Bekommt Adenau ein Gesundheitshaus? Diese Frage stand während der jüngsten Sitzung des Adenauer Verbandsgemeinderates im Raum, als Uwe Borchers vom Zentrum für Innovation in der Gesundheitswirtschaft Ostwestfalen-Lippe (ZIG) im Rahmen seiner Tätigkeit als von der Verbandsgemeinde (VG) Adenau beauftragter Projektierer das für die VG ausgearbeitete Gesundheitskonzept vorstellte.
Insgesamt neun Maßnahmen und Teilprojekte umfasst das Konzept, mittels dessen künftig sowohl die akute wie auch generelle Gesundheits- und Pflegeversorgung in der VG sichergestellt werden soll. „Es gilt, die ambulanten Strukturen vor Ort zu stärken sowie Dienstleistungen zu bündeln und Innovationen zu erproben, die notfallmedizinische Versorgung zu erweitern, die Zusammenarbeit mit umliegenden Krankenhäusern zu verbessern, die Pflege auszubauen und die Gesundheitsprävention zu intensivieren“, umschrieb Borchers den generellen Handlungs- und Maßnahmenkatalog des Gesundheitskonzepts. Auch betonte er, dass es gerade vor dem Hintergrund, dass viele der in der VG niedergelassenen Mediziner sich in den kommenden Jahren altersbedingt aus dem Praxisbetrieb zurückziehen würden, notwendig sei, die Region attraktiv für jüngere Mediziner zu gestalten.
Nachwuchsförderung und Bündelung von Dienstleistungen im Fokus
So sieht das von Borchers präsentierte Gesundheitskonzept neben einer stärkeren Unterstützung der Praxen die Etablierung einer Akut-Ambulanz nach dem Vorbild des von der ADAC-Luftrettung erprobten Modells auch die Etablierung einer vertragsärztlichen Modellpraxis vor. Auf den modernsten Stand ausgestattet, soll diese Modellpraxis insbesondere jüngeren Medizinern attraktive Arbeitsbedingungen in der VG bieten.
Herzstück des Gesundheitskonzepts, da waren sich alle anwesenden Ratsmitglieder mit dem Projektierer einig, könnte ein Gesundheitshaus werden, in dem künftig verschiedene medizinische Angebote und Leistungen vereint werden könnten. Auch das Einrichten von stationären Betten zur Überwachung von Patienten bei unklaren Diagnosen ist vorstellbar. An welchem Standort das Gesundheitshaus in der VG entstehen könnte, ist bislang offen. Möglicherweise geeignet wäre, auch da waren sich alle Verantwortlichen einig, das Areal des einstigen St.-Josef-Krankenhauses, das bislang immer noch im Eigentum der Marienhaus-Gruppe steht. Ob diese an einem Verkauf der Immobilie interessiert ist, ist unklar. Hinsichtlich der künftigen Nutzungs- und etwaiger Verkaufsabsichten hält sich die Marienhaus-Gruppe bislang bedeckt.

Luftrettung des ADAC: Bekommt Adenau eine Akut-Ambulanz?
Bereits seit rund zwei Jahren gibt es bei der ADAC-Luftrettung Bestrebungen, Notfälle, die nicht mit dem Helikopter ins Krankenhaus geflogen werden müssen, künftig in einer sogenannten Akut-Ambulanz am Boden zu versorgen.
Kommunikations- und Beratungszentrum soll aufgebaut werden
Einen weiteren Schwerpunkt setzt das Konzept zur gesundheitlichen Versorgung im Bereich der Kommunikation und Beratung. So sei ein weiterer Konzeptbaustein der Aufbau eines Kommunikations- und Beratungszentrums. In diesem sollen nicht nur Beratungen zu medizinischen Behandlungen durchgeführt werden, sondern auch Informationen zu Pflegestützpunkten und Tagespflegeoptionen angeboten werden. Für eine intensivere und bedarfsgerechtere Betreuung von Patienten, die nach einer medizinischen Behandlung aus einem Krankenhaus entlassen werden, schlug Borchers vor, Patientenlotsen und entsprechende Fallbegleiter beziehungsweise Fallmanager zu implementieren, die im Bedarfsfall auch Kontakte zu Pflegeangeboten für die Betroffenen herstellen könnten.
Um langfristig eine umfassende Gesundheitsversorgung in der VG sicherzustellen, sei es zudem wichtig, „sektorenübergreifende Behandlungspfade zu beschreiten“, so Borchers weiter. Gerade vor dem Hintergrund, dass es sich bei der VG Adenau um eine Verbandsgemeinde mit vielen kleinen Ortsgemeinden handele, die zum Teil sehr weit auseinanderlägen, sei über den Einsatz von telemedizinischen Angeboten und technischen Assistenzsystemen und das Einrichten einer digitalen Gesundheitsplattform nachzudenken.
„Es braucht schnelle Hilfe im Notfall, eine besser vernetzte Medizin, eine wohnortnahe Pflege und Betreuung und mehr Fachkräfte vor Ort.“
Uwe Borchers, ZIG, zu den Kernbotschaften, die sich in Gesprächen mit Akteuren aus Gesundheitsversorgung und Pflege herauskristallisiert haben.
