Zweite Infoveranstaltung zum Gewässerwiederherstellungskonzept des Kreises
Gewässerwiederherstellungskonzept: Verbreiterte Ahr bereitet Experten Sorgen
Stark von der Flut beansprucht: Mit neuen Stützwänden muss das Ahrufer teilweise im Bereich Altenahrs versehen werden.
Christian Koniecki

Die zweite Informationsveranstaltung zum Gewässerwiederherstellungskonzept des Kreises Ahrweiler nahm den Ahrabschnitt zwischen Liers und Altenahr in den Fokus. In diesem Bereich ist der Fluss seit der Flut stellenweise sehr breit geworden – eine Entwicklung, die Experten Sorge bereitet.

Mit der Zukunft der Ahr beschäftigen sich seit der Flutkatastrophe im Juli 2021 die Experten. In diesen Tagen stellt nun auch der Kreis Ahrweiler ein Gewässerwiederherstellungskonzept für die Ahr und ihre Zuflüsse II. Ordnung vor, welches er in Auftrag gegeben hatte (die RZ berichtete). Fünf Fachbüros haben hierfür die einzelnen Abschnitte der Ahr analysiert. In insgesamt sechs Veranstaltungen werden im Rahmen von Bürgerinformationsveranstaltungen flussabschnittsweise Maßnahmen zur Wiederherstellung des Ahrbettes ebenso vorgestellt wie Maßnahmen zum Hochwasserschutz.

Kein reines Hochwasserschutzkonzept

„Das Gewässerwiederherstellungskonzept ist kein Hochwasserschutzkonzept“, betonte in diesem Zusammenhang Anja Toenneßen vom Kreis Ahrweiler gleich zu Beginn der Informationsveranstaltung, die am Donnerstag im Dümpelfelder Dünalü stattfand. Im Mittelpunkt des Abends stand der Ahrverlauf in der Verbandsgemeinde Altenahr von Hönningen über Ahrbrück bis Altenahr. Auch werde es keine Eins-zu-eins-Wiederherstellung geben, so Toenneßen weiter. Ziel sei vielmehr, die Ahr so wiederherzustellen, dass bei Hochwasserereignissen der Eintritt von Flutkatastrophen vermieden werde.

„Wir können Hochwasserereignisse nicht vermeiden, aber wir können uns das Ziel setzen, sie zu beherrschen“, betonte sie. Inhalt des Gewässerwiederherstellungskonzeptes sei zudem, die Ahr für die Folgen des Klimawandels – insbesondere für Dürren – zu optimieren.

Abschattung am Gewässer fehlt

Eine Zielsetzung, der Dr.-Ing. Michael Probst von der Björnsen Beratende Ingenieure GmbH zustimmte. Das Koblenzer Fachbüro hat den zweiten Ahrabschnitt analysiert und mehrere Schwachstellen und Risiken festgestellt. So habe sich die Ahr seit der Flutkatastrophe 2021 deutlich verbreitert, was nicht nur aus Hochwasserschutzaspekten problematisch sei, sondern auch ökologische Risiken berge. Während der Fluss vor der Flut bei Liers etwa 15,9 Meter breit gewesen sei, seien es nun 40,9 Meter, die beide Flussufer voneinander trennen. Zwar sei eine derartige Verbreiterung nicht auf der gesamten Länge des Flusses feststellbar, bei Altenahr hat sich die Ahr nur von 15,3 Metern auf 19,1 Meter verbreitert, dennoch berge diese Entwicklung unter ökologischen Aspekten Risiken, die es einzudämmen gelte.

„Das Gewässer erwärmt sich zu stark, besonders für Fische wird dieser Temperaturanstieg problematisch“, bilanzierte Probst. Beschleunigt werde diese Erwärmung durch die Tatsache, dass nahezu im gesamten Ahrverlauf die Uferbepflanzung fehle. „Es gibt kaum noch Bäume, die das Gewässer abschatten können“, so der Ingenieur. Zudem habe die fehlende Wassertiefe bei Mittel- und Niedrigwasser einen deutlichen Einfluss auf die Habitatfunktion des Gewässers.

