Als hätte es Ortsvorsteher Klaus Kniel geahnt. Noch am Samstag vor der Katastrophe war er voller Vorfreude nach Holland in den Urlaub gefahren. Doch schon am Montag kamen im Fernsehen erste Schlechtwetterwarnungen für die Eifel. Noch herrschte eine ungewisse Gemengelage bei den Warnungen, trotzdem stieg die Unruhe, und Kniel brach den Urlaub ab, fuhr wieder nach Hause. Es war nur ein Gefühl, aber noch bevor die große Welle kam, hatte er in seinem Haus den Keller geräumt. Den späten Abend verbrachte er im Hause seines Bruders in Heppingen. „Die Katastrophe war zu sehen“, berichtet er. Ein Sirenenalarm gegen 21 Uhr ging bereits im Tosen der Ahr unter.
Was er dann erleben musste, lässt sich in Worten kaum fassen und ist in dieser Nacht entlang der Ahr wohl hundertfach ähnlich passiert. In Minutenschnelle kam das Wasser und stieg bis 3.30 Uhr in der Nacht immer höher. Jeder hatte mit Wasser über den Leimersdorfer Bach gerechnet, aber die Ahr, das lag jenseits jeder Vorstellung, lag doch auch der Bahndamm noch zwischen Ort und Fluss. Es kam anders. Das Wasser stieg und stieg und kam mit ungeheurer Wucht.
„Je öfter ich nachdenke, was durch rechtzeitige Warnung alles hätte vermieden werden können, da wird mir schlecht“, so der Ortsvorsteher, der kein gutes Haar an den Krisenstäben von Kreis und Land lässt. „Die geballte Inkompetenz in Bundfaltenhosen auf dem heiligen Berg“ zitiert er die Aussage eines Helfers. „Es war von Anfang an klar, dass wir uns nicht selbst helfen können“, so der erste Gedanke, als am frühen Morgen dann die Sonne aufging. Besonders hart getroffen hatte es das Neubaugebiet „Landskroner Straße Süd“. Noch bis zum Mittag mussten die Menschen von den Dachböden und Dächern mit dem Schlauchboot gerettet werden. Keine ungefährliche Sache für die Blauröcke der Feuerwehr Brachbach/Sieg, die schließlich mit ihren Booten eintraf und über 90 Personen aus Lebensgefahr befreite.
Dorfgemeinschaftshaus als Anlaufstelle
Anlaufpunkt für die Geretteten war das Dorfgemeinschaftshaus. Doch dort fehlte es an allem, man war auf eine solche Situation natürlich nicht vorbereitet. Alles was unternommen wurde, lief ohne irgendwelche Hilfe des Krisenstabes – die fand einfach nicht statt. Es wurde laut Ortsvorsteher noch schlimmer, als nach vier Tagen die ADD das Personal stellte. Kniel ist noch heute stinksauer, was sich da an Unvermögen versammelt habe. Der Krisenstab habe wie eine Amateurtruppe gearbeitet. „Alle Hilfe lief unter dem Radar der Verantwortlichen“, so die neue Variante der Aussage, dass einfach keine Hilfe kam. Ansprechpartner war die Stadtverwaltung, aber kein Krisenstab.
Dann trafen erste Spenden ein und die Hilfe nahm Form an. Hans Stefan Steinheuer heizte seine Gourmetküche an, stellte eine Biergarnitur auf und verpflegte die Menschen, egal ob Helfer oder Betroffene. Mehr als fünf Wochen lang. Erst dann habe das DRK im öffentlichen Auftrag diese Aufgabe übernommen. Besonders lobt Kniel auch den Einsatz der Bauern aus Borken, die einfach kamen und unglaubliche Hilfe geleistet haben. In Amtshilfe wurden sie in den Gemeinschaftshäusern in Gimmigen und Kirchdaun untergebracht und dort von den Mitbürgern versorgt. Eine großartige Hilfsbereitschaft aus allen Teilen der Republik rollte an.
Was aber auch anrollte, war ein unglaubliches Verkehrschaos. Weit und breit war die Brücke über die Ahr bei Heimersheim einzig benutzbar und neben Hilfskräften rollten auch immer mehr Katastrophentouristen an. Alle kamen durch Heppingen in das Ahrtal, da ja die B 266 zerstört war. „Erst nach fünf Tagen haben wir den ersten Polizisten gesehen“, berichtet Kniel. So hat er sich mit weiteren Bürgern eben selbst zum Hilfspolizisten ernannt, den Verkehr geregelt und nebenbei in Absprache mit der Stadt eben noch festgelegt, dass der entstandene Müll erst einmal unter der Ahrtalbrücke zwischengelagert werden soll. Die Müllabfuhr haben die Bauern aus Borken übernommen.
Zusammenhalt unglaublich gewachsen
„Eine Kommunikation mit dem Heiligen Berg gab es nicht“, so Kniel, der die Bezeichnung Krisenstab möglichst vermeidet. Dieser habe sich nicht mal einen Eindruck verschafft, was so los ist, besonders auch im Hinblick auf den Verkehr. „Wir fühlten uns alleingelassen.“ Im Bürgerhaus wurde inzwischen ein Warenhaus aufgebaut, dass keine Wünsche offen lässt. „Unglaublich, was da an Spenden ankam“, so Kniel. Grills, Kühlschränke, Waschmaschinen, Schuhe, Lebensmittel, Bekleidung – alles wurde gebracht. Eine Firma aus Norddeutschland hat sogar eine ganze Tonne Zucker abgeladen. Das war allein für Heppingen natürlich viel zu viel, und so wurde mit den anderen Ortsteilen geteilt.
Der Zusammenhalt im Ort sei unglaublich gewachsen, erklärt Klaus Kniel. Brennende Frage ist in Heppingen nun, ob im Neubaugebiet wieder aufgebaut werden darf. Der Ortsvorsteher hat dazu eine klare Meinung: Es besteht ein gültiger Flächennutzungsplan und ein Bebauungsplan und die Bürger haben ein Anspruch darauf, dass diese rechtliche Situation weiter besteht. So geht er davon aus, dass das Baurecht bleibt.