opfer vor Gericht. „Sonst würde mir im Umkehrschluss etwas passieren“, gab der Zeuge zu Protokoll. Im Anschluss, so erzählte der junge Mann weiter, habe er die Telefone dem Angeklagten übergeben müssen. „Es fällt mir schwer, darüber zu reden“, so der 21-Jährige vor der Neunten Strafkammer um den Vorsitzenden Richter Martin Schlepphorst.
„Ich tu keiner Fliege was zuleide.“
Der Angeklagte
„Wie geht es Ihnen?“, wollte Oberstaatsanwältin Kirsten Mietasch von dem Zeugen wissen. „Das belastet mich schon noch“, antwortete er. Und danach gefragt, ob er seitdem Veränderungen in seinem Verhalten festgestellt habe, sagte der 21-Jährige kurz und knapp: „Ich geh’ halt weniger raus.“
Als Schlepphorst dann wissen wollte, ob der junge Mann heute noch Angst habe und dieser das verneinte, meldete sich unvermittelt der Angeklagte zu Wort. „Warum auch?“, warf er ein und ergänzte: „Ich tu keiner Fliege was zuleide.“
Vollumfängliches Geständnis
Aber ob die Kammer das dem Beschuldigten abnimmt, ist mehr als fraglich. Schließlich hatte er eingangs über seinen Verteidiger Florian Schulz ein vollumfängliches Geständnis abgelegt. Das heißt: ohne Einschränkungen sämtliche Vorwürfe eingeräumt. Und dabei ist der Vorwurf der räuberischen Erpressung nur einer von mehreren.
So soll der 22-Jährige bereits am 16. November 2022 einen geistig Beeinträchtigten – ebenfalls an der Rheinschiene – dazu gebracht haben, zwei Mobilfunkverträge mit Smartphones abzuschließen, um dann ebenfalls die Telefone an sich zu nehmen. Da das mutmaßliche Opfer gar nicht in der Lage sein soll, allein so etwas zu bewerkstelligen, soll es dabei begleitet worden sein. „Er selbst kann mit einem so modernen Handy gar nichts anfangen“, sagte seine Mutter vor Gericht aus. Über konkrete Drohungen indes habe sie keine Kenntnis, gab die Zeugin zu Protokoll. Auf die Frage nach dem Verbleib der Mobiltelefone räumte der Angeklagte ein, diese in seinem Umfeld verkauft zu haben.

In Bonn, so lautet ein weiterer Vorwurf der Staatsanwaltschaft Koblenz, soll er ebenfalls im November 2022 gemeinsam mit einem unbekannten Mittäter seine Opfer dazu gebracht haben, über ein kontaktloses Zahlungssystem in verschiedenen Geschäften einzukaufen. In sechs Fällen, die sich bis Mitte Dezember ereignet haben sollen, soll er von seinen Opfern Bargeld gefordert haben.
Und noch etwas kreidet die Staatsanwaltschaft dem 22-Jährigen an: sich der Polizei gegenüber im Rahmen einer illegalen Party in einer Tiefgarage in Bonn aggressiv und unkooperativ gezeigt zu haben. So soll er geschrien und einem Beamten auf die Oberarme geschlagen haben. „Die Verletzung nahm er in Kauf.“ Mit diesen Worten schloss die Oberstaatsanwältin die Verlesung der Anklageschrift.
„Es war weder ein tätlicher Angriff noch eine Körperverletzung.“
Der Polizeibeamte, der als Zeuge gehört wurde
Dass er ihm auf die Arme geschlagen habe, bestätigte der als Zeuge geladene Polizeibeamte vor Gericht. „War das für Sie mit Schmerz verbunden?“, wollte Schlepphorst wissen. „Es war weder ein tätlicher Angriff noch eine Körperverletzung. Er wollte die Maßnahme nicht“, antwortete der Beamte.
Der Angeklagte, der aktuell bei seiner Schwester im Kreis Ahrweiler wohnt, hat bisher keine Ausbildung absolviert. Nach einem sehr guten Hauptschulabschluss scheiterte sein Versuch, die Abendrealschule erfolgreich zu beenden, weil er verhaftet worden ist. Aber er möchte nun gern ins Berufsleben einsteigen. Das machte der Beschuldigte vor Gericht sehr deutlich. „Seit dem ersten Tag meiner Entlassung habe ich mich bei über 200 Stellen beworben – sogar in Portugal“, betonte er und ergänzte: „Ich muss arbeiten. Ich probiere alles, um was zu machen.“
Der junge Mann steht aktuell für die Dauer von drei Jahren unter Führungsaufsicht. Diese kann ein Gericht neben einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass der Verurteilte weitere Straftaten begehen könnte. Der Konsum von Cannabis oder auch Alkohol sind dem Angeklagten während der Führungsaufsicht verboten. Allerdings hatte der Beschuldigte sehr wohl vor zwei Wochen eine positive Kontrolle beim Drogenscreening. „Ich konsumiere eigentlich nur THC. Ich habe noch nie Kokain genommen“, sagte der 22-Jährige und sprach von einem bis zwei Joints dreimal die Woche.
Der Prozess wird fortgesetzt.
Zeugen bleiben Gericht fern
Gleich zwei Zeugen sind in diesem Prozess trotz Ladung nicht vor der Neunten Strafkammer am Landgericht Koblenz erschienen. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft verhängte der Vorsitzende Richter Martin Schlepphorst jeweils ein Ordnungsgeld in Höhe von 300 Euro, ersatzweise sechs Tage Ordnungshaft. Ein weiterer Zeuge war zwar gekommen, verweigerte aber die Aussage. sm