Auch seien durch die Flut nahezu alle kleineren Substrate wie etwa Flusskiesel aus der Ahr herausgeschwemmt worden. „Die Ahr ist durch diese hydraulische Belastung der Flut fast komplett abgepflastert worden. Zudem fehlt seit der Flut die Mäanderstruktur der Ahr. Wir haben hier ein monotones Flussbett.“ Aus ökologischer Sicht seien dies keine guten Voraussetzungen für ein funktionierendes Gewässer.

Anpassungen notwendig

Um die Gewässerökologie und auch den Hochwasserschutz zu verbessern, schlug Probst vor, die Ahr in ihrer Breite einzuengen, die Ahrufer wieder mit Bäumen zu bepflanzen, und feines Substrat in das Gewässer einzubringen. Durch diese Einbringungen könne die Wassertiefe in ausgewaschenen Bereichen stellenweise reduziert und die Fließgeschwindigkeit der Ahr optimiert werden. Zudem müssten die Brücken an den künftigen Gewässerkorridor der Ahr angepasst werden.

Auch seien Terrassierungen von Uferflächen, etwa im Bereich der Campingplätze bei Altenburg und Pützfeld und im Bereich des Festplatzes bei Kreuzberg notwendig, um der Ahr bei Hochwasser- oder Starkregenereignissen mehr Platz zu verschaffen. „Der Hochwasserabfluss muss durch einen angepassten Gewässerkorridor verbessert werden“, brachte Probst die durch das Fachbüro angefertigte Analyse zum Gewässerwiederherstellungskonzept des Kreises auf den Punkt.

Orientierung an der Schweiz

Wunsch des Gewässerwiederherstellungskonzeptes sei, dass das neue HQ 100 in den Grenzen des alten HQ 100 fließe, unterstützte Joachim Gerke, Leiter der Abteilung Wasserwirtschaft, Abfallwirtschaft und Bodenschutz bei der Struktur- und Genehmigungsbehörde (SGD) Nord, die Ausführungen Probsts und erinnerte noch einmal daran, dass sich der Hochwasserschutz im Ahrtal an dieser HQ 100-Vorgabe orientiere. Im Hochwasserfall müsse sichergestellt sein, dass ein Durchfluss von 440 Kubikmeter Wasser pro Sekunde gegeben ist. Eine Aufgabe, die für die Verbandsgemeinde nicht ohne Weiteres umsetzbar ist. Der bisherige Hochwasserschutz ging von einem etwa halb so hohen Durchfluss im Hochwasserfall aus.

Bei den Besuchern der Informationsveranstaltung stießen diese Vorträge durchaus auf Zustimmung. Lediglich die vorgeschlagene Uferbepflanzung mit Bäumen sorgte für Unruhe – bei einigen Zuhörenden wurden Erinnerungen an vor Brücken verkeilte Baumstämme wach.

Um dies künftig zu verhindern, brachte Ingenieur Probst das Modell sogenannter Schwemmholzrechen in die Diskussion ein. Mit ihnen sollen Baumstämme in ausreichendem Abstand vor Engstellen in der Ahr abgefangen und in mit Fahrzeugen zugänglichen Ausweichbereichen für einen späteren Abtransport gesammelt werden. Während dieses System bereits im Schweizer Kanton Zürich erfolgreich eingesetzt werde, sei ein solcher Einsatz auch am Ahrbogen bei Pützfeld und unterhalb Altenburgs vorstellbar, so Probst.

Prioritätenliste soll entstehen

Wann die Maßnahmen des Gewässerwiederherstellungskonzeptes umgesetzt sein könnten, ist bislang ungewiss. Kreismitarbeiterin Anja Toenneßen betonte, das Konzept sei bislang unverbindlich. Zudem hänge eine Maßnahmenumsetzung auch stets von Faktoren wie der Verfügbarkeit von nutzbaren Flächen, der städtebaulichen Entwicklung in den Verbands- und Ortsgemeinden, dem Wiederaufbau der Ahrbrücken, den Plänen zur Straßensanierung und dem Wiederaufbau der Infrastruktur ab.

Nach Abschluss der Informationsabende zur Gewässerwiederherstellung will der Kreis unter anderem eine Liste mit priorisierten Maßnahmenpaketen erstellen. Erste Maßnahmen sollen voraussichtlich bereits in diesem Jahr umgesetzt werden.

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