Zumindest unter freiem Himmel darf jetzt wieder serviert werden - Noch ist Zurückhaltung zu spüren
Geöffnet: Gäste und Gastronomen atmen auf
Ungezwungener Frühschoppen vor dem Ahrstübchen in Bad Neuenahr: Das hat es schon lange nicht mehr gegeben.
Vollrath

Kreis Ahrweiler. Nach monatelangem Stillstand geht es plötzlich wieder los im heimischen Gastgewerbe. Doch noch ist Zurückhaltung zu spüren bei den Gastronomen in Bad Neuenahr-Ahrweiler.

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Nachdem die Inzidenz im Kreis Ahrweiler fünf Tage stabil unter 100 lag, wurde die Bundesnotbremse ausgesetzt. Jetzt gilt der Dreistufenplan der Landesregierung. Die erste Stufe in Richtung Normalität wurde nun gezündet: Zwar noch mit halber Kraft, aber immerhin bewegt man sich wieder.

In der Kreisstadt hatten bereits am Mittwoch einige Läden und hier und da auch Außengastronomie geöffnet. Am Donnerstag hatte die Zahl merklich zugenommen, aber nicht jeder Gastbetrieb öffnete die Türen. Der Kreisvorsitzende der Dehoga, Günther Uhl, bemängelt das kurzfristige Timing: „Der Einkauf, die Vorbereitungen, die Mitarbeiterplanung, die umzusetzenden Vorgaben … alles muss organisiert werden. Das ist ein Grund, warum viele Betriebe nicht sofort aufmachen können.“ Manche aber standen trotzdem schon in den Startlöchern.

„Wir sind alle sehr froh,“ spricht Antoine Rieger vom Bad Neuenahrer Hotel Krupp vielen Gastronomen und Hotelbetreibern aus der Seele. „Das ging ja alles über Nacht. Aber die Zimmer sind ja da.“ Man habe eingekauft, und auch die Mitarbeiter standen bereit und freuten sich, aus der Kurzarbeit herauszukommen. Die ersten Gäste haben bereits am Mittwoch reserviert oder eingescheckt.

Im Großen und Ganzen aber ist bei aller Freude auch Zurückhaltung zu spüren. Man ist vorsichtiger geworden. Alle Gastronomen können sich an den Stufenplan und die Lockerungen im vergangenen Jahr erinnern. Dann schossen die Infektionszahlen nach oben, und der nächste Lockdown folgte.

Das verunsichert auch Jacqueline Schragen, Chefin der gleichnamigen Bäckerei in Ahrweiler. Sie hat lange überlegt, bevor sie am Donnerstag Tische herausstellte, um draußen wieder Kaffee und Kuchen zu servieren. „Am Dienstagabend erst kam die Nachricht, das war sehr kurzfristig.“ Und so richtig traut sie dem Dreistufenplan noch nicht. „Wir hatten schon einmal einen solchen Plan, und dann war es plötzlich wieder vorbei“, erzählt sie. Alles musste wieder dichtgemacht werden. Das Haltbarkeitsdatum der Getränke war dann irgendwann abgelaufen. „Wir mussten so viel wegschütten und wegwerfen. Wir werden deshalb alle vorsichtiger.“

Vorsicht ist nicht nur geboten wenn überlegt wird, wie viel von der verderblichen Gastronomieware man einkaufen soll. Auch der Kontakt mit Gästen birgt ein Risiko. Dass sie und die Mitarbeiter so weit hinten in der Priorisierung liegen und noch immer nicht geimpft sind, das macht die 55-jährige Jacqueline Schragen regelrecht wütend. „Wir haben ständig Kontakt mit Kunden. Wir müssen höllisch aufpassen.“

Die Menschen scheinen sehnsüchtig auf die Lockerung gewartet zu haben. Am Feiertag bieten in Bad Neuenahr mehrere Gaststätten einen geöffneten Außenbereich an: Die überdachte Terrasse am Hotel Krupp lockt mit festlich gedeckten Tischen und einem heißen Büfett. Zwei Damen studieren die Speisekarte: „Wir sind Schwestern und aus Alfter nach Neuenahr gefahren. Anders als bei uns können wir hier in einem Außencafé sitzen.“ Der Andrang der Gäste ist noch verhalten. Das findet auch Kandepan Nadesan, Besitzer des Restaurants Residenz am Platz an der Linde. Nur wenige Tische im großen Außenbereich sind besetzt. „Man weiß nie, ob die Inzidenz nicht plötzlich wieder steigt. Deshalb lassen wir es langsam angehen und servieren vorläufig nur Getränke.“ Auch ihm sitzt der plötzliche Lockdown bei der dritten Welle noch in den Knochen. „Wir mussten so viele abgelaufene Getränke wegschütten und Essen entsorgen“, sagt der Gastronom. Und neben dem wirtschaftlichen Schaden, der dem Geschäftsmann Sorgen macht, geht ihm noch etwas anderes durch den Kopf: „Menschen verhungern, und wir werfen Lebensmittel weg. Das ist nicht schön.“ Vor der Kneipe „Ahrstübchen“ in der Poststraße ist viel los. Kaum einen freien Platz gab es fürs fröhliche Frühschoppen.

Während es in Bad Neuenahr noch verhalten zugeht, herrscht in Ahrweiler gestern Nachmittag fast wieder Normalzustand. Aber nur fast. Der Ahrtorparkplatz ist bereits mittags voll besetzt. Viele Restaurants haben ihre Außengastronomie eingerichtet, und Geschäfte sind geöffnet. Geimpft, genesen oder negativ getestet muss man sein, um in den Genuss des Shoppens und Speisens zu kommen. In der Ahrhutstraße ist eine Teststation aufgebaut. Dort kann man sich in die Schlange einreihen und kostenlos testen lassen. Doch freie Tische beim Italiener oder im Bistro sind rar.

Linda Kleber ist Inhaberin des gleichnamigen Restaurants mit großem Biergarten etwas abseits vom Ahrweiler Marktplatz. Sie muss genau darauf achten, dass auch an den Biertischen die Abstände gewahrt werden. Und sie kontrolliert sorgfältig die vorgelegten Testergebnisse.

Ausnahmen werden nirgendwo gemacht. Die gebeutelten Ladenbesitzer, Hoteliers und Gastronomen, die endlich wieder ihre Betriebe anlaufen lassen können und sich auf die weiteren angekündigten Lockerungen vorbereiten, wollen kein Risiko eingehen.

Von unserer Mitarbeiterin Gabi Geller

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