Für die Ausarbeitung des Konzepts zur medizinischen Gesundheitsversorgung hat Uwe Borchers seit seiner Beauftragung durch die Verbandsgemeinde im Oktober 2023 mit vielen Akteuren aus Medizin und Pflege gesprochen. Im Rahmen dieser Gespräche hätten sich vier Kernbotschaften herauskristallisiert, die allen Gesprächspartnern bei der Konzeption einer künftigen gesundheitlichen und pflegerischen Versorgung für die VG ein Anliegen gewesen seien. „Es braucht schnelle Hilfe im Notfall, eine besser vernetzte Medizin, eine wohnortnahe Pflege und Betreuung und mehr Fachkräfte vor Ort“, gab Borchers die Wünsche wieder und betonte, für eine zukunftsgerichtete und ganzheitliche gesundheitliche Versorgung in der Verbandsgemeinde sei es in jedem Fall notwendig, sich von dem Gedanken zu verabschieden, dass es wieder ein Krankenhaus in der VG geben könnte.

Projektierer für Adenau gefunden: Suche nach alternativem medizinischen Versorgungskonzept beginnt
Seit Ende März ist das Adenauer St.-Josef-Krankenhaus verlassen. Doch medizinisch aufgegeben ist die Verbandsgemeinde damit nicht. Vielmehr wurde nun ein Projektierer gefunden, der mit der Ausarbeitung eines alternativen medizinischen Versorgungskonzeptes betraut worden ist.
Vielmehr erinnerte er daran, dass sich nach dem Rückzug der Marienhaus-Gruppe aus St. Josef kein alternativer Träger gefunden habe. Eine Kompensation dieser mit der Krankenhausschließung entstandenen Versorgungslücke könne es daher nicht in Gestalt eines neuen Krankenhauses geben. „Von daher war die Zielsetzung bei der Konzeptentwicklung, herauszufinden, wie eine gesundheitliche Versorgung auch ohne Krankenhaus in der Verbandsgemeinde Adenau gelingen kann und wie trotz fehlenden Krankenhauses die Gesundheits- und Lebensqualität in der Region erhalten werden kann“, so Borchers und betonte, eine alleinige Konzentration auf eine akut-stationäre Versorgung und Notfallrettung sei bei einer Konzeptfindung daher nicht ratsam.
Konzept trifft im Rat auf Zustimmung, Land in der Pflicht
Von den Ratsmitgliedern wurde das von Uwe Borchers präsentierte Konzept begrüßt. Im Hinblick auf den demografischen Wandel merkte Michael Korden, Vorsitzender des CDU-Gemeindeverbands Adenau, an, wichtig sei in jedem Fall, die Lebensbedingungen derart in der Verbandsgemeinde zu stabilisieren, dass Bürger auch im Alter nicht gezwungen seien, ihren Wohnort zu verlassen: „Wir müssen als Verbandsgemeinde in Sachen Gesundheitsversorgung eigenständig werden und uns selbst organisieren.“
Bei den übrigen Ratsmitgliedern traf Korden mit dieser Forderung auf Zustimmung. Im Hinblick auf die Finanzierung des Gesundheitskonzepts sehen sie jedoch nicht nur die Kommune in der Pflicht. „Um die Finanzierung eines Versorgungskonzepts zu sichern, braucht es weitere Träger und Betreiber“, erklärte Guido Nisius, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Adenau und betonte: „Alleine können wir die Umsetzung nicht stemmen.“ Neben der Verbandsgemeinde sieht die Adenauer Freie Wähler Gruppe (FWG ) auch das Land in der Pflicht, sich an der Finanzierung der Konzeptrealisation zu beteiligen. „Das Land muss sich positionieren, wie und in welcher Form es die Umsetzung mittragen will“, sagte Fraktionsvorsitzender Alvin Brenner.
Weitere Entscheidungen zur Konzeptrealisation in Ratssitzung am 1. April
Bis ein Konzept zur gesundheitlichen und medizinischen Versorgung in der Verbandsgemeinde allerdings umgesetzt sind, wird es noch dauern. Mit der Präsentation des Versorgungskonzepts sei die Beauftragung von Uwe Borchers beendet, fasste VG-Chef Nisius den Sachstand zusammen und erklärte mit Blick auf die Aufgaben, die im Rahmen einer Konzeptrealisation, der sogenannten Projektphase II, noch vor der VG liegen: „Wir haben Herkulesaufgaben vor uns!“
Einstimmig, mit einer Enthaltung, sprachen sich die Ratsmitglieder dafür aus, in den kommenden Wochen bis zur nächsten Sitzung des Verbandsgemeinderats am 1. April zu überlegen, ob und wie das vorgelegte Entwicklungskonzept mit seinen vorgeschlagenen Maßnahmen umgesetzt werden soll und kann. Auch stimmten sie dafür, falls das Entwicklungskonzept umgesetzt wird, die ZIG mit der Projektfortführung zu beauftragen. In diesem Zusammenhang beauftragten sie die Verwaltung, beim Ministerium für Wissenschaft und Gesundheit Rheinland-Pfalz dafür vorsorglich einen weiteren Förderantrag zu stellen sowie beim Landkreis Ahrweiler die Bereitschaft zu einer weiteren finanziellen, insbesondere aber auch personellen Unterstützung in dem künftigen Prozess auszuloten.
Ein Projekt, viele Unterstützer
An den rund 71.400 Euro für die Erbringung der Projektiererleistungen durch das ZIG samt Konzepterstellung haben sich das Land Rheinland-Pfalz zu 80 Prozent und der Kreis Ahrweiler mit einem Betrag von 7140 Euro beteiligt. Der finanzielle Eigenanteil der Verbandsgemeinde Adenau lag ebenfalls bei 7140 Euro. Unterstützung bei der Finanzierung erfuhr die VG durch den Förderverein Krankenhaus und Notarztstandort Adenau, der 4000 Euro zum kommunalen Eigenanteil beisteuerte, sowie von der Bürgerinitiative „Gesundheitsversorgung Adenauer Land“, welche 2000 Euro dazu gab.