Nun soll auf einem Teil des Areals ein Leuchtturmprojekt entstehen, konkret ein Erdbecken-Wärmespeicher im Rahmen der kommunalen Energie-Nahwärmeplanung.
Abwasser von Haribo effektiv nutzen
Die Idee hat zu tun mit Überlegungen, das zuckerhaltige Produktionsabwasser von Haribo zur umweltfreundlichen Energieerzeugung zu nutzen. Dazu ist die Fläche als Sondergebiet Kraft-Wärme-Kopplung bereits planungsrechtlich gesichert. Derweil sind die Flächen im sogenannten Nord- und Südfeld anderweitig veräußert, auf ihnen soll eine Fotovoltaikfreiflächenanlage entstehen. Nach RZ-Informationen soll der Betreiber ein Bonner Unternehmer sein. „Mit dieser historischen Entscheidung des Gemeinderats vom 21. März endet ein über zehn Jahre andauernder Kampf gegen eine drohende Schadstoffdeponie“, bezog Gemeinderatsmitglied Udo Klein (SPD) Stellung. „Dies hätte für die Grafschaft und vor allem die Ortsteile Niederich, Oeverich und Leimersdorf eine kaum zu kalkulierende Umweltgefahr bedeutet und eine Belastung für die unmittelbar an dem Gelände gelegenen Wohngebiete, die Leimersdorfer Grundschule und unsere Kita“, bekundete Klein.
Mit dieser historischen Entscheidung des Gemeinderats vom 21. März endet ein über zehn Jahre andauernder Kampf gegen eine drohende Schadstoffdeponie.
Gemeinderatsmitglied Udo Klein (SPD)
Die Gemeinde Grafschaft hatte bereits im Februar 2020 das Institut für angewandtes Stoffmanagement der Hochschule Trier (IfaS) mit den Arbeiten für eine Machbarkeitsstudie zur energetischen Verwertung von Produktionsabwässern des Grafschafter Unternehmens Haribo beauftragt. Die 42-seitige Studie enthält ein Konzept, das unter anderem die technische Machbarkeit für ein Wärmelager, das künftig die Orte Oeverich, Niederich, Leimersdorf und Nierendorf mit Wärme versorgen könnte, beschreibt. Aus dem zuckerhaltigen Haribo-Abwasser ließe sich in einer Vorbehandlungsanlage Biogas erzeugen, das in einem Blockheizkraftwerk zur Stromgewinnung eingesetzt wird. Weil dabei auch Wärme anfällt, könnte man diese zum Heizen nutzen. Um die Wärme in Form von heißem Wasser optimal zu nutzen, bräuchte man einen geräumigen Zwischenspeicher. Das wäre in diesem Fall die ausgebeutete Tongrube Leimersdorf.
Mikrogasleitung könnte helfen
Das Problem: Zwischen dem Haribo-Werk im Innovationspark Rheinland und dem potenziellen Standort für den Erdbeckenspeicher im ausgebeuteten Südfeld der Tongrube Leimersdorf am Heckweg liegen circa 2,7 Kilometer. Wie soll diese Entfernung überbrückt werden? Favorisiert wird der Biogastransport via Mikrogasleitung zum Blockheizkraftwerk am Standort des Wärmespeichers am Heckweg. Dieser verlustarme und relativ kostengünstige Energietransport erlaubt eine räumliche Trennung der beiden Prozesse „Abwasserbehandlung“ am Haribo-Werk und „Energieverwertung“ im Loch der ehemaligen Tongrube.
Zum Hintergrund: 2007 übernahm das Krefelder Abfallentsorgungsunternehmen C. C. Umwelt die Leimersdorfer Tonwerke Jacob Linden GmbH und Co. KG. Im April 2013 soll die C. C. Umwelt im Kreishaus darauf hingewiesen haben, dass eine wirtschaftliche Ausbeute der Tongrube in den kommenden ein bis zwei Jahren zu Ende gehe. Das Krefelder Abfallentsorgungsunternehmen soll bereits damals eine Deponie der Klasse 1 (Deponie für Haus und Gewerbemüll, Industrieabfälle sowie für Einlagerungsstoffe ohne besonderen Überwachungsbedarf) im Hinterkopf gehabt haben. Volumen: circa 900 000 Kubikmeter.
Anfangs sah es so aus, als würde Deponie kommen
Helle Aufregung herrschte in jenen Tagen in Leimersdorf und Umgebung, als die Pläne des ehemaligen Grubenbesitzers bekannt wurden, die Tongrube Leimersdorf in eine Deponie umwandeln zu wollen. Auch die Grafschafter Kommunalpolitik wurde von Beginn an auf den Plan gerufen. Sie setzte sich vehement dafür ein, das Vorhaben der C. C. Umwelt zu stoppen. „Anfangs sah es danach aus, dass gegen bestehendes Bergrecht, ein stures Bergamt und eine entschlossene Betreibergesellschaft kaum Chancen bestanden, die drohende Deponie zu verhindern“, befand Klein.
Im Lauf der Jahre habe sich auch der Gemeinderat mehrfach mit alternativen Nutzungskonzepten für das Tongrubengelände befasst, machte der Vorsitzende der Grafschafter SPD deutlich. Und: „Wir haben unser Ziel nie aus den Augen verloren und immer an einen Erfolg geglaubt.“ Dieses Ziel habe man am 30. Juli 2014 „auch in einer Resolution des gesamten Gemeinderates gegen eine Umwidmung der Tongrube zu einer Deponie manifestiert“.
Breiter Widerstand gegen die Pläne
Selbstredend machte sich immer Widerstand breit, wenn es auf der Grafschaft um diese Tongrube ging. Insbesondere die in einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts zusammengeschlossenen Bürger „Aktive Grafschafter“ (GbR) um Constanze Kunkel, die damals aus eigener Tasche Grundstücke rund um die Grube aufgekauft hatte, machten sich stark, eine Expansion des Abbaus zu verhindern. Die „Aktiven Grafschafter“ hatten damals dem Ex-Betreiber schon unterstellt, sich weniger für den Tonabbau zu interessieren, als für das zurückbleibende, große Loch. Auch der Kreis machte früh deutlich, dass er für eine derartige Deponie keinen Bedarf sieht. Unter dem Eindruck der bekannt gewordenen Bestrebungen der C. C. Umwelt, das Gelände dem Abfallwirtschaftsbetrieb als Deponie für Industriemüll anzudienen, beschloss der Grafschafter Gemeinderat kurzerhand, die GbR im Fall eventuell erforderlich werdender Klagen zu unterstützen.
Auch in den Fachabteilungen des Rathauses der Grafschaft wurde konsequent daran gearbeitet, alternative Nutzungspläne für das Loch zu entwickeln. Zweifellos habe es in all den Jahren „auch Rückschläge, Fehlentscheidungen und Streit, etwa beim Abbau Heckweg, Böschungsabrutschen, Beschädigung von Wirtschaftswegen und viele Auseinandersetzungen mit Bergamt und Betreibergesellschaft gegeben“, meint Klein. Schlussendlich ist sich der Sozialdemokrat aber sicher: „Das ist Schnee von gestern. Das Ergebnis zählt.“